Page - 371 - in Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums - Europäische Museumskultur um 1800, Volume 2
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371 Grabner Vom „malenden“ zum
„wissenschaftlichen“ Galeriedirektor
des Status quo im ersten und zweiten Stockwerk wurde ihm ausdrücklich untersagt. Doch
erlaubte man ihm, die neu adaptierten Zimmer im Parterre mit Kunstwerken auszustatten.
Diese Räume, noch vor kurzer Zeit zum Garten hin offen, waren mittlerweile für den
musealen Gebrauch adaptiert worden. Einer der Gründe dafür war die Notwendigkeit der
Schaffung eines Aufstellungsortes für das großformatige Mosaik Das letzte Abendmahl, das
Giacomo Raffaelli (1753–1836) nach der Vorlage des berühmten Freskos von Leonardo da
Vinci geschaffen hat. Diese ursprünglich von Napoleon in Auftrag gegebene Arbeit hatte
nun Franz I. um den beachtlichen Preis von einer Million Franken erworben.48 Mit dem
Problem der Unterbringung des Mosaiks im Schloss, wie auch der des „Professore di Mo-
saico Raffaelli“ in einer der Wohnungen im Belvedereareal, waren Fügers letzte Tage seines
Lebens ausgefüllt. Es ist anzunehmen, dass er das Kunstwerk auch noch im Original sehen
konnte, denn der letzte Tagebucheintrag des Direktors am 13. Oktober 1818 berichtet
vom Eintreffen des Transportes in „Draskirchen“, wo man „die Weisung erwarte, wo er ab-
geladen werden könne“.49 Am 5. November 1818, also drei Wochen später, war Direktor
Füger bereits verstorben. Der ursprünglich vorgesehene Aufstellungsort, „die auf der Gar-
tenseite des oberen Palais zu ebener Erde befindliche mit Glasthüren geschlossene Galle-
rie linker Hand der großen Treppe“,50 also die Westseite des Erdgeschoßes, erwies sich in
der Folge als zu klein für das Mosaik. Nach mehreren Überlegungen einer passenden Un-
terbringung landete es endlich in der Minoritenkirche, wo es heute noch zu sehen ist.
Diese genannten Säle im Erdgeschoß, wie auch die Säle auf der gegenüberliegenden
Seite waren nun also für den Museumsbetrieb nutzbar. Bei den „Glasthüren“, von denen
Füger schrieb, handelte es sich im Übrigen um kassettierte Holztüren mit Glasfeldern und
Oberlichtfenstern,51 wie eine Vignette am Stadtplan des Bezirks Landstraße von Carl Graf
Vasquez aus den 1830er Jahren zeigt. Rosa stattete diese jeweils drei Räume mit jenen
Werken aus, die nach dem Wiener Kongress aus Paris rückgeführt52 oder 1816 aus Vene-
dig nach Wien verbracht worden waren53 – also mit jenem Sammlungsbestand, der dem
verstorbenen Direktor Füger bei seiner Museumsgestaltung im Jahre 1811 nicht zur Verfü-
gung gestanden war und von dem er später dann das eine oder andere Werk in die
Schausammlung hängte.54 Im Juni 1821 konnte Rosa dann dem Oberstkämmerer melden,
dass er den Auftrag ausgeführt habe und alle Schauräume des Oberen Belvedere komplett
ausgestattet seien.55
Die Direktionszeit von Josef Rebell 1824 bis 1828
Mittlerweile war das Gerangel um den Posten des Galeriedirektors in vollem Gange. Wie
wir wissen, wurde Josef Rebell im Juni 1824 mit dieser Aufgabe betraut (Abb. 11). Die Be-
stellung dieses Künstlers, der viele Jahre in Italien gelebt hatte und dort als Landschafts-
maler zu den bedeutendsten Kapazitäten seiner Zeit zählte, ist einer genauen Erörterung
wert, da sie sich über fünf Jahre hinzog – und das, obwohl er von Anbeginn der Wunsch-
kandidat des Kaisers war! Darüber hinaus ist die Wahl dieses Künstlers auch aufgrund sei-
nes Fachs von Bedeutung, denn er war kein Vertreter der Historienmalerei, die man da-
mals als die Krone der Kunst bewertete, sondern Landschaftsmaler. Wie zu sehen sein
wird, bedeutete diese Fachrichtung für die Führung des Hauses keinen Unterschied, ob-
wohl Karl Ruß, der Erste Kustos, aus dieser Tatsache ein Problem ableiten wollte.
Die Bestellung von Josef Rebell zum Direktor der kaiserlichen Gemäldegalerie basierte
also auf dem ausdrücklichen Wunsch von Kaiser Franz I. Der Monarch hatte den Maler auf
seiner Italien-Reise im Jahre 1819 kennengelernt. Was das kaiserliche Beharren auf Rebell
auslöste, liegt für uns im Dunkeln. Entsprechend dem „Italienischen Tagebuch“, das
Franz I. auf dieser Reise führte,56 stattete der Monarch am Nachmittag des 12. April 1819
allen bedeutenden in Rom lebenden österreichischen Künstlern in deren Ateliers einen Be-
such ab, darunter auch „dem Maler Reubell [sic!], einen W[iener?], sehr guten Landschaft-
Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
Europäische Museumskultur um 1800, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums
- Subtitle
- Europäische Museumskultur um 1800
- Volume
- 2
- Author
- Gudrun Swoboda
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79534-6
- Size
- 24.0 x 28.0 cm
- Pages
- 264
- Category
- Kunst und Kultur