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Felfe Dynamiken von Sammlungskultur
Diese Figur adaptiert unverkennbar Physiognomie und Gestus des bereits erwähnten Jaco-
po Strada und zwar in Anlehnung an jenes berühmte Porträt, das Tizian 1567/68 in Vene-
dig von ihm gemalt hatte.27 (Abb. 5 und 6) Charakteristisch sind neben Ähnlichkeiten der
Physiognomie auch die analogen Armbewegungen, in denen das Halten und Zeigen der
jeweiligen Objekte miteinander verschmelzen. Dabei laufen diesen ausgreifenden Gesten
jeweils die Neigung des Kopfes und die Blickrichtung in auffälliger Weise entgegen. Unter-
strichen wird dieser „Kontrapost“ der Handlungsmomente in pointierten Ähnlichkeiten
der Kleidung, insbesondere in den Kontrasten zwischen roten Untergewändern und
schwarzen Mänteln. Angesichts dieser deutlichen Anlehnung erstaunt umso mehr die of-
fensichtliche Differenz der jeweils präsentierten Exponate: Strada hält die Marmorstatuet-
te einer antiken Venus des Praxiteles, sein alter ego zeigt eines jener typischen Streubilder
mit Insekten, wie van Kessel sie vielfach gemalt hat.28
Es ist gut möglich, dass Jan van Kessel das Porträt Stradas selbst noch in der Brüsseler
Sammlung von Erzherzog Leopold Wilhelm gesehen hat.29 Außerdem war es um 1650 be-
reits mehr als einmal in Galeriebildern von dieser Sammlung an prominenter Stelle als Bild
im Bild wiedergegeben worden. David Teniers d.J. schuf um 1650 in seiner Eigenschaft als
Hofmaler des Erzherzogs mehrere Bilder, die dessen Brüsseler Galerie zeigen. Überwie-
gend nachweislich in der Sammlung vorhandene Bilder wurden hier zu fiktiven Arrange-
ments zusammengestellt; in ihnen begegnet dem Betrachter mehrfach der sammelnde
Fürst selbst im Gespräch mit seinem Hofmaler oder anderen Personen. Herrscherlob und
Selbstinszenierung als kunstsinniger Fürst sind somit eine Sinnschicht dieser gemalten
Sammlungen. Vermutlich waren diese Bilder in erster Linie als Geschenke für andere Fürs-
ten bestimmt.30 In mindestens drei dieser erhaltenen Galeriebilder von Teniers kommt
Abb. 5
Jan van Kessel d. Ä., Europa (aus dem Zyklus
der vier Kontinente), Detail aus der Mitteltafel,
1664. München, Bayrische Staatsgemälde-
sammlungen, Alte Pinakothek, Inv.-Nr. 1910
Abb. 6
Tiziano Vecellio, gen. Tizian, Jacopo Strada,
um 1567/68. Wien, KHM, Gemäldegalerie,
Inv.-Nr. 81
Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
Europäische Museumskultur um 1800, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
- Subtitle
- Europäische Museumskultur um 1800
- Volume
- 2
- Author
- Gudrun Swoboda
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79534-6
- Size
- 24.0 x 28.0 cm
- Pages
- 264
- Category
- Kunst und Kultur