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Auswertung 127
Besonders interessant ist das Faktum, dass man für die
Herstellung der Flachbeile und der Dechseln verschiedene
Rohmaterialien verwendete (Tabelle 24 und 26). So stellte
man die Dechsel ausschließlich aus sehr hochwertigem Am-
phibolit/Amphibolschiefer her, während die (Flach)Beile
aus verschiedenen anderen Gesteinen gefertigt wurden.
Man hat also den Eindruck, dass bereits bei der Auswahl des
Rohmaterials die künftige Funktion des Gerätes maßgeb-
lich war und das Gestein gezielt nach dessen Eigenschaften
ausgewählt wurde. Der bei den Dechseln von Kleinhaders-
dorf verwendete, sehr feinkörnige Amphibolit/Amphibol-
schiefer ist mit hoher Wahrscheinlichkeit das gleiche Roh-
material, das auch in Vedrovice dominiert (siehe Kapitel
6.3). Als Herkunftsgebiet ermittelte A. Přichystal das Rie-
sen- und Isergebirge in N-Böhmen an der Grenze zu Po-
len273. Die Entfernung von Kleinhadersdorf bis zu diesem
Rohstoffvorkommen beträgt etwa 360
km und zeigt, dass es
den Menschen dieser Zeit sehr wichtig gewesen sein muss,
für diese Geräte ein so hochwertiges und besonders geeig-
netes Rohmaterial zu bekommen. Die hohe Standardisie-
rung in der Bearbeitung der Geräte lässt auch an die Mög-
lichkeit einer Produktion im Nahbereich der Rohstofflager
und einer Weitergabe der fertigen Dechseln denken. Halb-
fabrikate und Produktionsabfälle sind bisher aus den ausrei-
chend untersuchten österreichischen Siedlungsplätzen je-
denfalls nicht nachgewiesen. Die gelegentlich in sehr
geringen Mengen vorhandenen Splitter von derartigen
Dechseln können durchaus bloß von Schäden bzw. Nach-
schärfungen stammen274.
Die für die Flachbeile verwendeten Rohmaterialien sind
verschieden (Tabelle
26), ihre Herkunftsgebiete nicht so ge-
nau bestimmbar (siehe Kapitel 6.3). Nur zwei (37/1, 71/2)
der fünf Beile sind aus einem Rohmaterial guter Qualität
273. Přichystal 2002, 215.
274. Götzinger, Lenneis 2009, 108. – Götzinger et al. 2010, 196 f.
Tabelle
1 und Abb.
1, 2.
Dechseln aus Vedrovice sind benutzte Objekte270. Im Ge-
gensatz dazu weisen die Dechseln aus den bayerischen Grä-
berfeldern keine Arbeitsspuren in Form paralleler Rillen
oder Abstumpfungen der Schneide auf, nur ganz wenige
Stücke sind durch Aussplitterungen an der Schneide un-
brauchbar. Allerdings zeigen nahezu alle Geräte, deren
Oberfläche ausreichend erhalten ist, dass diese überschlif-
fen worden waren, wodurch gebrauchsbedingte Spuren
nicht mehr zu finden sind271.
Von den fünf Beilen sind drei als unterschiedlich große
Fragmente und zwei annähernd vollständig erhalten (Tabel-
le
26). Von letzteren weist eines eine so starke Beschädigung
der Schneide auf, dass es sicher kein voll taugliches Werk-
zeug mehr darstellte (71/2). Es kommt ebenso wie das ein-
zige voll gebrauchsfähige kleine Beil (68/1) aus einem Leer-
grab, das gebrochene Beil mit einer guten, nur durch zwei
kleine Aussplitterungen beschädigten Schneide lag im Grab
eines Kleinkindes (G. 3). Auch das relativ große Beilfrag-
ment mit einer starken Aussplitterung an der Schneide
(37/1) kommt aus einem weiteren Leergrab, das maximal
zur Hälfte erhaltene Fragment (87/2) aus völlig zerstörten
Resten eines Grabes. Die Tatsache, dass drei der fünf Beil-
reste aber keine einzige Dechsel aus Leergräbern stammen,
könnte ein Indiz für eine geringere Wertschätzung dieser
Geräte sein.
Grundsätzlich ist die Anzahl der Flachbeile in allen Grä-
berfeldern wesentlich geringer als jene der Dechseln. Im
Gräberfeld Nitra ist die Relation Dechsel : Flachbeil 9:1, in
den bayerischen Gräberfeldern 70:39 und in Vedrovice
18:3272. Das in Kleinhadersdorf festgestellte Mengenverhält-
nis von 20:5 ist einmal mehr jenem von Vedrovice am nächs-
ten.
270. Salaš 2002, 207 f., 198 Abb.
1, 200 Abb.
2.
271. Nieszery 1995, 155.
272. Pavúk 1972, 48, 52. – Nieszery 1995, 141. – Salaš 2002, 202 Tab.
4a,b: Typ S10 entspricht „Flachbeil“.
Gräberfeld Kleinhadersdorf: Beile – Ausgrabung 1931
Grab Inv. Nr.
NHM Erhaltung Länge Breite Dicke Gewicht Rohmaterial¹)
G. 3 62218 2/3 97 56 14 162 g Kieselschiefer, Quarzphyllit
Gräberfeld Kleinhadersdorf: Beile – Ausgrabung 1987–1991
Verf.-Nr. Fund-Nr. Erhaltung Länge Breite Dicke Gewicht Rohmaterial¹)
37 1 ¾ (135) 45–52 13 165 g Grobkorn Amphibolit,
geschiefert, ca. „Prasinit“
68 1 1 65 30–37 9 41 g Quarzphyllit mit
Chlorit + Serizit
71 2 1 108 18–50 16 142 g „Grobkorn – Amphibolit“
87 2 ½ (94) 45 13 97 g Schiefergneisgeröll
Tabelle
26: Kleinhadersdorf: Beile – Maße und Rohmaterial, ¹)
Bestimmungen R. Seemann (†) 2004.
Das linearbandkeramische Gräberfeld von Kleinhadersdorf
- Title
- Das linearbandkeramische Gräberfeld von Kleinhadersdorf
- Authors
- Christine Neugebauer-Maresch
- Eva Lenneis
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7001-7598-8
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 406
- Keywords
- Neolithic, LBK, cemetery, archaeology, prehistory, Kleinhadersdorf, Lower Austria, Neolithikum, Linearbandkeramik, Archäologie, Urgeschichte, Gräberfeld, Kleinhadersdorf, Niederösterreich
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen