Page - 65 - in Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums - Die Kaiserliche Galerie im Wiener Belvedere (1776–1837), Volume 1
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65 Fischer
Kunst nach Ordnung, Auswahl und System
zu deponieren versuchte. Mit der als eigene
Forschung zum Ausdruck gebrachten Ent-
deckung gedachte Mechel die These Les-
sings zu stützen, dass die Ölmalerei älter sei
als – wie bisher angenommen – die der Van
Eycks.190 Mechel suchte deswegen den
brieflichen Kontakt zu Lessing und plante,
dessen Manuskript zusammen mit einer ei-
genen Studie zu den Karlsteiner Bildern zu
publizieren.191
Mechels – oder Ehemants – Hypothesen
stellten sich alsbald als unhaltbar heraus. So
berichtet Luigi Lanzi, nicht ohne Seitenhieb
auf den „minder kundigen“ Mechel, der
sich durch Harze und Eigelb, die den in Öl
gemalten Gemälden sehr nahe kamen, täu-
schen ließ, dass noch 1793 in Venedig –
wiederum auf Anordnung von Kaunitz –
eine Untersuchung des Bildes von Tomma-
so da Modena stattgefunden hat, in der
eindeutig festgestellt wurde, dass „keine Spur von Öl vorhanden sei, vielmehr sei das Ge-
mälde mit sehr feinen mit Eigelb, oder Eiweiss gemischten Harzen gemacht, wie man dies
auch von anderen alten Werken behaupten müsse.“192 Die Aufstellung der Karlsteiner Bil-
der hatte für Mechel aber vorerst ihren Sinn und Zweck erfüllt: Als Darstellung der Anfän-
ge der Ölmalerei vorgeführt, verbindet sich mit der Aufstellung der „Ältesten Teutschen
Meister“ naturgemäß auch ein gesteigerter Prestigewert der „Geschichte Teutscher Male-
rei in ganzem Umfange“. Dies gestattete nicht nur eine historische Rekonstruktion der
deutschen Malerei, sondern nimmt die Kontinuität einer Deutschen Schule vom Ende des
13. Jahrhunderts bis in das späte 18. Jahrhundert an, wobei es Mechel verstand, die Erfin-
dung der Ölmalerei mit der Überwindung des Gotischen gleichsam gleichzusetzen.
Dass die Episode der Entdeckung des Werks Thomas’ von Mutina und die historische
Rekonstruktion einer deutschen Schule in der französischen Fassung, dem Catalogue des
Tableaux de la Galerie Imperiale e Royale de Vienne, viel nachdrücklicher ausgeführt war als
in der deutschen, ist ein Hinweis darauf, dass Mechel versuchte, das internationale Interes-
se auf die deutsche Kunst zu lenken. Damit trug er dem Umstand Rechnung, dass – unter
anderen durch Winckelmann und Hagedorn – etwa ab der Jahrhundertmitte in Frankreich
der deutschen Kunst und Kultur verstärkte Beachtung gewidmet wurde. Michel Espagne
hat in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, dass die deutschen Aufklärer zu ihrem
Kulturbewusstsein, zur „ästhetischen Bejahung einer deutschen Nation“, erst über die An-
erkennung des Phänomens Winckelmann in Frankreich fanden.193
Der Katalog, das Verzeichniß, sollte ursprünglich durch einen Catalogue raisonné ergänzt
werden. Mechel selbst verweist im „Vorbericht“ darauf: „Wünschet nun ein Liebhaber sich
mehr umzusehen, nähere Kentnisse zu nehmen, und der Biene gleich sich an das Interes-
santeste zu wenden, so findet er hier eine kleine Leitung darum, daß die seltensten Stücke
mit einem Sternchen * bemerkt sind. Dieses Sternchen bezieht sich auf einen zukünftigen
Catalogue raisonné. In diesem Catalogue kann sodann die merkwürdige Geschichte dieser
Sammlung, oder welches wegen der engen Verbindung eben so viel ist, die Geschichte
teutscher Kunst im ganzen Umfange, behandelt und da sowohl, als bey Beschreibung der
seltenen Stücke, die vielen Bemerkungen, die bald die Kunst bald die blosse Geschichte an-
gehen, mitgetheilt werden. Wenige Sammlungen bieten dazu ein so reiches Feld dar.“194 Abb. 43
„An den Fenster-Pfeilern“ im ersten Zimmer
(„Gemälde der ältesten Teutschen Meister“)
der deutschen Schule im zweiten Stock des
Oberen Belvedere. Digitale Rekonstruktion
nach Mechel 1783 (Rekonstruktion: Autorin)
Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
Die Kaiserliche Galerie im Wiener Belvedere (1776–1837), Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
- Subtitle
- Die Kaiserliche Galerie im Wiener Belvedere (1776–1837)
- Volume
- 1
- Author
- Gudrun Swoboda
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79534-6
- Size
- 24.0 x 28.0 cm
- Pages
- 312
- Category
- Kunst und Kultur