Page - 125 - in Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums - Die Kaiserliche Galerie im Wiener Belvedere (1776–1837), Volume 1
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125 Hassmann Quellen zur Gemäldegalerie
befinden sich, größtenteils seit 1730, im Prunksaal der ehemaligen Hofbibliothek am
Josefsplatz in Wien. Ob das Untere Belvedere tatsächlich jemals die Funktion einer
Ruhmesstätte der Habsburgerdynastie besaß, erscheint in Anbetracht der archivalischen
Nachrichten und der beiden Beschreibungen von Fuhrmann (1770) und Rotenstein
(1782) fraglich. Eher könnte diese Funktion, wenn überhaupt, dem Oberen Belvedere
zugekommen sein. Mit Sicherheit wurde dieses Konzept der Ruhmesstätte jedenfalls
in Laxenburg unter Kaiser Franz II./I. realisiert, wo möglicherweise bereits 1713 eine
Ahnengalerie geplant und in Entstehung war (Lhotsky 1941−1945, S. 397f.).
3 Druck 1770
Fuhrmanns Beschreibung des Haupt- und
Erdgeschoßes vom Oberen Belvedere.
In den Zimmern des Oberen Belvederes befanden sich laut Fuhrmanns Beschreibung
(die hier sehr gekürzt zusammengefasst wird) fünf Gemälde zur ersten Hochzeit
Josephs (II.) mit Elisabeth Maria Isabella, Infantin von Parma, und weitere fünf Gemälde
zur Wahl und Krönung Josephs II. zum römischen König in Frankfurt. Diese Gemälde
habe Kaiserin Maria Theresia anfertigen und ins Belvedere überbringen lassen. Sie
wurden von mehreren Malern (darunter Vinzenz Fischer) unter der Aufsicht des Direk-
tors der Maler- und Bildhauer-Akademie [Martin van] Meytens verfertigt. In der ehe-
maligen Handbibliothek des Prinzen Eugen hing ein Gemälde von Holbein mit dem
Porträt des „Theophrastus Paracelsus sammt seinem Gevatter“. Ein anderes Zimmer ist
mit „Bataillen-Stücken der siegreichen Prinz Eugenischen Feldschlachten ausgezieret, wel-
che aus dem in der Himmelportgassen gelegenen Pallast“ ins Belvedere kamen. In einem
anderen Zimmer wurden „in einem grossen Glaskasten 84 porcellänene, ungefehr einen
Schuh hohe Statuen“ alter und junger Chinesen und Chinesinnen samt dem „Kaiser
aus China mit seiner Familie“ aufbewahrt. Diese von Fuhrmann genau beschriebenen
Figuren ließ Kaiser Franz Stephan aus China bringen.
Zum Erdgeschoß wird angegeben, dass in den an die Sala terrena angrenzenden vier
Räumen „16 weißmarmorne Statuen fast in Mannsgrösse“ standen, darunter eine Kai-
ser Karls VI. von Georg Raphael Donner und eine Prinz Eugens von Balthasar [Permo-
ser], dem „berühmten Bildhauer in Dreßden“, die 20.000 Taler gekostet haben soll. Die
übrigen Statuen, darunter Kaiser Leopold [I.] und Joseph I. nebst anderen aus dem
Erzhaus Österreich soll „Baron von Strudel“ verfertigt haben. Schließlich wird eine Bü-
ste der Kaiserin von „L. Delvaut“ [recte Delvaux] mit Jahreszahl 1751 genannt, die
Herzog Karl Alexander von Lothringen der Kaiserin zum Namenstag geschenkt habe.
Zum Unteren Belvedere heißt es lediglich: Am „Ende des Gartens ein Gebäude, in wel-
chem sich gleichfalls ein schöner und kunstreich gemahlter Saal zu ebener Erde mit einge-
richteten Zimmern befindet.“
Mathias Fuhrmann, Historische Beschreibung und kurz gefaßte Nachricht von der Rö-
misch. Kaiserl. und Königlichen Residenzstadt Wien und Ihren Vorstädten, 3. Teil, Wien
1770, S. 29−37.
