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Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Volume 1: A – I
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Page - 69 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Volume 1: A – I

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69 Agoritschach/Zagoriče nats und am zweiten Tage der drei Hauptfeste (Weih- nachten, Ostern, Pfingsten) Gottesdienst gehalten wer- den, während sich an den übrigen Sonn- und Festtagen die Gemeindemitglieder von A./Z. zu »religiösen Ver- sammlungen« ohne Pastor trafen : In ihnen wurde nach Vätersitte aus einem in »wendischer Sprache« geschrie- benen Predigtbuch (Laibach 1578) vorgelesen und ge- betet. Ein Gemeindemitglied leitete diese Versamm- lungen und nahm diesen Lektorendienst wahr, ein Gemeindeältester, der in beiden Sprachen versiert war und auch eine deutsche Predigt des Bleiberger Pastors in einer Stegreifübersetzung vorzutragen vermochte. Ein Gebetbüchlein war ursprünglich der besondere Stolz der Gemeinde, eine Übersetzung von Jurij Dal- matin (1584) ins Slowenische, die ein Bauer auf eigene Kosten 1784 in der Druckerei Kleinmayr in Klagenfurt/ Celovec drucken ließ. Allerdings wurde diese sloweni- sche Gottesdienstpraxis sukzessive aufgegeben, weil die sprachliche →  Assimilation dermaßen fortgeschritten war. Beschleunigt wurde dies durch ein 1856 in Nürn- berg herausgegebenes Gesangbuch, das der Gemeinde geschenkt und am Kirchtag des Jahres 1856, dem 5. Sonntag der Trinitatis-Zeit (22. Juni 1856), zur Feier der Orgelweihe eingeführt wurde. Mochten sich auch alle Pastoren bemüht haben, das in A./Z. gebräuchli- che Slowenisch zu lernen, so spürt man dennoch die Unaufhaltbarkeit des Assimilierungsprozesses (→  As- similation). Von einem Pastor wird berichtet, dass er die Kinder aus A./Z. und Seltschach/Sovče in die deutsche Schule nach Arnoldstein/Podklošter mitnahm. Wollte er damit die überlieferte konservative Frömmigkeit der Gemeinde überwinden und seiner zeitgenössischen rationalistischen Theologie anpassen, so tat er es um einen hohen Preis, denn dadurch wurde der Assimilie- rungsprozess erst recht beschleunigt. So bleibt ein merkwürdig paradoxer Befund : Die slo- wenische Identität der Evangelischen in A./Z. konnte leichter bewahrt werden, solange sie als Kryptoprotes- tanten im Verborgenen ihr Glaubensleben pflegten. Die Pastorisierung durch deutsche Geistliche und der Un- terricht in deutscher Sprache beschleunigten die Assi- milation, 1878 wurde der slowenischsprachige Gottes- dienst abgeschafft. Eine schwere Krise durchlebte die Gemeinde nach dem Ersten Weltkrieg, als sie zwischen der slowenisch-katholischen und der deutschen Be- völkerungsgruppe aufgerieben zu werden drohte. Sie wandte sich an den zuständigen Senior in Trebesing und bat um die Anstellung eines »Bundesvikars«, also eines vom Evangelischen Bund finanzierten geistlichen Amtsträgers, damit die evangelische Filialgemeinde »vor ihrem Untergange« gerettet werde. In diesem Brief vom August 1918 heißt es, dass die Zahl der Evange- lischen immer mehr abnehme, weil gemischte Ehen »meist zum Vorteile des katholischen Teiles« geschlos- sen würden, dass die »slowenischkatholischen Gegner mit allen erdenklichen Mitteln« arbeiten würden, um den Untergang der Gemeinde herbeizuführen. Der Se- nior leitete den Hilferuf aus A./Z. umgehend an das zuständige Pfarramt Bleiberg (Plajberk) weiter und bat dasselbe, für eine bessere Versorgung der Filiale zu sorgen. Am besten wäre es, wenn ein Bundesvikar an- gestellt werden könnte – wie in den sogenannten »Los- von-Rom-Gemeinden«. Der Senior fügte dem die Be- merkung hinzu, dass eine Los-von-Rom-Bewegung in A./Z. kaum zu erzielen sein werde, aber dort gelte es, ein »Hin-zu-Rom« zu verhindern. Die Krise der Gemeinde wurde durch die Entwick- lung nach dem Weltkrieg noch verschärft. Zahlreiche Gemeindemitglieder wirkten im Abwehrkampf mit, etliche wanderten nach Amerika aus. Die Abnahme der Seelenzahl wurde auch anlässlich der Visitation der Gemeinde durch den Superintendenten Johannes Heinzelmann (1873–1946) am 29. März 1936 er- örtert. Er ermahnte die Gemeinde, sich der auffallend großen Zahl der katholischen Eheschließungen mit katholischer Kindererziehung bewusst zu werden und für ein Umdenken Sorge zu tragen. Nur mehr ein nebensächliches Thema der Beratun- gen war die Gottesdienstsprache, denn auf die Frage des Superintendenten, »ob ein Bedürfnis nach Abhaltung slowenischer Gottesdienste […] vorhanden sei«, wurde ge- sagt, »dass ein solches nicht bestehe«. In diesem Zusam- menhang brachte der Kurator sogar die Anfrage an den Superintendenten vor, die geeignet war, das fortge- schrittene Stadium der Assimilation zu illustrieren. Die Gemeinde sei im Besitze eines wertvollen Gebetbuches in slowenischer Sprache und frage sich nun, »ob dieses Buch um seines hohen Wertes willen verkauft werden könnte«. Der Superintendent bejahte das Anliegen, doch blieb es beim evangelischen Pfarramt Bleiberg (Plajberk) in Verwahrung, bis es nach der Gründung des Diözesanmuseums nach Fresach (Breže) gelangte. Deutlicher als durch diese Verkaufsüberlegungen konnte die Gemeinde gar nicht auf Distanz zu ihrer eigenen Geschichte und Tradition gehen. »Es felen vnns Leut, so zu dem ministerio tauglich und der windischen Sprach verständig sein«, hatte der Klagenfurter Pfarrer Martin Khnorr 1570 nach
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Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška Von den Anfängen bis 1942, Volume 1: A – I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Subtitle
Von den Anfängen bis 1942
Volume
1: A – I
Authors
Katja Sturm-Schnabl
Bojan-Ilija Schnabl
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-79673-2
Size
24.0 x 28.0 cm
Pages
542
Categories
Geographie, Land und Leute
Kunst und Kultur

Table of contents

  1. Geleitwort von Ana Blatnik, Präsidentin des Bundesrates (Juli – Dezember 2014) 7
  2. Spremna besede Ane Blatnik, predsednice državnega sveta (julij – december 2014) 8
  3. Geleitwort von Johannes Koder 9
  4. Vorwort der Herausgeberin und des Herausgebers 11
  5. Einleitung – slowenische Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška 15
  6. Alphabetische Liste der AutorenInnen/BeiträgerInnen im vorliegenden Band 38
  7. Verzeichnis der Siglen 40
  8. Verzeichnis der Abkürzungen und Benutzungshinweise 46
  9. Editoriale Hinweise 51
  10. Lemmata Band 1 A – I 55
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