Page - 145 - in Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums - Die Kaiserliche Galerie im Wiener Belvedere (1776–1837), Volume 1
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145 Hassmann Quellen zur Gemäldegalerie
93 ohne Datum [1780 Dezember, zwischen 1 und 12, Wien]
Arbeiten in der Bildergalerie im November 1780.
„Kai. könig. Belvedere […] die Winter Fenster und Öfen in der Bilder Gallerie verstrichen […]
mit Transportierung deren Bildern in das neue Depositorium [im Dezember] wird continuiret.“
ÖStA/HHStA, HBA, Karton 47, 1. Session, Nr. 12 ex Jänner 1781, monatlicher
Hofbaubericht, unfol., von Canevale unterschriebene Ausfertigung, die dem Kaiser
mit Note des Generalhofbaudirektors Kaunitz-Rietberg vom 12. Dezember 1780
übermittelt wurde.
Druck: Bislang unpubliziert.
Hinweis: Für Dezember 1780 liegt kein Hofbaubericht ein, stattdessen eine Aufstel-
lung der im Gang befindlichen Hofbauarbeiten, in der die Bildergalerie nicht vor-
kommt (HBA, Karton 46, fol. 551r, Ausfertigung, 1780 Dezember 15, Wien).
94 1780 November 22, Wien
Rosa soll auf kaiserliche Resolution die nun vollendete Galerie
wieder übernehmen.
Handbillet Kaiser Josephs II. an seinen Oberstkämmerer: „Lieber Graf Rosenberg! Da ich
unter Anleitung des Fürstens von Kaunitz, die Bilder-Gallerie im Belvedere, in eine ge-
schmacksvollere Ordnung, nach denen Klassen und Jahrgängen, durch den Kupferstecher
Meckel zu bringen gestattet habe, so ist diese Arbeit nun vollendet, und Ihre Mayestät so
wie Ich sind gesint, daß Sie dem Gallerie-Director Rosa den Auftrag machen, daß er nun-
mehr die Gallerie anwiederum von dem Meckel ordentlich übernehme, sich nach dem al-
ten Catalog die Vorfindung aller Bilder ordentlich ausweisen lasse, und die seitdem neu
erkaufte in ihre behörige Klassen eintrage, zugleich aber bey dieser anjetzo eingeführten
Ordnung künftighin ohnabweichlich beharre, und daran gar nichts, ohne besonderen Be-
fehl, abändere. Meckel erhält hierwegen schon den Befehl durch den Fürsten Kaunitz, und
Ich gedenke, daß somit das Werck in seinem guten Fortgang wird verbleiben können.“
ÖStA/HHStA, OKäA, Sonderreihe, Karton 38a, Mappe I, Nr. 67 ex 1780, unfol., Aus-
fertigung.
Druck: In vollem Wortlaut bei Engerth (1881, S. LXIV).
Hinweis: Mechel erwähnt in einem Brief an Friedrich Domenikus Ring (vom 7. Jänner
1781), er habe für die 24 Zimmer des Belvederes aus 6000 Bildern 1200 ausgesucht
(Wüthrich 1956, S. 154). Da damals die beiden westlichen Eckkabinette noch nicht
mit Bildern behängt waren (Dok. 97), muss es sich um die 22 Räume des Oberen und
um die zwei Schlachtenbildzimmer des Unteren Belvederes handeln. Hilchenbach
(Dok. 97) gibt ohne Nennung der Räume „über 1200 Stück“ an.
Anmerkung: Das wenige Tage vor dem Tod der Kaiserin abgefasste Handschreiben
nennt Staatskanzler Kaunitz als Leiter der Neueinrichtung der Bildergalerie. Kaunitz
selbst gibt an, nur während der Zeit der Abwesenheit des Kaisers [aufgrund dessen
Russlandreise vom 26. April bis 20. August 1780] mit der Leitung betraut worden zu
sein (siehe Dok. 82 und 102). Unter „Ordnung nach denen Classen und Jahrgängen“ ist
wohl die Aufteilung nach Schulen und die chronologische Anordnung der Bilder ge-
meint. Der Kaiser verwendete den Begriff „Classe“ aber auch im Sinne von Qualität
(Engerth 1881, S. LVIII, 1786 Oktober 3). Mit dem „Catalog“, zu dem Rosa den aktu-
ellen Bilderbestand nachtragen soll, meint Joseph II. wohl das Galerieinventar von
1772 (siehe Dok. 6), das nach Rubriken eingeteilt ist. Wohl auf Rosa bezogen wird
angeordnet, dass die Aufstellung unverändert bleiben soll. Nicht erwähnt wird hinge-
gen, dass Mechel den Galeriekatalog erstellen soll.