Hinweis: Die von Fuhrmann aufgezählten Gemälde sind bei Perger (1864, S. 156)
aufgelistet und werden von Frimmel (1898, S. 220f.) besprochen. Mehrere Ausgaben
zur Ausstattung des Belvederes nach Ankauf des Schlosses durch Maria Theresia im
Jahr 1752 bei Fleischer (1932); dazu auch Aurenhammer (1969, S. 48 und S. 143,
Anm. 35). Die „Einrichtung deren Herrschaftlichen Zimmern in dem Bellvedere“ wurde
übrigens 1753 von Galerieinspektor und Kammermaler Johann Martin Rausch vorge-
nommen (Fleischer 1932, Nr. 120).
Anmerkung: Der bislang offenbar noch nicht vorgenommene Vergleich der Belvede-
re-Beschreibung von Fuhrmann mit jener von Gottfried Rotenstein von 1782 (Dok.
141) lässt die Veränderungen beim Belvedere erkennen, die durch die 1776 erfolgte
Widmung als Aufbewahrungsort der kaiserlichen Gemäldegalerie entstanden. Dem-
nach kam ein Teil der Ausstattung des Hauptgeschoßes vom Oberen ins Untere Belve-
dere. Die großformatigen Bilder zur ersten Vermählung und zur Krönung Josephs II.
kamen hingegen nach Schönbrunn (Frimmel 1898, S. 220).
4 [1772 September 21, Wien]
Der Maler Anton von Maron soll Bilder
für die Galerie auswählen.
Anton von Maron erhält von Maria Theresia und Joseph II. den Auftrag und die Voll-
macht, „daß er die in der allhiesigen Schaz-Cammer oder zu Presburg, oder in anderen
kayserlich-königlichen Schlößern, und Gebäuden vorfindige Bilder und Gemählde nach
Gutdünken ansehen, untersuchen, und ohne weitere Anfrage in die kaiserlich-königliche
Gallerie transportiren laßen“ könne. Gleichzeitig wird „Schazmeister Herrn Philipp von Schouppe zu dem Ende nachrichtlich eröfnet, damit er gedachtem Herrn Marron an Voll-
zug eingangs gedachten allerhöchsten Auftrags keinesweegs hindern, viellmehr ihm allen
guten Willen und Vorschub bezeigen“ solle.
ÖStA/HHStA, OKäA, Akten Serie B, Karton 3, Nr. CC62 ½, unfol., undatiertes Konzept.
Zur Datierung: Die am 21. September 1772 in Wien ausgestellte Ausfertigung bei
Zimerman (1895, Nr. 12640).
Druck: Regest bei Zimmermann (1903, Nr. 19366).
Anmerkung: Anton Maron legte [1772] im Auftrag der Kaiserin ein Konzept zur Reor-
ganisation der Kunstakademie vor, das sie und Staatskanzler Kaunitz, der im Oktober
1772 zum Protektor der vereinigten Kunstakademie ernannt wurde, befürworteten
(Lützow 1877, S. 53f.). Dazu auch Stix (1922, S. 19) und Meijers (1998, S. 63 und
S. 164). Maron und Rosa wählten aus dem „Böden- und Zimmervorrath” der Galerie in
der Stallburg 69 Stück für die dortige Schausammlung aus (siehe Dok. 6). Außerdem
sichtete Maron mit Johann Baptist Primisser die auf Schloss Ambras (bei Innsbruck)
befindlichen Bilder (Zimmermann 1903, Nr. 19393; Lhotsky 1941−1945, S. 442;
Schütz 2004, S. 46f.). Rosa beschreibt in seinem Bericht von 1787 (Dok. 156) recht
ausführlich die 1772 vorgenommenen Inventararbeiten, erwähnt aber nicht die
Mitarbeit Marons. Diese wird hingegen vom offenbar gut informierten Autor des
„Almanach de Vienne en faveur des etrangers ...“ (Wien 1773 bei Joseph Kurzböck,
S. 63f.) ausdrücklich hervorgehoben. In der 1774 erschienenen deutschen Ausgabe
(„Almanach von Wien zum Dienste der Fremden ...“, Wien 1774 bei Joseph Kurzböck,
S. 47f.) wird dies nochmals ausgeführt und zusätzlich bemerkt, dass Maron die ihm
angebotene Stelle als Direktor der Kunstakademie abschlug.
