Page - 156 - in Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums - Die Kaiserliche Galerie im Wiener Belvedere (1776–1837), Volume 1
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Hassmann Quellen zur Gemäldegalerie
Im vierten Zimmer sind 17 Büsten von weißem Marmor, theils auf Termen von Granit,
theils von rosenfarbnem oder aschgrau und weiß gestreiftem Marmor, worunter die ge-
genwärtige Königinn von Frankreich, Nero, Caligula, Theresia, Eleonora etc. Dann zwey,
drey Ellen hohe Dianen, von weißem Marmor, die der jetzige Kaiser von Rom mitgebracht
hat. An den Wänden sieht man Ruinenstücke auf Leinewand, jedes, wie in den anderen
Zimmern, zwey Ellen hoch und anderthalb Ellen breit. Der Fußboden ist von grauem Mar-
mor; die Decke fresko gemalt.“
Vom Unteren Belvedere (Abb. 3) werden elf Räume beschrieben, wobei mit den west-
seitigen begonnen wird:
„[S. 23] … In der einen Hälfte des Gebäudes, links im ersten Zimmer mit grünem Damast
und goldnen Leisten, sieht man: einen großen Trumeau; die Bildnisse Ludwigs XIV. Königs
in Frankreich und des Erzherzogs Ferdinand nebst dessen Gemahlin Beatrix, und endlich
einen Tisch von blaßrothem Marmor.
Im zweyten Zimmer, weiß marmorirt und Gold, sind 7 große Schlachtstücke des Prinzen
Eugenius, von Parrocell; ferner die Erzherzogin Maria Anna, die Erzherzogin Elisabeth und
Kaiser Franz, alle nach dem Leben gemalt.
Im dritten Zimmer, weiß und Gold, sieht man in einem großen Gemälde den Prinzen
Eugenius zu Pferde in Lebensgröße.
Im vierten Zimmer sind 30 Familienstücke; zwey Tische von schwarzem egyptischen Mar-
mor mit Silberadern; einer von mosaischer Arbeit, 4 Trumeaux, und vier chinesische Figuren.
[S. 24] Im fünften Zimmer, welches weiß und bemalt ist, stehen in einem großen Kasten
mit Gläsern, 62 chinesische Figuren, die den chinesischen Kaiser und die Kaiserin sammt
ihren Mandarins vorstellen; auch stehen im Zimmer selbst noch zwey große Statuen von
weißem Metall, nämlich Kaiser Franz I. im Krönungs-Ornat und Maria Theresia im Unga-
rischen Krönungshabit.
Das sechste Zimmer ist ein großer langer Saal mit korinthischen Wandsäulen von rothem
Marmor; der Fußboden aber ist mit roth und weißem Marmor auf florentinische Art aus-
gelegt. Auch stehen hier vier Tische von roth- und weißgesprengtem Marmor; ferner drey
große Falken von sächsischem Porcellain auf Postamenten; in zwey Ecken 2 große blaue
lackirte Vasen; zwey japanische schwarze Kasten mit Gold nebst grünen Sesseln; das üb-
rige des Saals ist weiß und Gold.
Das siebente Zimmer, oder das Porcellain-Zimmer, hat getäfelte und durchaus vergoldete
Wände; auch die Decke ist durchaus vergoldet und darüber gemalt. Hier stehen 2 große
[S. 25] Trumeaux, und, an den Wänden herum, 16 große chinesische Vasen und 20 chi-
nesische Figuren auf Postamenten. Auf dem Fußboden stehen 2 große blaue porcellainene
Vasen, jede von einem halben Eimer. In der Mitte des Zimmers hängt ein sehr schöner
Kronleuchter von Bergkrystall zu sechs Lichtern; auch stehen hier 2 Tische von grünem
Marmor und 1 von schwarzem, wovon auch der Kamin ist. Die Sessel sind lilafarben mit
grüner und blauer Seide gestickt. Dies Zimmer hat in allem 49 Porcellainstücke.
In der anderen Hälfte des Gebäudes, rechts, im 8ten Zimmer, sind 10 Gemälde; auch des
Prinzen Carl von Lothringen Bildniß auf einer Porcellain-Fläche emaillirt und mit einem
Rahm von Porcellain, nebst einem großen Trumeau.
Im neunten Zimmer sind viele Bildnisse, darunter der Herzog von Braunschweig in einem
blausammtnen Kleide; der itzige Marggraf von Anspach in blauem Kleide mit seiner
Gemahlin auf einem Stück; Gustav III., König in Schweden; Theophrastus Paracelsus; der
[S. 26] itzige König in Spanien Carl III., und der itzige Kronprinz von Spanien.
