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Der Stoff, aus dem Konflikte sind - Debatten um das Kopftuch in Deutschland, Österreich und der Schweiz
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SABINE BERGHAHN 54 besonders in den südlichen Bundesländern Baden-Württemberg und Bayern – so am Herzen lag, so verwundert es, dass genau diese Möglichkeit durch ein solches Vorgehen gefährdet wurde. Man kann – zumal in Bayern – das Kopf- tuchverbotsgesetz geradezu als ›Retourkutsche‹ für den ›Kruzifixbeschluss‹ des BVerfG vom 16.05.1995 ansehen.32 Damals erklärte der Erste Senat des Karlsruher Gerichts eine Bestimmung im Bayerischen Volksschulgesetz für verfassungswidrig, weil darin eine automatische Aufhängung von Kreuzen in Klassenzimmern angeordnet war und dies die Neutralität des Staates verletze. Es erhob sich ein Sturm der Entrüstung in süddeutschen Landen, da die ›positive‹ Bekenntnisfreiheit der Mehrheit nicht der ›negativen‹ Freiheit einer Minderheit, unbehelligt vom christlichen Glauben zu bleiben, untergeordnet werden dürfe. So jedenfalls lauteten zahlreiche Einwände gegen die Ent- scheidung. Der Bayerische Landtag verabschiedete ein neues Gesetz wiede- rum mit einer automatischen Aufhängungsanordnung für Kreuze in Klassen- zimmern, baute jedoch eine Widerspruchslösung ein, mit der nunmehr »ernste und einsehbare Gründe« gegen ein Kreuz im Klassenzimmer vorgebracht werden können, was dann möglicherweise zur Abhängung führt (siehe auch »Informationen über wichtige Entscheidungen des BVerfG mit religiösem Be- zug« im Anhang dieses Bandes). Offenkundig demonstriert sowohl diese Regelung im ›Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen‹ als auch das Kopftuchverbot im selben Gesetz, dass Bayern religiöse Neutralität in einem sehr ›kommunitaristischen‹ Sinne versteht, nämlich als das, was die Mehrheit als ihre religiöse Tradition ansieht. So verträgt sich das christliche Kreuz an der Wand öffentlicher Schulen mit der staatlichen Neutralität, das islamische Kopftuch, getragen als persönliches Attribut, jedoch nicht! Offen- kundig hat in den fünf Bundesländern mit christlich-abendländischer Referenz eine gewisse Überheblichkeit und Arroganz angesichts der legislativen Mehr- heitsverhältnisse vorgeherrscht, so dass alle Warnungen vor einer solchen le- gislativen Doppelmoral (vgl. etwa Rau 2004; Böckenförde 2004) in den Wind geschlagen wurden. Erklärungsversuche zur deutschen Regelungssituation Wie bereits eingangs erwähnt sind die markantesten Ursachen für die zer- splitterte Regelungssituation in Deutschland und die konfrontative Tendenz in acht Bundesländern auf zwei Faktoren zurückzuführen: auf das BVerfG und den politischen Profilierungsdrang von Landesregierungen. 32 BVerfGE 93, 1 ff.
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Der Stoff, aus dem Konflikte sind Debatten um das Kopftuch in Deutschland, Österreich und der Schweiz
Title
Der Stoff, aus dem Konflikte sind
Subtitle
Debatten um das Kopftuch in Deutschland, Österreich und der Schweiz
Authors
Sabine Berghahn
Petra Rostock
Publisher
transcript Verlag
Date
2009
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-89942-959-6
Size
14.7 x 22.4 cm
Pages
526
Keywords
Religion, Migration, Geschlechterverhältnisse, Demokratie, Rechtssystem, Politik, Recht, Islam, Islamwissenschaft, Gender Studies, Soziologie, Democracy, Politics, Law, Islamic Studies, Sociology
Category
Recht und Politik
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