5 1772 Oktober
Umfassende personelle Veränderungen
in der Gemäldegalerie.
Der bisherige Galerieinspektor, Kammermaler Johann Martin Rausch, wird in Ruhe-
stand versetzt. Statt seiner wird der aus Dresden berufene Maler Joseph Rosa d. Ä.
(geboren 1726 in Wien) aufgenommen, für den die Stelle eines Galeriedirektors neu
geschaffen wird. Zu seiner Unterstützung werden die beiden Maler Joseph Hickel und
Georg Gruber als Galerieadjunkten aufgenommen. Zusätzlich wird noch Johann
Neuwig als Galeriediener angestellt.
ÖStA/HHStA, OKäA, Akten Serie B, Karton 3, Nr. CLXIX sowie Karton 4, Nr. CCC88
und Nr. CCC94, unfol.
Druck: Vollregesten dazu bei Zimmermann (1903, Nr. 19367 betreffend Rosa und
Hickel, 1772 Oktober 2 und 3; Nr. 19369 betreffend Gruber und Neuwig, 1772
Oktober 16 und 20; Nr. 19376 zur Regelung der Pension Rauschs, 1772 Dezember 19).
Hinweis: Regesten betreffend Rosa, Hickel, Gruber und Rausch aus OMeA-Akten bei
Pillich (1966, Nr. 698, 699, 700, 705). Weder für den Galeriedirektor noch für das
übrige Personal der Galerie liegen Dienstinstruktionen vor. Neu bei Rosa gegenüber
Rausch ist, dass nun die Restaurierarbeit im Gehalt inkludiert ist, weshalb es von 500
auf 1.200 Gulden jährlich erhöht wurde (Zimmermann 1903, vergleiche Nr. 19368
mit Nr. 19376). Zu Rosa und seiner Berufung nach Wien siehe Schütz (2007, S. 46)
und den Beitrag von Nora Fischer im vorliegenden Band.
Anmerkung: Eine der ersten Maßnahmen, die Galeriedirektor Rosa in der Stallburg-
Galerie veranlasste, war die Montage von Fenstervorhängen aus grünem „Zwilich“
zwecks „Conservirung“ der dortigen Bilder (Zimmermann 1903, Nr. 19371, 1772
Oktober 28; Pillich 1966, Nr. 702, 1772 Oktober 29).
6 1772 Dezember 19, Wien
Inventarisierung der in und außerhalb
Wiens befindlichen kaiserlichen Gemälde.
Oberstkämmerer Auersperg berichtet der Kaiserin, er habe Galeriedirektor Rosa und
Amtssekretär Thoss gemäß [nicht erhaltener oder nur mündlich erteilter] Anordnung
der Kaiserin mit der Inventarisierung der in der Galerie, auf den Galerie-Böden und in
den Galeriezimmen befindlichen Gemälde beauftragt. Demnach befänden sich auf
den Böden 1011 gute Bilder und 521 „Stück Ausschuss“, in den Galerienebenräumen
810 Bilder. Zu diesen Gemälden habe es bislang kein Inventar gegeben, da im alten
Inventar [„Storffer-Inventar“] nur die in den Galerieräumen befindlichen Bilder erfasst
gewesen seien. Auersperg lege der Kaiserin die nun fertigen neuen „Inventaria … zur
allergnädigst beliebigen Einsicht“ und weiteren Beschlussfassung vor. Das Galeriehaupt-
inventar beinhalte bereits jene Gemälde, die Rosa und Maron zusätzlich zur Hängung
Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
Die Kaiserliche Galerie im Wiener Belvedere (1776–1837), Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
- Subtitle
- Die Kaiserliche Galerie im Wiener Belvedere (1776–1837)
- Volume
- 1
- Author
- Gudrun Swoboda
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79534-6
- Size
- 24.0 x 28.0 cm
- Pages
- 312
- Category
- Kunst und Kultur