Page - 32 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Volume 1: A – I
Image of the Page - 32 -
Text of the Page - 32 -
Einleitung
32 Chronogramm in St. Magda-
lena/sv. Magdalena, rechter
Seitenaltar, Foto Tomo
Weiss
Wappen des Königreiches
Illyrien
→ Karantanerslowenisch). Der Sprache nach waren sie
also Slowenen, dem Staatswesen nach Karantaner,
ab 976 Kärntner oder mit einer weiteren regionalen
bzw. territorialen →
Identität behaftet. Vielfache und
Parallelidentitäten ziehen sich seit jener Zeit wie rote
Fäden durch die slowenische Kulturgeschichte. Dabei
ist unbestritten, dass man in jener frühen Zeit nir-
gendwo in Europa von modernen Nationen bzw. von
Nationen im heutigen Sinn sprechen kann. Man denke
an die italienischen Stadtstaaten und deren identitäre
Rivalitäten oder an den identitären Zwiespalt des va-
lenciano zwischen catalan (català) und castellano. Und
ebenso folgte dem → karolingischen Staatsbildungs-
prozess mit Höhen und Tiefen ein jahrhundertelanger
Prozess der Regionalisierung. Jedenfalls Slowenisch im
Sinne von Sprache war die von → Johann von Vik-
tring beschriebene Herzogseinsetzung sowie das be-
rühmte → Buge waz primi gralva Venus von Bernhard
von Spanheim aus dem Jahr 1227, das der → Minne-
sänger Ulrich von Liechtenstein im autobiogra-
fischen Versroman Frauendienst niederschrieb, ebenso
wie später die slowenischen Zitate in den Gedichten
des Oswald von Wolkenstein (1377–1445). Auch
wird man aus historischen Gründen → Hermannus
de Carinthia (geboren um 1111), der von Cluny bis
Spanien wirkte und sich mit dem Koran befasste, in der
slowenischen Kulturgeschichte mitberücksichtigen.
Aus kulturologischer Sicht können auch die früh-
mittelalterlichen oder stammesrechtlichen Rechts-
institutionen (→ Fürsteneinsetzung, →
Edlinger/
kosezi), die weit ins Hochmittelalter reichen, insbeson-
dere mit dem rechtshistorischen Erklärungsmodell des
→ Personalitätsprinzip verstanden werden, weil sie
mit dem bereits entwickelten Feudalsystem nicht kon-
kordant waren. Ebenso können neuere Entwicklungen
in Staats- und Gesellschaftswesen ohne die voraus-
gehenden historischen Abläufe nicht erklärt werden
(→ Dialektgruppen, → Protestantismus, → Trubar,
→ Dalmatinbibel, →
Revolutionsjahr 1848, →
Zedin-
jena Slovenija).
Allgemein literaturüblich wird nunmehr eine
→ Kontinuität zwischen spätantikem Norikum, dessen
Kirchenprovinzen und dem Fürstentum Karantanien
angenommen (→ Terminologie, christliche ; → Altla-
dinisch ; → Walchen ; → Tabula peutingeriana). Ebenso
ist die rechtliche, sprachliche und »ethnische« Konti-
nuität zwischen Karantanien bzw. dessen, wie Stefan
Eichert sie hic loco nennt, slawischer »Staatssprache«
mit den staatsrechtlichen Epochen danach ein plausib- les und logisches Erklärungsmodell für die kulturhisto-
rischen Prozesse. Deshalb ist für die slowenische Kul-
turgeschichte auch die Phase seit der Besiedelung Ende
des 6. Jh.s (→ Innichen) und der Festigung des Für-
stentums Karantanien und seiner →
duces Carantano-
rum, der → carmulae, über den → Ljudevit-Aufstand
und der Einführung der Grafschaftsverfassung relevant.
Denn sie zeitigte in der Folge aufgrund des → Dialekt-,
Siedlungs- und Rechtskontinuums über die Errichtung
des Herzogtums Kärnten/Koroška 976 hinaus Nach-
wirkungen, was sich auch in der kulturellen Entwick-
lung des Landes spiegelte.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die slowenische
→ Ethnogenese nicht wie in Frankreich linear verlief,
wo das Staatswesen – abgesehen von den lange Zeit
diskriminierten Regionalsprachen – eine Staatsnation
und das Konzept des modernen Nationalstaates (Etat-
nation) hervorbrachte. Die Ethnogenese der Slowenen
ist seit früher Zeit von zahlreichen politischen Ver-
änderungen und territorialen Teilungen und Brüchen
gekennzeichnet (→ Karantanien, → Karantanische
Mark, → Kärnten/Koroška, → Innerösterreich, → Il-
lyrische Provinzen). Trotz der gleichen Sprache führten
diese zu vielfachen regionalen, territorialen und staat-
lichen (Parallel-)Identitäten und Selbstbezeichnun-
gen (→ Name und Identität). Lediglich zu Kroatien
und insbesondere zum Kajkavischen hin (→ Wiener
Schriftsprachen-Abkommen) führten frühe historische
Grenzen verschiedener Staatswesen zur Heranbildung
unterschiedlicher nationaler Identitäten trotz des Di-
alektkontinuums der südslawischen Sprachen insge-
samt. Unbeirrt davon legte Trubar sein protestanti-
sches Wirken überregional an, indem er den gesamten
slowenischen Sprachraum einbezog (→ Protestantis-
mus, → Agoritschach/Zagoriče, → Dalmatinbibel)
und apostrophierte seine Landsleute mit »moji liubi
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Volume 1: A – I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1942
- Volume
- 1: A – I
- Authors
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Size
- 24.0 x 28.0 cm
- Pages
- 542
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Geleitwort von Ana Blatnik, Präsidentin des Bundesrates (Juli – Dezember 2014) 7
- Spremna besede Ane Blatnik, predsednice državnega sveta (julij – december 2014) 8
- Geleitwort von Johannes Koder 9
- Vorwort der Herausgeberin und des Herausgebers 11
- Einleitung – slowenische Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška 15
- Alphabetische Liste der AutorenInnen/BeiträgerInnen im vorliegenden Band 38
- Verzeichnis der Siglen 40
- Verzeichnis der Abkürzungen und Benutzungshinweise 46
- Editoriale Hinweise 51
- Lemmata Band 1 A – I 55