Page - 12 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Volume 1: A – I
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Vorwort der Herausgeberin und des Herausgebers
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– was heute überholt erscheint, weil jede wissenschaft-
liche Forschung nur ein Beitrag zur universellen Zivili-
sation sein kann –, doch ist der Ansatz der Darstellung
von zahlreichen Segmenten durch Autoren unter-
schiedlicher Fachausrichtungen und Prägungen eine
hervorragende Methode einerseits für die detaillierte
Darstellung von Partialwissen, andererseits traten erst
aus der Zusammenschau verschiedener Darstellungen
weitere Fragen und noch nicht erforschte Sachgebiete
zutage.
Die ab 2010 in Auftrag vergebenen Lemmata über
die Geschichte der slowenischen Kulturvereine und ihre
Träger an externe, vielfach lokal engagierte Autoren –
die oft selbst Aktivisten der lokalen Kulturarbeit in der
Tradition der regionalen slowenischen Kulturbewegung
des Bukovništvo waren und sind – bestätigten nicht nur
den methodischen Ansatz, sie erwiesen sich gleichzei-
tig als wahre Quelle von Innovationen und Spezialwis-
sen. In deren Darstellungen wurde eine große Anzahl,
vielfach im Einzelnen noch nicht erforschter Biogra-
fien von Kulturaktivisten eingebracht, die im Laufe
des Projektes zum Ausgangspunkt weiterer vertiefen-
der prosopografischer bzw. biografischer, soziologischer,
soziolinguistischer und anderer Forschungen wurden.
Damit wandelte sich gleichzeitig der Schwerpunkt
der Enzyklopädie von einer Kompilation vorhande-
nen Wissens im Diderot’schen Sinne zu einem genui-
nen, umfassenden interdisziplinären Forschungsprojekt
moderner europäischer Prägung des 21. Jahrhunderts.
Die so wiederentdeckten slowenischen Bürgermeister
und Aktivisten ergaben in der Gesamtschau ein neues,
lebendiges Bild der gesellschaftlichen Realität, in der
Zeit da das slowenische Element als konstitutiver Teil
des Landes fest verankert war. Daraus ergaben sich
wiederum Rückschlüsse auf politische Muster in der
Geschichte, die gesondert erörtert werden mussten und
neue Erklärungsmodelle zu geschichtlichen Prozessen
beisteuerten. In der Zusammenschau der neuesten en-
zyklopädischen Forschungsresultate insbesondere zu
Assimilation und posttraumatischen Belastungsstörun-
gen – zwei zentralen Topoi der neueren Geschichte –
zusammen mit den Erkenntnissen etwa zum Wirken
der slowenischen Kulturvereine, zur Liquidierung des
slowenischen Genossenschaftswesens und zum Auf-
kommen der Widerstandsbewegung kam es zu einer
neuen Bestimmung des zeitlichen Horizonts der En-
zyklopädie selbst, da nunmehr das Jahr 1942 als histo-
rische Schnittstelle der slowenischen Kulturgeschichte
in Kärnten/Koroška identifiziert wurde. Die im Rahmen der enzyklopädischen Arbeit zu
Rechtsgrundlagen einzelner, vorerst scheinbar im rechts-
leeren Raum stehender Rechtsakte und -dokumente
führten zu wesentlichen Innovationen im Verständnis
der österreichischen, Kärntner und slowenischen Ver-
fassungsgeschichte, die durch die Identifizierung einer
Anzahl von als Slowenen ausgewiesener Bischöfe in
und aus Kärnten/Koroška (bzw. in den Diözesen Gurk/
Krška škofija und Lavant/Lavantinska škofija) in der
Zeit des Vormärz einen neuen gesellschaftspolitischen
Rahmen und eine historische Logik erhielt. Die ver-
einzelten Rechtsakte und Dokumente sowie schließ-
lich die bis dato quasi unbekannte Landesverfassung
von 1849 – die in Artikel 3 die Gleichberechtigung der
konstitutiven Völker statuiert (!) – selbst erschienen in
einem neuen historischen Gesamtbild, das ein sinnhaf-
tes Ganzes ergab. Das zweisprachige Landesgesetzblatt,
das erstmals eingehend für die Zwecke dieser Enzyk-
lopädie wissenschaftlich aufgearbeitet wurde, erhielt
damit eine verfassungshistorische Erklärung. Zudem
wurde damit die einschlägige slowenische Terminologie,
ja sogar die literaturübliche slowenische Periodisierung
der Geschichte um die Mitte des 19. Jahrhunderts einer
kritischen Betrachtung unterzogen und um eine verfas-
sungsgeschichtliche Dimension erweitert.
Die detaillierten Forschungen zu den Edlingern auf
dem Gebiet der heutigen Marktgemeinde Magda-
lensberg/Štalenska gora vom nunmehrigen Direktor
des Landesarchivs Dr. Wadl führte zur Frage nach der
rechtshistorischen Begründung der Langlebigkeit ih-
rer Rechtswirkungen bis ins moderne österreichische
Katastralrecht und damit zu einer neuen Konzeption
von historischer Kontinuität. Über sechzig Einzel-
forschungen zu slowenischen kulturgeschichtlichen
Erscheinungen am Klagenfurter Feld/Celovško polje
offenbaren eine Kulturlandschaft, die selbst in der slo-
wenischen Fachliteratur bisweilen als Terra incognita
erscheint, so das auch diesbezüglich neue Konzepte
und eine entsprechende zweisprachig bzw. bikulturell
konzipierte Fachterminologie neue und nunmehr inte-
grierte interdisziplinäre Erklärungsmodelle zu histori-
schen Prozessen und Erscheinungen bieten.
Ähnliches gilt auch für viele weitere Fachgebiete, so
etwa die frühmittelalterliche und barocke Sprachge-
schichte, die Soziolingusitik oder die Kunstgeschichte,
wo durch die Vielzahl von Einzelforschungen neue
Synthesen erforderlich und ermöglicht wurden, die
weitere Lemmata und neue Konzepte nach sich zogen,
die wiederum neue, im interkulturellen Wissenschafts-
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Volume 1: A – I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1942
- Volume
- 1: A – I
- Authors
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Size
- 24.0 x 28.0 cm
- Pages
- 542
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Geleitwort von Ana Blatnik, Präsidentin des Bundesrates (Juli – Dezember 2014) 7
- Spremna besede Ane Blatnik, predsednice državnega sveta (julij – december 2014) 8
- Geleitwort von Johannes Koder 9
- Vorwort der Herausgeberin und des Herausgebers 11
- Einleitung – slowenische Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška 15
- Alphabetische Liste der AutorenInnen/BeiträgerInnen im vorliegenden Band 38
- Verzeichnis der Siglen 40
- Verzeichnis der Abkürzungen und Benutzungshinweise 46
- Editoriale Hinweise 51
- Lemmata Band 1 A – I 55