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365 Grabner Vom „malenden“ zum
„wissenschaftlichen“ Galeriedirektor
Nun kehrten endlich auch im Oberen Belvedere ruhigere Zeiten ein. Während der Monate
des Wiener Kongresses war das Museum nur für ein ausgewähltes Publikum und die vor-
nehmen Kongressteilnehmer zugänglich. Diese wurden meist vom Direktor selbst durch
die Säle und anschließend in das prächtige Atelier im sogenannten Direktorentrakt ge-
führt.34 Während dieses diplomatischen und politischen Großereignisses war der Galerie-
betrieb nun endlich ins Laufen gekommen. Eigentlich kann in der Ära Füger erst jetzt von
einem Museumsalltag gesprochen werden, der allein von konservatorischen und re-
stauratorischen Belangen bestimmt war. In etwa dieser Zeit dürfte Direktor Füger auch mit
seinem Galerieführer begonnen haben, der jedoch nie über ein Fragment hinausging.35
Aus diesem Bericht geht hervor, dass schon bei der ersten Neuaufstellung von 1811 die bis
dahin „bestandene Eintheilung nach den bekannten Kunstschulen beibehalten“ blieb,36
aufgrund des großen Inventarzuwachses mit dem einen oder anderen Werk jedoch auf an-
dere Räume ausgewichen werden musste. Aus diesem Grund war es notwendig gewor-
den, zur Information des Besuchers in jedem Galerieraum eine Tafel zu installieren, „auf
welcher die Namen der Maler nach denen auf den Zierrahmen der Gemälde geschriebe-
nen Nummern verzeichnet sind“.37
Aus eben dieser Bemerkung wird ersichtlich, dass es für das Galeriepersonal eine bestän-
dige Herausforderung war, die Neuzugänge in den bestehenden Sammlungsbestand zu in-
tegrieren. Es ist bemerkenswert, dass in dieser Epoche mit Vorliebe Werke zeitgenössischer
Künstler erworben wurden, so etwa Das Innere von San Marco in Venedig von Giuseppe
Borsato, Der Abschied des Landwehrmannes von Johann Peter Krafft (Abb. 4),38 oder die drei
großformatigen Gemälde von Füger: Die büßende Magdalena (Abb. 5) von 1810, sowie die
Allegorie auf die Segnungen des Friedens und Der hl. Johannes in der Wüste, beide von 1814.39
Diese Gewichtung auf Werke moderner Meister zeigt die neue Tendenz in der Sammel-
tätigkeit, die sich im März 1817 auch schriftlich manifestierte. So notierte Füger am 25. des
Monats den „Empfang eines Decrets aus dem Obristkämmereramt [!], daß bis auf weitere Abb. 5
Friedrich Heinrich Füger (1751–1818),
Die büßende Magdalena, 1810,
Öl auf Leinwand, 154 x 195 cm.
Wien, Belvedere, Inv.-Nr. 3264
Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
Europäische Museumskultur um 1800, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
- Subtitle
- Europäische Museumskultur um 1800
- Volume
- 2
- Author
- Gudrun Swoboda
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79534-6
- Size
- 24.0 x 28.0 cm
- Pages
- 264
- Category
- Kunst und Kultur