Page - 66 - in Das linearbandkeramische Gräberfeld von Kleinhadersdorf
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Christine Neugebauer-Maresch, Eva
Lenneis66
Kleinhadersdorf (Abb.
20) sind die extremsten jeweils links
(Winkel zwischen Oberschenkel und Wirbelsäule unter
90°) und die am geringsten zusammengefalteten (Winkel
zwischen Oberschenkel und Wirbelsäule mehr als 100/110°)
jeweils rechts gezeichnet. Die Erstgenannten werden zu-
meist als „extreme“ Hocker bezeichnet71, die diversen Ab-
stufungen mit unterschiedlichen Adjektiva umschrieben72.
Die Lage der Unterschenkel variiert von parallel zu den
Oberschenkeln bis zu einem stumpfen Winkel zwischen
Ober- und Unterschenkel. Schon J. Pavúk stellte bei der Zu-
sammenstellung der Haupttypen der Hockerlagen von Ni-
tra fest, dass vermutlich nicht die Grabgrube den Toten an-
gepasst wurde, sondern die Bettung der Toten sich nach den
Ausmaßen und der Form der Grabgrube richtete73. Einen
gleichartigen Eindruck gewinnt man auch bei den meisten
Bestattungen in anderen LBK-Gräberfeldern ebenso wie in
Kleinhadersdorf, worauf wir bereits weiter oben hingewie-
sen haben. Die Intensität der Anhockung der Beine scheint
also nicht durch das Totenritual bestimmt gewesen zu sein.
5.1.1.3 Rötelstreuung
Rötel/Ocker kommt in LBK-Gräberfeldern als Rötelstreu-
ung, als Farbrest auf Mahl-/Reibplatten sowie in Form klei-
ner Hämatitbrocken vor. Nur die Streuung des Rötelpul-
vers über den Körper ist eindeutig dem Totenritual
zuzuordnen, die Farbreste auf den Reib-/Mahlplatten und
Klopfsteinen können von der Zubereitung der Farben zur
Körperbemalung etc. stammen, ebenso die kleinen Farb-
steine. In Kleinhadersdorf sind nur die Rötelstreuung sowie
Farbreste auf Reib-/Mahlplatten und Klopfsteinen nach-
weisbar (Abb.
22). Die Farbreste auf den Reib-/Mahlplatten
sowie den Klopfsteinen (bei sieben Körpergräbern und ei-
nem Leergrab, Grab Verf. 44) werden daher später behan-
delt (Kapitel 5.2.3.4f).
Es gibt insgesamt neun Bestattungen mit Rötelstreuung,
von denen nur sieben genau datierbar sind, und zwar fünf
aufgrund der Keramik (siehe Kapitel 5.2, Tabelle 16), zwei
weitere nach den 14C-Daten (siehe Kapitel 6.1). Zwei Indivi-
duen sind der ersten Belegungsphase des Gräberfeldes, der
Übergangsphase LBK I / II zuzuordnen. Es ist dies ein
Mann (Verf. 69) aufgrund der Keramik und eine Frau (G. 1a)
nach deren 14C-Wert. Vier Bestattungen datieren in die
zweite Belegungsphase des Gräberfeldes, die der mähri-
schen LBK-Phase II a entspricht. Es sind dies zwei durch
ihre Keramikbeigaben datierte Frauen (G. 1c und Verf. 56)
71. Nieszery 1995, 75, Abb.
39; hier werden sogar 3 Typen der extre-
men Hocker unterschieden.
72. z.
B.: Podborský 2002b, 303 Obr. 3 und 327.
73. Pavúk 1972, 30, Abb.
22. und zwei Kinder. Von letzteren ist eines sowohl durch die
Keramik als auch durch ein 14C-Datum datiert (G. 17), das
zweite Kind (Verf. 59) nur durch ein 14C-Datum. Das eben-
falls mit Ockerstreuung versehene Männergrab Verf. 81
enthielt in der Grabfüllung Keramik der LBK-Phase II b,
die Keramik von der Grabsohle ist leider wenig typisch und
von der Übergangsphase I / II bis an das Ende der Phase II
möglich. Die Keramik aus der Grabfüllung ergibt jedenfalls
einen terminus ante quem. Somit muss die Grablegung spä-
testens in der LBK-Phase II b, möglicherweise aber auch
schon früher erfolgt sein. Ein Frauengrab (Verf. 5–1) und ein
Kindergrab (G. 9) sind leider nicht datierbar. Die oben an-
geführten datierten Bestattungen geben also nur sichere
Hinweise für die Sitte der Rötelstreuung in den beiden älte-
ren Belegungsphasen des Gräberfeldes. Nur in einem Fall
(Verf. 81) ist nicht auszuschließen, dass dieser Brauch auch
noch am Beginn der dritten Belegungsphase (LBK II b/c)
geübt wurde.
In der Fläche beschränken sich die Rötelstreuungen auf
den zentralen und nördlichen Bereich des Gräberfeldes (sie-
he Karte Abb. 60). Das Fehlen in den beiden südlichen
Grabgruppen ist wohl in erster Linie auf die geringe Anzahl
erhaltener Körpergräber in diesem Teil des Gräberfeldes zu-
rückzuführen, könnte aber auch damit zusammenhängen,
dass die Belegung dieses Bereiches erst ab der LBK-Phase II
b/c nachgewiesen ist (siehe auch Abb.
38).
Die Rötelstreuung ist im Totenritual seit dem Paläolithi-
kum gebräuchlich, wie erst vor wenigen Jahren unter ande-
rem die Doppelbestattung der neugeborenen Zwillinge vom
Wachtberg bei Krems gezeigt hat74. Der ganze Körper dieser
Babys war dick mit Rötel bedeckt, so wie dies auch im nach-
folgenden Mesolithikum vielfach geübt wurde75. Im Früh-
neolithikum ist dieser Brauch in SO-Europa nur im Karpa-
tenbecken und östlich davon, aber nicht vom westlichen
Balkan (Gebiet der Starčevo-Kultur) nachgewiesen76. In-
nerhalb der LBK ist die Sitte, Tote mit Rötel zu bestreuen,
in den einzelnen Regionen von unterschiedlicher Bedeu-
tung und wurde in verschiedener Form gepflegt. Während
im Elsass vielfach der ganze Körper mit Hämatitpulver be-
streut wurde, ist dies in Bayern nur mehr in ganz wenigen
Fällen festzustellen77. In Kleinhadersdorf beschränkt sich
die Rötelstreuung auf den Kopfbereich, nur einmal fand
sich diese im Bereich der linken, knapp unterhalb des Ge-
sichtes liegenden Hand (Grab Verf. 56/ Pl. 2 – Tafel 36), also
ebenfalls in unmittelbarer Nähe des Kopfes. Rötelstreuung
74. Einwögerer et al. 2006. – Neugebauer-Maresch 2011.
75. Grünberg 2000, 220.
76. Lenneis 2007, 131
ff., Fig. 2.
77. Jeunesse 1997, 102.
Das linearbandkeramische Gräberfeld von Kleinhadersdorf
- Title
- Das linearbandkeramische Gräberfeld von Kleinhadersdorf
- Authors
- Christine Neugebauer-Maresch
- Eva Lenneis
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7001-7598-8
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 406
- Keywords
- Neolithic, LBK, cemetery, archaeology, prehistory, Kleinhadersdorf, Lower Austria, Neolithikum, Linearbandkeramik, Archäologie, Urgeschichte, Gräberfeld, Kleinhadersdorf, Niederösterreich
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen