Page - 30 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Volume 1: A – I
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Einleitung
30 Dreikopfstein/Triglav vom
Magdalensberg/Štalenska
gora, Foto Bojan-Ilija Schnabl
wirtschaftliche Autonomie und damit eine kulturelle
Eigenständigkeit gewährleisten sollte, ebenso die
einzelnen Proponenten dieser Bestrebungen (etwa Va-
lentin → Janežič, Janez → Vospernik). Wirtschafts-
geschichtliche Aspekte prägten die → Binnenwande-
rungen und → Emigration und finden sich beispielhaft
etwa auch im Lemma → Šentjanž – Katoliško slovensko
izobraževalno društvo za Št. Janž in okolico [Katholi-
scher slowenischer Bildungsverein für St. Johann und
Umgebung] ebenso wie in den Lemmata zu den Städ-
ten, wo die nationale Frage eng mit der wirtschaftli-
chen Entwicklung verknüpft war : → Völkermarkt/
Velikovec, →
Villach/Beljak oder → Celje, → Maribor,
→ Slovenj Gradec.
Ein im kärntnerslowenischen Raum bisher wenig
bekanntes Phänomen, das verschiedene Aspekte der
slowenischen Wirtschafts- und Sozialgeschichte ver-
bindet und das insbesondere auf die traditionelle Ori-
entierung der Gailtaler Slowenen hin zu Trieste/Trst/
Triest zurückzuführen ist, sind die temporären Arbeits-
migrantinnen, die es um die Jahrhundertwende vom
19. zum 20. Jh. nach Ägypten verschlug und die in der
slowenischen Literatur als → Aleksandrinke [Alexan-
drinerinnen] bekannt sind, wobei diese literaturüblich
vor allem aus dem Görzer Raum stammten. Neueste
Forschungen und Dokumente belegen auch einige
Gailtalerinnen – bis dato nur aus Achomitz/Zahomec
– waren in Ägypten. Die Biographie des Johann → Mi-
klautsch aus Labientschach/Labenče bei Nötsch/
Čajna, der in der Zwischenkriegszeit aus wirtschaftli-
chen Gründen mehrfach in die USA auswanderte und
schließlich zurückkehrte, ergänzt das differenzierte
Bild der regionalen Wirtschafts- und Sozialgeschichte
und zeigt exemplarisch deren nachhaltige Verflechtun-
gen mit den Wirtschafts- und Sozialgeschichten ande-
rer Räume auf.
Von zentraler Bedeutung waren für die Wirtschafts-,
Sozial- und Sprachgeschichte die jeweilig geltenden
historischen Rechtsgrundlagen bzw. das weite Feld
der Rechts- und Verfassungsgeschichte (→ Ei-
desformeln, → Klagenfurter Marktordnung aus 1793,
→ Übersetzungen von Patenten und Kurrenden, → Ok-
troyierte Märzverfassung 1849, → Landesverfassung
1849, →
Dezemberverfassung 1867, → Vertrag von
Saint-Germain, → Wahlordnungen, → Wahlkreisein-
teilungen, → Reichsgesetzblatt, → Kundmachung (1–3),
→ Landesgesetzblatt und darin kundgemachte zwei-
sprachige → Ortsrepertorien bzw. → Ortsverzeichnisse). II. Zeitliche und geografische Eckpunkte
In der historischen Perspektive stellt sich auch die Frage
nach den zeitlichen und geografischen Eckpunkten der
slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška.
Zu berücksichtigen sind alle Phänomene und Prozesse
der → Inkulturation oder Verflechtungen und Inter-
ferenzen mit der Welt außerhalb des regionalen Mik-
rokosmos (u. a. → Altkirchenslawisch, → Altladinisch,
→ Binnenwanderungen, → Entlehnung, → Emigra-
tion →
Goldene Bulle 1356, → Graz, → Lingua franca,
→ Pannonische Theorie, → Reichsgesetzblatt, → Spät-
jansenismus, → Wien ; Karl Michael →
Attems, Leo
→ Thun Hohenstein).
Vielfach spürt man in der wissenschaftlichen Lite-
ratur ein Unbehagen in Bezug auf die Anfänge und
die Frage, ab wann man von einem slowenischen
→ Ethnos sprechen kann (→
Ethnogenese, → Win-
disch). Auch hier kann man Anleitung aus anderen
europäischen Kulturgeschichten nehmen. So wie man
in der französischen Geschichtsschreibung ethnisch
nicht eindeutig definierte – vor allem aber nicht mit
den heutigen Franzosen gleichzusetzende Karolinger,
Merowinger und Kapetinger (fr. Carolingiens, Méro-
vingiens, Capétiens) – und die an sich keltischen und
später romanisierten Gallier in der Kulturgeschichte
berücksichtigt, ebenso berücksichtigt man in der deut-
schen und österreichischen Rechtsgeschichte die eth-
nisch mit den beiden heutigen Nationen nicht gleich-
zusetzenden frühmittelalterlichen Germanen, Baivaren
(→ Bagoaria, →
Altbairisch), Franken, Sachsen und
deren Rechtssysteme und selbstverständlich auch die
Babenberger und das literaturüblich als althochdeutsch
bezeichnete Schrifttum jener Zeit, das im Rahmen der
»deutschsprachigen« Literaturgeschichte mitberück-
sichtigt wird, wobei klar ist, dass es für heutige, nicht
einschlägig gebildete Leser ohne Vorwissen kaum bzw.
nicht verständlich ist. Deshalb muss eine slowenische
Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška das Themen-
feld des frühmittelalterlichen →
Karantanien und der
→ Slovenia submersa bzw. der slawischen Besiedelung
im Ostalpenraum berücksichtigen (→ Archäologisches
Bild, → Karantanisch-Köttlacher Kulturkreis, → Gra-
belsdorf/Grabalja vas im Frühmittelalter, → Frühmit-
telalterliche Kirchen in Karantanien, die slawischen
[slowenischen] →
Toponyme in der Steiermark, → Topo-
nyme slawischer bzw. slowenischer Herkunft in Ostti-
rol und in Salzburg, → Slowenenzehent, → Karantani-
sche Mark, → Ostarrichi, → Raabtaler Slowenen).
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Volume 1: A – I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1942
- Volume
- 1: A – I
- Authors
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Size
- 24.0 x 28.0 cm
- Pages
- 542
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Geleitwort von Ana Blatnik, Präsidentin des Bundesrates (Juli – Dezember 2014) 7
- Spremna besede Ane Blatnik, predsednice državnega sveta (julij – december 2014) 8
- Geleitwort von Johannes Koder 9
- Vorwort der Herausgeberin und des Herausgebers 11
- Einleitung – slowenische Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška 15
- Alphabetische Liste der AutorenInnen/BeiträgerInnen im vorliegenden Band 38
- Verzeichnis der Siglen 40
- Verzeichnis der Abkürzungen und Benutzungshinweise 46
- Editoriale Hinweise 51
- Lemmata Band 1 A – I 55