Page - 118 - in Das linearbandkeramische Gräberfeld von Kleinhadersdorf
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Christine Neugebauer-Maresch, Eva
Lenneis118
(AZ) gefunden. Alle sind eher rechteckig, aus lokalem
Krumlovský les-Hornstein hergestellt und erinnern stark
an die breiten rechteckigen Trapeze aus dem etwas jüngeren
Gräberfeld von Vedrovice. Könnte es sich in Vedrovice um
eine lokale (mesolithische ?) Tradition handeln, die sich
dann erst mit Laufe der Zeit deutlicher auch in anderen Re-
gionen (Brunn I, Kleinhadersdorf) durchgesetzt hat? Oder
hängt die breite Trapezform mit einer adaptiven Forment-
wicklung im Laufe der LBK zusammen?
Diese Fragen sind schwierig zu beantworten, weil wir
nicht genug datiertes Vergleichsmaterial aus dem Mesolithi-
kum haben. Im östlichen Mitteleuropa ist die Bedeutung
einer mesolithischen Tradition nur schwer zu fassen, weil
die rare spätmesolithische Besiedlung fast nur aus Sammel-
funden bekannt ist und bis jetzt wirklich späte, stratigra-
phisch belegte Fundstellen fehlen. Trotzdem ist auffällig,
dass ähnliche lange Trapeze wie in Brunn II in den spätme-
solithischen und in den köröszeitlichen Fundstellen in Un-
garn vorkommen267. Hängen die langen Trapezformen aus
Brunn II mit einer mesolithischen Tradition zusammen, die
ihren Ursprung weiter östlich in Transdanubien und im
Karpathenbecken hatte? So zeigten sich in der Fundstelle
Ecsegfalva 23 der Körös-Kultur in der gespaltenen Steinin-
dustrie zwei verschiedene Traditionen: eine lokale mesoli-
thische mit langen Trapezen und daneben eine mediterra-
ne268.
Aus Transdanubien stammt immerhin auch der größte
Teil des Rohmaterials in Brunn II. Dass wir hier mit älteren
Traditionen zu rechnen haben, zeigt auch das Vorkommen
von kurzen Trapezen (AZ), die sich vor allem auf westlich
gelegene Gebiete (Bayern, Hessen) in der ältesten LBK kon-
zentrieren. In allen diesen Gebieten kommen natürlich in
Ausnahmen auch andere Trapez-Formen vereinzelt vor,
was verschiedene Ursachen haben kann (z. B. die Eigen-
schaften einzelner Rohmaterialien und die damit verbunde-
ne Breite der abgeschlagenen Klingen, die dann für die Her-
stellung von Trapezen gewählt worden sind).
Beim heutigen Kenntnisstand kann leider zu dieser Pro-
blematik nichts Konkreteres gesagt werden. Es sieht aber so
aus, dass die Gemeinschaften, die man LBK-Kultur nennt,
am Anfang der I. Phase ein materiell noch sehr unterschied-
liches Formenverständnis hatten, was wahrscheinlich mit
verschiedenen mesolithischen Wurzeln in Zusammenhang
steht. Gleichzeitig aber haben dieselben LBK-Gemein-
schaften angestrebt, sich in ihrem Habitus als überregionale
Gemeinschaft zu definieren. Diese Vereinheitlichung zeigt
267. Jásztelék I, Kaposhomok, Ecsegfalva 23. – Kertész et al. 1994,
Taf. III.1. – Marton 2003. – Mateiciucová 2007, Fig. 31.16.
268. Mateiciucová 2007, 716–720.
festgestellte Rohmaterial-Spektrum ist im Vergleich zur
chronologisch gleichzeitigen Siedlung in Vedrovice (Flur
„Široká u lesa“) sehr auffällig. Während in der Siedlung lo-
kale Krumlovský les-Hornsteine (90 %) dominieren, wur-
den in dem Gräberfeld vor allem Artefakte aus fernimpor-
tierten Rohstoffen festgestellt. Zwar wurden in der Siedlung
in Vedrovice ebenfalls Silizite der Krakauer Jura und
Szentgál-Radiolarite gefunden, aber sie machen nur einen
sehr geringen Anteil der ganzen gespaltenen Artefakte aus.
Eine ähnliche Situation können wir auch in der etwa
gleichzeitigen Siedlung von Mold beobachten. Hier waren
ebenfalls Silizite der Krakauer Jura und Szentgál-Radiolari-
te vorhanden, aber die Mehrzahl machen lokale und regio-
nale Roh stoffe aus262.
In Kleinhadersdorf wurden in den Gräbern trapezähn-
liche Formen gefunden, die denen aus dem Gräberfeld von
Vedrovice stark ähneln. Sie haben auch fast die gleichen Pro-
portionen (Typ AC und AZ nach Kozłowski)263. Ver-
gleichbare, ebenfalls fast rechteckige Trapeze wurden wei-
ters in der Siedlung Brunn I im Wiener Becken (65
km von
Kleinhadersdorf entfernt) gefunden264.
Das Gräberfeld Vedrovice „Široká u lesa“ ist an das
Ende der älteren LBK (Phase Ib nach Tichý) und den Beginn
der jüngeren LBK (Phase IIa) datiert265.
Bei der Erstbearbeitung dachte ich, dass die breite Tra-
pezform eine eher späte Erscheinung ist, die erst am Ende
der älteren LBK auftaucht266. Dieses ist in der Fundstelle
Brunn am Gebirge im Wiener Becken deutlich zu sehen.
Hier in der ältesten LBK-Phase wurden in Brunn IIa und
IIb, und auch in den Siedlungsgräbern überwiegend lange
Trapeze (AA) und längliche Formen von kurzen Trapezen
(AZ) gefunden. In den etwas jüngeren Siedlungen Brunn III
und IV kommen aber bereits öfter kurze Trapeze (AZ) vor,
auch wenn lange Trapeze gelegentlich noch auftreten. Eine
wirkliche Änderung kommt erst mit Phase Ib. Aus dieser
Zeit wurden in der Siedlung Brunn I nur breite Trapeze ge-
funden. Diese Änderung ist auch in der Rohmaterialnut-
zung zu sehen. In der ältesten Phase (Brunn IIa/IIb) über-
wiegen die transdanubischen Szentgál-Radiolarite.
Demgegenüber wurden in der jüngeren Siedlung Brunn I
hauptsächlich lokale Mauer-Radiolarite verwendet.
In Vedrovice ist die Situation etwas anders. Hier wurden
schon in der ältesten LBK-Siedlung Vedrovice „Za dvorem“
(Phase Ia) ein breites Trapez (AC) und zwei kurze Trapeze
262. Mateiciucová 2010.
263. Kozłowski 1980, 16, figs 28–32.
264. Mateiciucová 2002b, Abb.
2: 14, 15.
265. Podborský 2002, 316, 317, 336, Tab. 5.
266. Mateiciucová 2002a, 100–101.
Das linearbandkeramische Gräberfeld von Kleinhadersdorf
- Title
- Das linearbandkeramische Gräberfeld von Kleinhadersdorf
- Authors
- Christine Neugebauer-Maresch
- Eva Lenneis
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7001-7598-8
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 406
- Keywords
- Neolithic, LBK, cemetery, archaeology, prehistory, Kleinhadersdorf, Lower Austria, Neolithikum, Linearbandkeramik, Archäologie, Urgeschichte, Gräberfeld, Kleinhadersdorf, Niederösterreich
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen