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Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums - Europäische Museumskultur um 1800, Volume 2
Page - 325 -
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325 Wolf Museumskulturen 4. VOM VATIKAN ZUM LOUVRE Wie wir gesehen haben, bezeichnet Quatremère Rom als Museum, geht jedoch nicht auf die römischen Museen selbst ein. Obwohl sie noch nicht im Zusammenhang darge- stellt wurde, könnte man deren Geschichte gut nachzeichnen: von der Statuenstiftung Sixtus‘ IV. (1471) bis zur Einrichtung des Museo im Palazzo Nuovo auf dem Kapitol 1746, wo Antike und Malerei in einen Zusammenhang gestellt werden.26 Zugleich kennen diese und die darauffolgenden Jahre einen immensen Kunstmarkt, der die wichtigsten Händler aus ganz Europa involviert. Papst Clemens XIV. (1769–1774) und Giovanni Battista Visconti, der als Nachfolger Winckelmanns zum „Commissario delle Antichità di Roma“ berufen wird,27 kaufen in großem Maßstab; die vatikanischen Galerien sind überfüllt im Zuge der Planung und Realisierung eines neuen Antikenmuseums. Rom erweist sich für die Kenner immer mehr als ein Rom aus der Sicht Athens, d.h. als eine Welt von römischen Kopien verlorener griechischer Originale, die museal inszeniert werden. Aber es handelt sich zugleich um das Rom Raffaels und Michelangelos, unter dessen Decke die Päpste gewählt werden, eben um das Rom der Päpste. Clemens XIV. kauft u.a. ein Relief des 16. Jahrhunderts als Werk von Michelangelo,28 und fügt es in seine Sammlung von (primär) Antiken ein. Das ist durchaus im Sinne von Quatremères 20 Jahre später formu- liertem Verständnis von Rom als Schauplatz einer Geschichte der Kunst, in der einander Antike und Neuzeit, Skulptur und Malerei begegnen, der Verbindung von Roma antica e moderna, als Ort der Bildungsreise und der Sammlungen. Für ihn sind, wie dargelegt, die Werke nur hier historisch kontextualisiert; Rom lasse sie in ihrem klimatischen, landschaft- lichen und monumentalen Umfeld leben. Auch Luigi Lanzi bezieht sich in einer frühen Phase auf Rom: mit dem Projekt eines Mittelaltermuseums, eines historischen Museums aus dem Geist der römischen Antiquare; man denke außerdem an das Museo Ecclesiastico des Francesco Bianchini und andere Projekte des 18. Jahrhunderts.29 Es handelte sich um ein Kontextmuseum mit historischem Erkenntnisziel, wo die Datierung von Einzelwerken, wenn sie nicht epigraphisch zu fassen war, durchaus aufgrund von kennerschaftlichen Kriterien erfolgte. Im Jahr 1770 begründet Papst Clemens XIV. das erwähnte neue Antiken- museum im Vatikan durch Umgestaltung des Palazzo von Innozenz VIII.; es wird um einen achteckigen Hof angelegt. Pius VI. führt das Projekt mit einer neuen Konzeption fort. So entstand das Museo Pio Clementino, welches die Antiken nach unterschiedlichen Kriterien inszenierte: wirkungsästhetischen, gattungs- wie materialspezifischen, wobei die zeitge- nössische Praxis von Restaurierung und Ergänzung zu diskutieren wären. Wie Daniela Gallo gezeigt hat, war die Erweiterung der Galerie von menschengestaltigen Skulpturen um den ‚Zoo‘ der Sala degli animali besonders erfolgreich und geschätzt (Abb. 5). Diese Sala greift die römische Tradition des Naturstudiums des 17. Jahrhunderts auf. Die Accademia dei Lincei hatte lange an neuen Taxonomien gearbeitet und immense Sammlungen von Natu- ralia angelegt.30 Man könnte in dem Zusammenhang fragen, was aus diesen Sammlungen nach der Auflösung der Wunderkammern geworden ist – das ist seinerseits ein spannen- des Kapitel Museumsgeschichte, auf das später nochmals kurz zurückzukommen ist. Rom jedenfalls ist ein hochverdichteter Erinnerungsraum, welcher die museale Überfüllung mit den vatikanischen Tieren und Menschen aus Stein oder Bronze aufzunehmen vermochte. Angesichts der museumskritischen Ausrichtung von Quatremères Briefen verwundert es nicht, dass er die päpstlichen Museumsprojekte nicht behandelt. Er erwähnt die Ver- dienste Clemens‘ XIV. um die antiken Monumente, ohne auf das Museumsprojekt näher einzugehen; vielmehr stellt er die neuen Entdeckungen und Ausgrabungen in der Umge- bung Roms ins Zentrum.31 Im Geist der Aufklärung ist ihm Rom die Hauptstadt der euro- päischen Republik der Künste, und die Päpste haben für ihn darin eine eminente Rolle. Quatremères Rom ist ein gegenwärtiges, eben ein Museum im rechten Ambiente, nicht
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Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums Europäische Museumskultur um 1800, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
Subtitle
Europäische Museumskultur um 1800
Volume
2
Author
Gudrun Swoboda
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2013
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79534-6
Size
24.0 x 28.0 cm
Pages
264
Category
Kunst und Kultur
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