95 1780 November 23, Wien
Kaunitz rät dem Kaiser, die Übergabe der Galerie an Rosa zu verschieben.
Unmittelbare Reaktion des Staatskanzlers Kaunitz auf Josephs II. Handbillet vom 22.
November: „Euer kayserlicher Mayestät allerhöchste Willensmeinung in Ansehung der
Bildergallerie Belvedere habe ich dem Chevalier Mechel unverzüglich hinterbracht, und
sofort überdacht, welchergestalt solche an füglichsten in Vollzug zu bringen seyn därfte,
da dieselbe nicht auf die Art, welche Euer Mayestät ganz wohl für die natürlichste gehal-
ten, nämlich nach dem alten Catalog geschehen kann, weilen ein dergleichen Verzeichniß
entweder gar nicht existiert, oder wenigstens dem Chevalier Mechel niemals übergeben
worden, und derselbe also nach diesem vermeintlichen Catalog seines Orths auch nicht
übergeben kann. Es wird also zuvorderst solches entweder von dem Gallerie Inspector Rosa
producirt werden, oder aber die Übergabe auf dem Fuß des von dem Mechel während
seines ersten hiesigen Aufenthalts verfertigten Inventarii, vor welchem sich, meines Wissens,
gar keins oder wenigstens kein vollkommenes und zuverläßiges allhier befand, geschehen müßen. Auf eine oder die andere Art jedoch können inzwischen Euer kayserliche Mayestät
darauf Staat machen, daß dero Willensmeinung ganz gewis befolgen zu machen ich mir
angelegen seyn laßen werde, damit bey diesem ganzen Geschäfte meines Orts, so wie von
allem Anfange hier, nicht mehr und nicht weniger geschehe, als was allerhöchst Ihro
[Mayestät] mir aufzutragen für gut befunden, und ich zu dero Vergnügen* zu vollziehen
beflißen gewesen bin. Eines jedoch glaube ich noch Euer Mayestät allerhöchsten Überle-
gung vorstellen zu sollen, und zwar folgendes, daß nämlich allerhöchst dero Dienste am
gerathesten seyn därfte, wenn diesiebe** mir auftrügen, die Übergabe noch in so lange zu
verschieben, bis der Chevalier Mechel mit seinem neuen Inventario nach der dermaligen
Rangierung so wie mit der neuen Numerierung vollkommen fertig seyn wird, welches keine
lange Zeit mehr erfordern därfte, da derselbe mit dieser Arbeit, so wie mit Rangierung des
neuen Depositorio schon ziemlich weit avanciret ist. Jedoch beruhet alles auf dero selbst
eigenen allerhöchsten Gutbefinden.“
* Hier folgt im Erstkonzept „so viel möglich“.
** Im Erstkonzept „dieselbe“.
ÖStA/AVA, Studienhofkommission, Sign. 15, Karton 75/Akademie, einliegend in Mappe
„Akademie der bildenden Künste“, fol. 44−45, Reinkonzept; einliegend auch das Erst-
konzept.
Druck: In vollem Wortlaut bei Novotny (1947, Nr. 15, S. 185f.), besprochen bei
Wüthrich (1956, S. 155).
Hinweis: Eine konkret auf dieses Schreiben des Staatskanzlers erfolgte Resolution Kai-
ser Josephs II. ist nicht nachzuweisen. Ob dessen am selben Tag erfolgte Anordnung
betreffend die Pressburger Gemälde (Dok. 96) in irgendeinem Zusammenhang mit
dem Ratschlag des Fürsten stand oder unabhängig davon erfolgte, lässt sich nicht
entscheiden, zumal das betreffende Handbillet nur in Form eines Auszuges über-
liefert ist.