Im zehnten Zimmer, mit weißen, mit Seide gestickten Tapeten sind die Bildnisse: der
Prinzeßin Elisabeth von Parma, der Prinzeßin Theresia, des Kaiser Josephs II. Tochter; des
itzigen Herzogs von Parma, und des Herzogs von Chablais.
Im eilften Zimmer, mit grünem Atlas, sind 25 Familienstücke; 12 Schlachten des Erzherzog
Leopold Wilhelm, von P. Schneyers, vom dreißigjährigen Kriege; ferner das Bildniß des
Erzherzogs Maximilian im geistlichen Habit, und 2 Tische von röthlichem Marmor.“
Druck: G[ottfried] E[dler] v[on] R[otenstein], Reisen nach Wien und in der umliegen-
den Gegend, in den Jahren 1781−1783. Zweyter Abschnitt, in: Bernoulli 1784,
Bd. 14, S. 1−29.
Hinweis: Die Identifizierung des „G. E. v. R.“ mit Gottfried von Rotenstein bei Berger
(2004, S. 114f.; dazu auch Gruber 2006/2007, S. 359). Rotensteins Reisebeschrei-
bung zum Belvedere enthält keine Datumsangaben. Mit Hilfe der im ersten Teil der
Reisebeschreibung (gedruckt bei Bernoulli, 1784, Bd. 13, S. 2ff.) vermerkten Tagesan-
gaben kann der Besuch im Belvedere jedoch zeitlich eingegrenzt werden. Rotenstein
war sicher im Frühling (März, Mai) 1782 in Wien (Bd. 13, S. 8, 70; Bd. 14, S. 54, 69).
Die Beschreibung dieses Wienaufenthaltes erhielt Bernoulli Ende 1782 zugeschickt
(Bd. 13, S. 2). Rotenstein war im Mai und Sommer 1783 nochmals in Wien (Bd. 13,
S. 12, 50, 88, 94; Bd. 14, S. 70). Seine damaligen Eindrücke sandte er ebenfalls an
Bernoulli, der sie nachträglich in die schon Ende 1782 erhaltene Reisebeschreibung
einfügte (Bd. 13, S. 2). Anmerkung: Bernoulli, der den Einleitungstext zu Rotensteins Reisebericht verfasste,
gibt an, dass sich die darin enthaltene Beschreibung der Galeriegemälde eigentlich
aufgrund von Mechels Bilderverzeichnis erübrige. Doch Bernoulli „wollte um ein paar
Blätter willen die Arbeit des fleissigen Hrn. Verfassers nicht verstümmeln, zumal da seine
Bemerkungen in diesem Fache mehr auf Urtheile (die in dem Mechelschen Verzeichniß
vermißt werden) als auf Beschreibung ausgehen.“ (Bd. 14, S. 2). Die von Rotenstein ge-
wählte Besichtigungsroute der Gemäldegalerie entspricht nicht der Raumabfolge von
Mechels Bilderverzeichnis (das im Jänner 1783 erschien; siehe Dok. 147). Außerdem
gibt Rotenstein fälschlich an, im zweiten Stock befänden sich neun (anstatt der acht)
Galeriezimmer. Bernoulli fügte den Beschreibungen Rotensteins zu den Gemälden des
zweiten Stockes mehrfach Fußnoten hinzu, in denen er auf die Divergenz zur Standor-
tangabe bei Mechel hinweist. Dabei wäre im Einzelnen zu überprüfen, ob sich diese
Divergenzen aufgrund der unterschiedlichen Raumzählung oder aufgrund etwaig er-
folgter Änderungen in der Hängung ergeben. Die Anzahl der in der Galerie befind-
lichen Gemälde wird mit 1300 Stück angegeben (Bd. 14, S. 16), also jener Anzahl, die
Mechel für das Obere und Untere Belvedere insgesamt verzeichnet (möglicherweise
handelt es sich hiebei um eine Hinzufügung Bernoullis). Abgesehen von den Gemäl-
den erwähnt Rotenstein auch die Möblierung der Galeriezimmer, die aus Tischen mit
Steinplatten und Trumeau-Kästen bestand. Von besonderem Wert ist die Beschreibung
der vier nordseitigen Erdgeschoßräume des Oberen und von insgesamt elf Räumen
des Unteren Belvederes, da dazu keine sonstigen genaueren Angaben aus dieser Zeit
vorliegen. Ob diese Räume den Besuchern allgemein zugänglich waren, lässt sich der
Beschreibung nicht entnehmen. Nicht zugänglich war offensichtlich auch für Roten-
stein das westlich der Einfahrt gelegene „Bildermagazin“ im Unteren Belvedere, des-
sen Existenz nicht einmal vermerkt wird. Mechel (1783, S. X) seinerseits erwähnt die
Erdgeschoßräume des Oberen Belvederes nur ganz beiläufig. Vom Unteren Belvedere
gibt er nur die Anzahl der Schlachtenbilder (insgesamt 19) in den beiden seitlich des
Mitteltraktes gelegenen Räumen (Bataille- oder Schlachtenbildzimmer) an. Zu den
„verschienene[n] Zimmer[n]“ wird von „den vielen Bildnissen“ nur eine Auswahl von
20 Porträtgemälden angeführt (Mechel 1783, S. 325−330). Die Einrichtung der
Schlachtenbildzimmer dürfte im November 1780 schon bestanden haben (siehe Anm.
