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SELIGE MUSLIMINNEN ODER MARGINALISIERTE MIGRANTINNEN?
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von betroffenen Musliminnen steht. An dieser Situation änderten bislang auch
Antidiskriminierungsregelungen kaum etwas.
Das Antidiskriminierungsregime
als verpasste Möglichkeit zur
Förderung von Partizipationschancen
Damit die Artikulation von Interessen wahrnehmbar sowie Interessenskon-
flikte als legitim angesehen und progressive Lösungsvorschläge entwickelt
werden können, ist es nach Perchinig notwendig, dass es in einer Gesellschaft
etablierte »Formen der Interessenvertretung als Andere sowie ein bestimmtes
Ausmaß der Institutionalisierung und Sichtbarmachung der Differenz« (Per-
chinig 1999: 65) gibt. Um dies zu verwirklichen seien Antidiskriminierungs-
regelungen und deren Institutionalisierung von wesentlicher Bedeutung. So ent-
wickelt zum Beispiel Großbritannien, das über eines der ausgeprägtesten Anti-
diskriminierungsregime in Europa verfügt, bereits seit den 70er Jahren des 20.
Jahrhunderts weit gehende Mechanismen, um gegen mittelbare oder unmittelbare
Formen der Diskriminierung auf dem Wohnungs- und Arbeitsmarkt sowie im
Erziehungs- und Vereinswesen rechtlich vorzugehen (König/Stadler 2003: 165;
Perchinig 1999: 65 ff). In Österreich stellen institutionalisierte Formen der Teil-
habe und explizite Anerkennungsforderungen von Differenz jedoch erst eine neue
Entwicklung dar, die zudem weitaus weniger ausgeprägt ist als in Staaten wie dem
Vereinigten Königreich (vgl. Raxen 2004). So gibt es in Österreich erst seit 2004
das ›Gleichbehandlungsgesetz‹, dass jede Form von Diskriminierung auf der Basis
von Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit, der Religion oder Weltanschauung, des
Alters oder der sexuellen Orientierung in der Arbeitswelt sowie der ethnischen
Zugehörigkeit in sonstigen Bereichen verbietet.10 Gleichzeitig schuf das Gesetz im
Rahmen der ›Gleichbehandlungskommission‹ und der ›Gleichbehandlungsanwalt-
schaft‹ Institutionen, welche die Verwirklichung der Bestimmungen in Konflikt-
fällen durchsetzen sollen.
Bislang zeigten diese Antidiskriminierungsregelungen jedoch nur be-
grenzt Erfolge bei der Verbesserung der Teilhabechancen von Migrantinnen
und Migranten. Der jüngste »Migrant Integration Policy Index« (MIPEX)11
kritisiert, dass in Österreich die beschriebenen Gleichbehandlungsinstitu-
tionen nicht von sich aus einem Fall nachgehen und auch nicht als Institution
einen Fall selbständig vor Gericht bringen können. Einen weiteren we-
10 Bundesgesetzblatt der Republik Österreich (BGBl (A)) I 66/2004.
11 Der MIPEX wird von der Migration Policy Group und dem British Council ge-
leitet. Dieser Index misst Integrationspolitiken in 25 EU Mitgliedsstaaten und
drei Nicht-EU Ländern hinsichtlich verschiedener Dimensionen wie Zugang
zum Arbeitsmarkt und Staatsbürgerschaft, aber auch Antidiskriminierung; ab-
rufbar: http://www.integrationindex.eu, 20.01.2009.
Der Stoff, aus dem Konflikte sind
Debatten um das Kopftuch in Deutschland, Österreich und der Schweiz
- Title
- Der Stoff, aus dem Konflikte sind
- Subtitle
- Debatten um das Kopftuch in Deutschland, Österreich und der Schweiz
- Authors
- Sabine Berghahn
- Petra Rostock
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2009
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-89942-959-6
- Size
- 14.7 x 22.4 cm
- Pages
- 526
- Keywords
- Religion, Migration, Geschlechterverhältnisse, Demokratie, Rechtssystem, Politik, Recht, Islam, Islamwissenschaft, Gender Studies, Soziologie, Democracy, Politics, Law, Islamic Studies, Sociology
- Category
- Recht und Politik