Anmerkung: Dieses bemerkenswerte Schreiben steht vor einem Wendepunkt im Fort-
lauf der Galerieeinrichtung, die damals eigentlich − sowohl nach Mechels als auch
Josephs II. Dafürhalten (siehe Dok. 90 und 94) − bereits abgeschlossen war. Der Kaiser
hatte Rosenberg, vemutlich nach vorheriger Beratung, in seinem Handbillet vom 22. No-
vember aufgetragen, wie die Übergabe der Galerie an Direktor Rosa zu erfolgen
habe. Diese durchaus zielführend erscheinende Vorgangsweise erachtet Kaunitz jedoch
für ungeeignet. Dazu legt er mehrere Argumente vor, die sich bei genauerer Betrach-
tung als wenig stichhaltig erweisen. Wörtlich genommen geht aus dem Schreiben
hervor, die Galerie könne nicht eher übergeben werden, bevor Mechel ein aktuelles
Inventar erstellt habe. Das erscheint widersinnig, denn die Bestandserfassung sollte ja
vor allem zur Kontrolle Mechels dienen. Es wäre daher zu überlegen, ob Kaunitz mit
„Catalog“ eigentlich das Inventar, und mit „Inventarium“ eigentlich den Katalog
meint. Diese Verwechslung (zumindest nach heutigem Sprachgebrauch) findet sich
auch im Handbillet des Kaisers vom 22. November. Aber auch in diesem Fall ergibt sich
kein überzeugendes Argument, denn der Katalog hätte trotz Übergabe der Galerie
an Rosa verfasst werden können. Aus welchem Grund auch immer, Kaunitz wollte
jedenfalls die Übergabe an Rosa verhindern, um den Verbleib Mechels zu erreichen.
In einem Punkt ist die Darlegung des Staatskanzlers aber sicherlich zutreffend: Es gab
damals weder ein neues noch ein aktualisiertes Bilderinventar. Das im Jahr 1772 an-
gelegte Gesamtinventar der Galerie (siehe Dok. 6) betrifft die Aufstellung in der Stall-
burg und wurde nicht entsprechend der später vorgenommenen Aufstellung im
Belvedere aktualisiert. Die einzeln gebundenen Zweitschriften der Galerie-, Zimmer-
und Bodenbilderinventare enthalten jedoch nachträgliche Bleistiftvermerke. Wie
Gruber (2006/2007, S. 361) konkret nachweist, können diese aber erst nach 1781
erfolgt sein und damit weder mit Mechel noch mit einer etwaigen, vor November
1780 zu datierenden Inventaraktualisierung in Zusammenhang gebracht werden.
Allerdings existierte ein im Juni 1779 begonnenes Verzeichnis der deponierten Bilder
(siehe Dok. 66), das Kaunitz in seinem Schreiben jedoch nicht erwähnt. Unrichtig
dürfte der Hinweis des Staatskanzlers sein, dass Mechel kein „Catalog“ beziehungs-
weise kein „Verzeichniß“ vorgelegt wurde. Laut Rosenbergs Bericht von Oktober
1782 (Dok. 144) sei Mechel in der Zeit, als Kaunitz die Oberleitung der Galerie inne-
hatte [Ende April bis Mitte August 1780], „das Inventarium der Gallerie zur Einsicht
zugestelt“ worden, „welches er einige Monate bey sich gehabt“ habe. Unwahrschein-
lich ist auch, dass Mechel während seines ersten Aufenthaltes in Wien (Anfang März
1778 bis Ende Mai 1779; Wüthrich S. 147 und 151) ein Inventar im eigentlichen
Sinne angefertigt hätte. Laut Hilchenbach (Dok. 128) erstellte Mechel im Sommer
und Herbst 1778 im Auftrag des „Allerhöchsten Hofe[s]“ eine „Beschreibung“ der da-
mals im Belvedere befindlichen Bilder, worunter wohl sein Katalogkonzept zu verste-
hen ist (siehe Exkurs zu Dok. 59). Mechel hatte offenbar weder bisher noch danach
ein Galerieinventar verfasst gehabt, vielmehr wollte er, nach Bericht Rosenbergs
(Dok. 144), die Anlage eines Inventars auch noch nach endgültigem Abschluss der
Galerieaufstellung verhindern.
Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
Die Kaiserliche Galerie im Wiener Belvedere (1776–1837), Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
- Subtitle
- Die Kaiserliche Galerie im Wiener Belvedere (1776–1837)
- Volume
- 1
- Author
- Gudrun Swoboda
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79534-6
- Size
- 24.0 x 28.0 cm
- Pages
- 312
- Category
- Kunst und Kultur