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SELIGE MUSLIMINNEN ODER MARGINALISIERTE MIGRANTINNEN?
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Auch Vertreterinnen und Vertreter der ›Sozialdemokratischen Partei Öster-
reichs‹ (SPÖ) äußerten sich mehrheitlich gegen ein Kopftuchverbot. In diesen
Äußerungen kamen ebenfalls der Stellenwert von Religion im öffentlichen
Raum und der Bezug zu christlichen Symbolen zum Ausdruck. So definierte
etwa die langjährige Nationalratspräsidentin und Bundesfrauensprecherin der
SPÖ, Barbara Prammer, das Kopftuch zwar als Symbol der Unterordnung von
Frauen, trat aber gleichzeitig gegen ein Kopftuchverbot auf: »Sicher nicht,
sonst müssten wir religiöse Symbole generell diskutieren. Ich glaube, dass das
in Österreich nicht gewollt wird« (zit. nach Dannhauser 2007). Eine Posi-
tionierung gegen Verbote verlief innerhalb der SPÖ zudem entlang einer Be-
tonung der Selbstbestimmung migrantischer Frauen und deren Partizipation in
der Aufnahmegesellschaft. Die in der letzten Regierung amtierende Frauen-
ministerin der SPÖ, Doris Bures, hielt fest: »Wir müssen den Migrantinnen
mit Ausbildung und Jobs alle Möglichkeiten für ein ökonomisch unab-
hängiges Leben geben. Denn nur dann können die Frauen auch leichter all-
fälligem familiärem Druck widerstehen, sich gegen ihren Willen zu verschlei-
ern« (zit. nach Ortner/Weissensteiner 2007).
›Die Grünen‹ wiederum sprachen sich ebenso im Sinne von Ermächtigung
und Partizipation von Frauen gegen Kopftuchverbote aus. Eine Problema-
tisierung des Islams als frauenunterdrückend wurde von der Partei zudem u.a.
als euro-zentristisch und instrumentalisierend präsentiert (vgl. Gresch/Hadj-
Abdou 2008). Österreich ist somit mehrheitlich von einem Konsens im Hin-
blick auf die ›Kopftuchfrage‹ gekennzeichnet, der sich für das Recht auf
Kopftuch ausspricht.
Einhergehend mit einem mangelnden Konflikt wird die Situation in
Österreich in der Diskussion auch von Vertreterinnen und Vertretern muslimi-
scher Organisationen vorrangig als positiv dargestellt. So definiert etwa die
›Muslimische Jugend Österreich‹ (MJÖ) das Land »als potentielles Vorbild
aller EU-Länder im Umgang mit den Musliminnen« (MJÖ 2007). Diese Posi-
tion wurde schließlich u.a. auch vom Präsidenten der IGGiÖ Anas Schakfeh
unterstrichen: »Die Muslime in Österreich genießen volle rechtliche Gleich-
stellung mit den übrigen Staatsbürgern und honorieren ihrerseits diese
Gleichstellung mit der unbedingten Loyalität zum österreichischen Staat und
seinem Rechtssystem« (Schakfeh 2005a: 88).
Konjunkturen wider das Kopftuch
bei anhaltender Kontinuität
eines ›toleranten‹ Kopftuchregimes
Trotz des vorherrschenden weit gehenden Konsenses im Hinblick auf die
Ausübung von Religion im öffentlichen Raum und damit auch auf das Tragen
des Kopftuchs kam es jedoch immer wieder zu einer konjunkturellen Proble-
Der Stoff, aus dem Konflikte sind
Debatten um das Kopftuch in Deutschland, Österreich und der Schweiz
- Title
- Der Stoff, aus dem Konflikte sind
- Subtitle
- Debatten um das Kopftuch in Deutschland, Österreich und der Schweiz
- Authors
- Sabine Berghahn
- Petra Rostock
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2009
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-89942-959-6
- Size
- 14.7 x 22.4 cm
- Pages
- 526
- Keywords
- Religion, Migration, Geschlechterverhältnisse, Demokratie, Rechtssystem, Politik, Recht, Islam, Islamwissenschaft, Gender Studies, Soziologie, Democracy, Politics, Law, Islamic Studies, Sociology
- Category
- Recht und Politik