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Der Stoff, aus dem Konflikte sind - Debatten um das Kopftuch in Deutschland, Österreich und der Schweiz
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NORA GRESCH/LEILA HADJ-ABDOU 74 Analysen von ›Kopftuchdebatten‹, welche diese Politiken begleiteten (Amir- Moazami 2007). Während mit dieser Perspektive Prozesse der (Re-) Produktion nationaler und europäischer Identität aufgezeigt werden konnten (Scott 2007; Rostock/Berghahn 2008), wurde bislang die Frage nach der Bedeutung national- staatlicher Politiken und Kontexte für Kopftuchträgerinnen selbst kaum gestellt. Die Thematik realer Teilhabechancen von muslimischen Frauen bleibt sowohl im wissenschaftlichen als auch im politisch-öffentlichen Diskurs weit gehend ausgeblendet. Die österreichische Situation stellt dafür ein paradigmatisches Beispiel dar. So wird Österreich in der Regel im Hinblick auf die Inkorporation islami- scher Praxen im Allgemeinen und das Tragen des Kopftuchs im Speziellen als weit gehend ›tolerant‹ beschrieben. Gleichzeitig zeigt sich bei näherer Be- trachtung, dass Kopftuchträgerinnen in Österreich nur marginal in öffent- lichen Funktionen, in politischen Ämtern oder am Arbeitsmarkt wahrnehmbar sind (Hofstätter 2004: 18; Heine 2005: 105; Kalb et al. 2003: 632). Tatsächlich ist der Islam seit 1912 als Religionsbekenntnis anerkannt und die ›Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich‹ (IGGiÖ) besitzt seit 1979 als Vertretung aller Muslime und Musliminnen den Status einer ›Kör- perschaft öffentlichen Rechts‹ (Heine 2005). Das Tragen des Kopftuchs wird in Österreich als religiöse Praxis verstanden und unterliegt keinerlei Ein- schränkungen.2 Im Gegenteil – in bedeutsamen öffentlichen Sphären wie zum Beispiel in der Schule wurde das Recht auf das Tragen von Kopftüchern wiederholt von verantwortlichen Autoritäten bekräftigt. Anlehnend an Hege Skjeie (2007), die zwischen ›nicht regulativen‹, ›selektiven‹ und ›restriktiven‹ nationalen Regulierungen unterscheidet, ist Österreich damit dem ›nicht re- gulativen‹ Modell zuzuordnen.3 So positioniert sich das Land auch im euro- päischen Kontext als »Sondermodell« (Sticker 2006) im Hinblick auf den Umgang mit Muslimen und Musliminnen. In ihrer Eröffnungsrede der Kon- ferenz »Islam in Europa«4 beschrieb die österreichische Außenministerin 2 Dies betrifft den Hijab, andere Formen der Bedeckung entsprechen in Österreich kaum der Praxis. In einem Fall, in dem eine angeklagte Frau einen Niqab vor Gericht trug, wurde dies nicht toleriert; sie wurde vom Richter ausgeschlossen. Diese Entscheidung wurde vom Obersten Gerichtshof bestätigt (Seeh 2008). Dies deutet an, dass Vollverschleierung in Österreich weniger toleriert ist und auch Einschränkungen unterliegen kann. Bisher ist das jedoch der einzige Fall, in dem der Staat prohibitiv entschied. 3 Ein ›restriktives‹ Modell zeichnet sich durch das Verbot von jeglichen Arten re- ligiöser Körperbedeckung aus (z.B. Frankreich, Türkei). Das ›selektive‹ Modell ist durch Verbote von bestimmten Formen der Körperverhüllung charakterisiert, wie zum Beispiel Verbotsmöglichkeiten für Burka oder Niqab. ›Nicht- regulative‹ Modelle haben keine Regulierungen, die das Tragen religiöser Kör- perbedeckungen verbieten (Skjeie 2007: 138). 4 Die Konferenz wurde im Frühjahr 2007 von der Diplomatischen Akademie Wien organisiert. Bereits im Vorfeld der österreichischen EU-Ratspräsident-
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Der Stoff, aus dem Konflikte sind Debatten um das Kopftuch in Deutschland, Österreich und der Schweiz
Title
Der Stoff, aus dem Konflikte sind
Subtitle
Debatten um das Kopftuch in Deutschland, Österreich und der Schweiz
Authors
Sabine Berghahn
Petra Rostock
Publisher
transcript Verlag
Date
2009
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-89942-959-6
Size
14.7 x 22.4 cm
Pages
526
Keywords
Religion, Migration, Geschlechterverhältnisse, Demokratie, Rechtssystem, Politik, Recht, Islam, Islamwissenschaft, Gender Studies, Soziologie, Democracy, Politics, Law, Islamic Studies, Sociology
Category
Recht und Politik
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