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Das linearbandkeramische Gräberfeld von Kleinhadersdorf
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Page - 76 - in Das linearbandkeramische Gräberfeld von Kleinhadersdorf

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Christine Neugebauer-Maresch, Eva Lenneis76 Für den Versuch einer Interpretation der Befundkatego- rie „Leergräber“ ist es m.  E. zuerst unbedingt nötig, deren Charakter klar zu definieren. So habe ich bereits vor einiger Zeit vorgeschlagen, von „Leergräbern“ nur dann zu spre- chen wenn diese 1. keine Skelette oder nur minimale Reste von solchen ent- halten und 2. die Lage der Funde ungeordnet oder die erkennbare in- tentionelle Deposition deutlich gestört ist114. Die Spuren deutlicher Störung in den Befunden ist zur Abgrenzung von echten „Kenotaphen“ oder symbolischen Gräbern essentiell, da in diesen alle Beigaben, manchmal so- gar Schmuck, in der rituell korrekten Lage bzw. in ungestör- ter intentioneller Deposition anzutreffen sind. Weiter sind in symbolischen Gräbern naturgemäß keinerlei Spuren menschlicher Skelette zu finden. In der Literatur werden LBK-Leergräber immer wieder auch als Kenotaphe oder symbolische Gräber bezeichnet115. Wie schon oben angedeutet, ist das einzige Grab, das mit hoher Wahrscheinlichkeit aufgrund der eben gegebenen Definition diese Bezeichnung verdient, Grab 6 von König- schaffhausen. Bei den wenigen Gräbern, die ganze Gefäße enthielten, wie in Flomborn, Grab 18, und Nitra, Grab 10, halte ich es ebenfalls für möglich, dass sie als symbolische Gräber angelegt wurden. Für eine Klärung wäre aber der Befund hinsichtlich eventueller Störungen zu überprüfen, denn in dem einzigen Grab von Kleinhadersdorf, das ganze Beigabengefäße enthielt (Verf. 27), fanden sich diese in Streulage, also in gestörter Position. Aus diesem Grund handelt es sich bei Grab Verf. 27 unseres Erachtens nicht um ein Kenotaph, sondern um ein Leergrab. Als Erklärung für das Zustandekommen der oben defi- nierten Leergräber bietet sich zu allererst eine mehrstufige Bestattungsweise an, wie dies schon mehrfach von verschie- denen Autoren vorgeschlagen wurde116. Ausgehend von den hier diskutierten Befunden würde dies bedeuten, dass man die Toten eingehüllt in der Grabgrube nur für Wochen oder Monate deponierte. Nur so konnte es gelingen, sie vollständig, ohne Verlust auch kleiner Skelettteile aus dem Grab zu entfernen, grundsätzlich mit dem gesamten Inven- tar, weswegen in so vielen Fällen gar nichts oder doch nur geringe – verlorene (?) – Reste der Ausstattung in der Grab- grube verblieben. Ein weiterer wesentlicher Hinweis für die sorgfältige Exhumierung der Toten scheint mir das vollstän- dige Fehlen von Schmuck in diesen Befunden sowie der be- sonders seltene Nachweis von Silexgeräten zu sein. Wohin 114. Lenneis 2010a, 162. 115. Peschel 1992, 206–208. – Jeunesse 1997, 62. 116. z .B. Nieszery 1995, 24–25. – Kahlke 2004, 66–67. die Toten verbracht wurden, ist eine offene Frage. Längere Zeit konnte man die so außergewöhnlichen Funde extrem fragmentierter Skelettteile sowie der zugerichteten Schädel- kalotten in den Gräben von Herxheim für einen Hinweis auf die Fortsetzung des Bestattungsritus halten, doch scheint diese Möglichkeit durch die jüngsten Untersu- chungsergebnisse nicht mehr zu bestehen117. Ob die so schlecht befundeten Schädelkalotten vom Taborac bei Draßburg im Burgenland118 von mehrstufigen Bestattungs- riten herrühren, ist leider nicht mehr zu klären. Grundsätz- lich ist auch mit der Möglichkeit zu rechnen, dass die der Exhumierung nachfolgenden Riten keinerlei heute noch auffindbare Spuren hinterließen. 5.2 Beigaben (Eva Lenneis) Für die Behandlung der Funde aus den Gräbern haben wir uns für eine strikte Trennung von Beigaben und Körper- schmuck entschieden119, da letzterer nicht unbedingt in di- rekter Relation mit dem Bestattungsritual stehen muss. In weitaus den meisten Fällen hat man den Eindruck, dass die Toten mit ihrer persönlichen Kleidung inkl. Schmuck be- stattet wurden. So wie wir im Falle des Körperschmucks, vor allem bei allen aufgenähten Trachtbestandteilen, die aus organischem Material gefertigte Kleidung und die vermutliche Einhül- lung der Toten vermissen, so fehlen uns bei den Beigaben sicherlich zahlreiche aus organischen Materialien herge- stellte Objekte. An mehreren Gräbern von Kleinhadersdorf – wie auch in anderen Nekropolen – sind in den Grabgruben leere Be- reiche festzustellen, die den Anschein erwecken, nicht zu- fällig leer geblieben, sondern absichtlich ausgespart zu sein. Dieses Phänomen ist nicht bei allen Gräbern festzustellen und bei einigen auch nicht mit der ausreichenden Deutlich- keit zu beobachten, weswegen für Abb.  28 Gräber ausge- wählt wurden, die dies möglichst klar erkennen lassen. So ist bei der Bestattung von Verf. 3 die leere Fläche hinter dem Rücken des maturen Mannes wegen einer Störung durch eine Rigolspur nicht zu beurteilen, die ungewöhnliche Brei- te der Grabgrube vor dem Gesicht sowie im Beckenbereich lässt aber bereits vermuten, dass hier deponierte Objekte fehlen. Die adulte Frau mit Neonatus in Verf. 5 fiel schon durch die ungewöhnliche Haltung der Hände auf (siehe oben Kapitel 5.1), aber warum musste man die Hände so- weit nach oben legen und auch das Kleinstkind, wenn man nicht für etwas in der großen, heute leeren Fläche vor ihrem 117. Boulestin et al. 2009. 118. Mossler 1949. 119. Wie bereits Pavúk 1972, 39. – Nieszery 1995, 105 u.  a.
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Das linearbandkeramische Gräberfeld von Kleinhadersdorf
Title
Das linearbandkeramische Gräberfeld von Kleinhadersdorf
Authors
Christine Neugebauer-Maresch
Eva Lenneis
Location
Wien
Date
2015
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-7001-7598-8
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
406
Keywords
Neolithic, LBK, cemetery, archaeology, prehistory, Kleinhadersdorf, Lower Austria, Neolithikum, Linearbandkeramik, Archäologie, Urgeschichte, Gräberfeld, Kleinhadersdorf, Niederösterreich
Categories
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