Page - 65 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Volume 1: A – I
Image of the Page - 65 -
Text of the Page - 65 -
65
Adelssprache
Valtunc oder Etgar u. a.) war auch nach der An-
nahme der fränkischen Oberhoheit weiterhin das ein-
heimische Idiom. Die Legende des karantanischen, aus
→ Millstatt/Milštat (Milje) stammenden hl. → Do-
mician ist ebenfalls ein Hinweis auf die gesellschaft-
liche Stellung des einheimischen Adels. Die mit der
→ Christianisierung (ab Mitte des 8. Jh.s) im Zuge
der →
iro-schottischen Mission unternommene Überset-
zung von →
Bibel-Texten, wie sie mit den Mitte des
9. Jh. entstandenen und in der zweiten Hälfte des 10.
bzw. in der ersten Hälfte des 11. Jh.s niedergeschrie-
benen →
Freisinger Denkmälern dokumentiert ist
(vgl. Kronsteiner hic loco), deutet auf die Relevanz
sowie auf die gesellschaftliche Bedeutung des → Ka-
rantanerslowenischen/→
Altslowenischen und auf die
gesellschaftliche und rechtliche Kontinuität in einer
Zeit hin, die nicht ethno-national bestimmt war (→ In-
kulturation ; zur Rolle des karantanischen Adels bei
der Christianisierung vgl. auch →
St. Peter am Bichl/
Šentpeter na Gori). Die →
Verbrüderungsbücher geben
weiters Hinweis auf die gesellschaftliche Stellung der
darin genannten Karantaner bzw. Slowenen. Allerdings
weist Mitterauer auf das Phänomen hin, dass der
karantanische Adel sehr rasch bairische Namen über-
nommen habe, wobei Angehörige der slawischen Ober-
schicht weiterhin als solche identifiziert werden können
(→ Zweinamigkeit, mittelalterliche) : So nennt etwa
Mitterauer den Grafen Moimir (vor 927/28) oder
einen Zwentibolch, der 898 umfangreiche Schen-
kungen im Gurktal (Krška dolina) und in Zeltschach
sowie später die Herrschaften Mettnitz (Motnica)
und Grades (Gradež) zu eigen erhielt und der in der
Ahnenreihe der → Hemma von Gurk steht († um
1045). Slowenisch in seiner älteren Form (→ Altslo-
wenisch) war de facto → Landessprache im weitesten
Sinn zu Zeiten des Arnulf von Kärnten (850–899).
Hemma von Gurk, die bei den Slowenen unter dem
Namen (H)Ema Krška als slowenische Heilige gilt,
zählt zu jenen Angehörigen des alten slawisch-sloweni-
schen Adels, den auch Chritstine Tropper in → Sankt
Georgen am Längsee (Šentjurij na Dolgem jezeru) hic
loco identifiziert. Abt → Johann von Viktring weist
in seinem Liber certarum historiarum (1340–1343) da-
rauf hin, dass nicht nur der Inthronisierungsritus der
Fürsten bzw. → Herzöge auf Slowenisch war, sondern :
»Außerdem ist, wer immer Klage führt, hinsichtlich
des Kaisers verpflichtet, in slowenischer Rede, wie sie
hier üblich ist, und nicht in einer anderen Sprache, zu
antworten.« Jakob → Unrest führt in seiner »Kärnt- ner Chronik« (Chronicon Carinthiacum) 1490 Gleiches
an : »von Allter haben all Hertzogn von Kernndtn die
Freiheit gehabt, wann sy vor ainen Romischn Khayser
oder Kunig verklagt sind word, oder angesprochen, so
habn sy sich in windischer Sprach verantwurt. Darumb
das Kerndten ain rechts Windisch Landt ist« (zitiert
nach Mal, vgl. auch → Herzöge von Kärnten/Koroška).
Aufgrund des → Personalitätsprinzips ist davon auszu-
gehen, dass der Stand der kosezi aufgrund seiner mili-
tärischen und politischen Prärogative aus fränkischer
Sicht zunächst als Feudalstand sui generis angesehen
wurde, der über die Jahrhunderte den Wandel der ein-
heimischen slawischen/karantanischen und schließlich
slowenischen Sprache mit vollzog, wobei die Vertreter
des Standes mit der Zeit nur in geringerem Maße zu
Ministerialen und in den niederen Adelsstand aufstie-
gen. Neben dem Herzogbauern in Blasendorf/Blažnja
vas bildeten nach Wadl in der Gemeindechronik von
Magdalensberg/Štalenska gora etwa die Edlinger in
Portendorf/Partovca und drei weitere Geschlechter in
diesem Gebiet eine Ausnahme. (Vgl. dazu → Edlinger-
dienste und → Edlingergerichtsbarkeit im Gemeinde-
gebiet von Magdalensberg/Štalenska gora).
Aus den spärlichen und sporadischen Berichten, etwa
jenen des Ulrich von Liechtenstein († 1276), ist
ersichtlich, dass das Slowenische in Kärnten/Koroška
auch eine Alltagssprache des hohen Adels war bzw.
durchaus noch in einer staatstragenden Funktion ge-
sehen werden kann (→ Landessprache). So begrüßte
Herzog Bernhard von Kärnten und sein Gefolge
am 1. Mai 1227 bei Thörl/Vrata den als Venus verklei-
deten Ulrich von Liechtenstein mit den sloweni-
schen Grußworten → Buge waz primi, gralva Venus. In
diesem Kontext ist auch die Präsenz des Slowenischen
bei den an den Höfen wirkenden → Minnesängern zu
erwähnen, so etwa bei Oswald von Wolkenstein
(1377–1445).
Die → Goldene Bulle aus 1356 des Kaisers Karl IV.
und böhmischen Königs, der mütterlicherseits aus dem
böhmisch-tschechischen Geschlecht der Přemysliden
war, ist – neben der vornehmlichen staatsrechtlichen
Dimension – auch sprachhistorisch und sprachpoli-
tisch von Bedeutung. Denn es wird von der faktischen
Vielsprachigkeit des Reiches ausgegangen und von der
Notwendigkeit, dass die Kurfürsten und ihre Söhne
auch selbst mehrere Sprachen sprechen. Dabei wird im
lateinischen Original neben dem Italienischen beson-
ders Sclavica (nach Fritz wohl tschechisch, nach Mal
slawisch) hervorgehoben. Für die Habsburger selbst, die
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Volume 1: A – I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1942
- Volume
- 1: A – I
- Authors
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Size
- 24.0 x 28.0 cm
- Pages
- 542
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Geleitwort von Ana Blatnik, Präsidentin des Bundesrates (Juli – Dezember 2014) 7
- Spremna besede Ane Blatnik, predsednice državnega sveta (julij – december 2014) 8
- Geleitwort von Johannes Koder 9
- Vorwort der Herausgeberin und des Herausgebers 11
- Einleitung – slowenische Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška 15
- Alphabetische Liste der AutorenInnen/BeiträgerInnen im vorliegenden Band 38
- Verzeichnis der Siglen 40
- Verzeichnis der Abkürzungen und Benutzungshinweise 46
- Editoriale Hinweise 51
- Lemmata Band 1 A – I 55