zu Dok. 94). Die Hängung der Bilder „im untern Gebäude in dassigen Herrschafts Zim-
mern“ erfolgte im September 1781, wobei offenbar Depotbilder genommen wurden
(dazu Dok. 124). Wann hingegen die Einrichtung der Erdgeschoßräume des Oberen
Belvederes in der von Rotenstein beschriebenen Form vorgenommen wurde, lässt sich
archivalisch nicht genau belegen. Es scheint aber, dass schon Oberhofarchitekt Pacassi
1766 damit begonnen hatte (Dok. 2). Zu irgendwelchen Transferierungen von Skulp-
turen zwischen Oberem und Unterem Belvedere liegen keine Aktenstücke vor. Die
beiden nachweislich direkt ins Untere Belvedere überstellen Figuren Maria Theresias
und Franz Stephans von Franz Xaver Messerschmidt (Dok. 11 und Anm. zu Dok. 13)
befanden sich laut Rotenstein in einem der westlich vom Marmorsaal gelegenen Räume
(bei Rotenstein, S. 24, der 5. Raum, der wohl mit dem Groteskensaal zu identifizieren
ist). Dort stand auch ein großer verglaster Kasten mit „62 chinesische[n] Figuren, die
den chinesischen Kaiser und die Kaiserin sammt ihren Mandarins vorstellen“, wie Roten-
stein angibt. Es handelt sich dabei offenbar um diejenigen chinesischen Figuren, die
bereits Fuhrmann in seiner 1770 erschienenen Beschreibung des Belvederes anführt
(Dok. 3). Sie waren damals in einem Zimmer des Hauptgeschoßes des Oberen Belve-
deres aufbewahrt, ebenfalls in einem verglasten Kasten. Weiters befanden sich in den
Hauptgeschoßräumen sieben Bilder zu den Schlachten des Prinzen Eugen, das Porträt
des „Theophrastus Paracelsus“ und eine Anzahl von Habsburgerporträts, die nun Ro-
tenstein fürs Untere Belvedere anführt.
Der Vergleich der beiden Belvedere-Beschreibungen von 1770 und 1782 zeigt, dass
1776, als das Obere Belvedere zur Aufnahme der Bildergalerie bestimmt wurde und
daher das Hauptgeschoß geräumt werden musste, ein Teil der dortigen Ausstattung ins
Untere Belvedere kam. In den Erdgeschoßräumen des Oberen Belvederes, die damals
nicht für Galeriezwecke genutzt wurden, konnten hingegen die sowohl von Fuhrmann
als auch von Rotenstein beschriebenen Marmorstatuen belassen werden (dazu Dok. 2
und 11). Die von Rotenstein 1782 darüber hinaus angeführten, teils antiken skulptura-
len Werke dieser Erdgeschoßräume sind offenbar jene Stücke, die 1774 aus der (damals
noch in der Stallburg befindlichen) Galerie entfernt wurden (dazu Dok. 14).
142 1782 Mai 6, Wien
Die Hofrechnungskammer wird
mit Mechels Abrechnung befasst.
Die Hofkammer übermittelt der Hofrechnungskammer die Abrechnung Mechels samt
den übrigen Unterlagen, damit seitens der Kameralhauptbuchhalterei, allenfalls nach
nochmaliger Heranziehung des Amtssekretärs Mercier, die „Bemängelung“ entworfen
Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
Die Kaiserliche Galerie im Wiener Belvedere (1776–1837), Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
- Subtitle
- Die Kaiserliche Galerie im Wiener Belvedere (1776–1837)
- Volume
- 1
- Author
- Gudrun Swoboda
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79534-6
- Size
- 24.0 x 28.0 cm
- Pages
- 312
- Category
- Kunst und Kultur