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Kunst und Kultur
Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums - Europäische Museumskultur um 1800, Volume 2
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323 Wolf Museumskulturen 3. DAS REVOLUTIONÄRE PARIS ALS NEUES ATHEN UND ROM ALS MUSEUM BEI QUATREMÈRE DE QUINCY Quatremère ist Vertreter einer konstitutionellen Monarchie. Im Frühjahr/Sommer 1796 schreibt er die berühmten Briefe an General Miranda gegen die Plünderungen in Italien. Ab 1791 war das revolutionäre Paris zu einem neuen Athen ausgerufen worden (Kersaint), verstanden als Regenerierung eines alten Volkes mit umfangreichem Erbe. Frankreich sei wirklich eine neue Welt, so der Abbé Henri Grégoire am 14 Fructidor II (31. August 1794).17 Wenig Monate zuvor schrieb der Maler Jean-Baptiste Wicar in dem Journal Aux Armes et aux Arts, das Athanase Détournelle herausgab, zerbrochene Statuen seien wie gefallene Krieger. Wicar leitete im selben Jahr den Transfer von Kunstwerken von Belgien nach Frank- reich. Frankreich wird als Erbin der antiken Freiheit gesehen; in Aneignung der Größe Griechenlands werde Paris Hauptstadt der Künste und Schule des Universums.18 Die antiken Werke seien für das Nationale Museum Frankreichs geschaffen, alle Kopien seien unnütz, denn bald würden die Originale nach Paris ziehen, und man werde ihnen neue, ihrer selbst und ihrer Schöpfer würdige Tempel errichten. Ja, die Kunstwerke stellten den Anspruch, nach Frankreich gebracht zu werden, so wiederum Grégoire am 31. August 1794 im Kontext des Transfers von Bildern aus Antwerpen: „[…] l‘école flamande se lève en masse pour venir orner nos musées.“19 Die Revolution gebe den versklavten Werken ihre Bedeutung wieder; die Werke seien durch die Augen der Sklaven entweiht, sie rücke nun der Sieg der Revolution ins glänzende Tageslicht. In der Tat war Grégoire einer der Vorkämpfer gegen die Sklaverei (vor allem in den Kolonien). Es ist die Rhetorik einer Heim- kehr und eines Aufbruchs, die im Gegensatz steht zu der melancholischen Poesie des unwiderruflich verlorenen Griechenlands von Winckelmann, des Verlustes der ursprüng- lichen Harmonie von Mensch und Natur, die ihn umtrieb.20 Quatremère veröffentlicht die Briefe an Miranda unter den leicht zu durchschauenden Initialen A.Q.; sie werden sogleich von der dem Directoire nahestehenden Presse kom- mentiert. Pommier, dem ich hier folge, hat den historischen Kontext und die Situation des zeitweise inhaftierten und später auch zum Tod verurteilten Quatremère herausgearbeitet, Poulot in seiner jüngst erschienenen Einleitung zur englischen Ausgabe der Briefe sie gemeinsam mit jenen an Canova in den weiteren Horizont der Debatte um Transfer und Musealisierung von den Anfängen der französischen Revolution bis zu den Debatten um die Elgin Marbles gestellt.21 Mit dem Adressaten Miranda teilt Quatremère in seinen Briefen von 1796 die politische Einstellung gegen eine Eroberungspolitik, die für den General die Umkehrung der Freiheit bewirke, und weist sich selbst den Part des Kunstver- ständigen zu. Sein zentrales Argument gegen den Transfer von Kunstwerken aus Italien ist, dass das wirkliche Museum Rom sei: Winckelmann habe aus den Trümmern der Antike einen Körper geschaffen, aber gleichwohl eher eine Chronologie als eine Geschichte ver- fasst; er gebe einen Rahmen, den es auszufüllen gelte. Trotz dieser Einschränkungen hätte Winckelmann sein Werk nicht schreiben können, wenn er die membra disiecta der antiken Skulptur über europäische Museen zerstreut hätte studieren müssen. Quatremère bezieht sich u.a. auf die Wirtschaftstheorie von Adam Smith (dessen Modell übergreifender Systeme, die im Falle der Kunstbeobachtung allerdings auf induktivem Weg erschlossen würden), fürchtet mehr die Liebhabereien als die Feinde der Kunst. Er sieht die Gegen- stände der Kunst in ihrem situativen und geschichtlichen Kontext und unter dem für sie günstigen Himmel. In Italien ist das Land selbst das Museum; nur in Rom, nicht im Nebel und Rauche von London, im Regen und Kote von Paris, im Eise und Schnee von Peters- burg, im Lärmen dieser Großstädte, sei der Ort Laokoons und Apolls. Quatremère führt damit ein durchaus gefährliches Argument an, das auch die Gegenseite nutzen konnte, nämlich Plinius’ d.Ä. dictum über Rom als Athen.22 Heute seien viele Kunstwerke in Schlös-
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Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums Europäische Museumskultur um 1800, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
Subtitle
Europäische Museumskultur um 1800
Volume
2
Author
Gudrun Swoboda
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2013
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79534-6
Size
24.0 x 28.0 cm
Pages
264
Category
Kunst und Kultur
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Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums