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Akademija slovenskih bogoslovcev v Celovcu
die Pflege und Förderung der Liebe zur → Mutterspra-
che in der Tradition von Slomšek und Einspieler
sein sollte. Die slowenische A. zählt zwar zu den natio-
nal defensiven Vereinigungen, war jedoch nicht im sel-
ben Maß national aggressiv wie ihr deutsches Pendant.
Bereits im November 1888 wurde beschlossen, die
handschriftliche Zeitschrift → Bratoljub zu gründen,
die in der Tradition der Vorgängerblätter stehen würde.
Die slowenische Sprache wurde vor allem im Rahmen
von Akademiestunden geübt, in denen verschiedene
Themen mit Bezug zu den Slowenen und ihrer Ge-
schichte im Vordergrund standen. Besonders wurde
mit Vorträgen und in darauf folgenden Diskussionen
die Liebe zur Muttersprache, zu den Slowenen und zur
Religion betont, es fehlten aber auch nicht andere, z. B.
soziale oder wirtschaftliche Themen. Zudem nahmen
die slowenischen Priesterseminaristen an Sommerstu-
dientreffen teil, wo sie aktiv mit Referaten und bei der
Organisation mitwirkten. Sie pflegten aktiv Kontakte
zu slowenischen Schülern an verschiedenen Mittel-
schulen in Kärnten/Koroška. Stets suchten sie auch
den Kontakt mit ähnlichen Vereinen und Aktivisten
im weiteren slowenischen ethnischen Gebiet. In der
Öffentlichkeit trat die A. zu Beginn des Studienjahres
und bei Abschlussveranstaltungen in Erscheinung so-
wie im Rahmen von feierlichen Akademien, wo sie ihre
Tätigkeiten vorstellte. In den 90er-Jahren des 19. Jh.s
begann im Rahmen der A. auch der Chor Pobratimija
zu wirken, am Ende des Jh.s auch der erste slowenische
Tamburizzachor in Kärnten/Koroška, der vor allem bei
Feierlichkeiten und Veranstaltungen der A. und des Se-
minars auftrat (→ Chorwesen, → Tamburizzamusik).
Die A. wurde vom Vorstand (načelništvo) geleitet, der
sich aus einem gewählten Präsidenten sowie einem Se-
kretär, einem Kassier und einem Bibliothekar zusam-
mensetzte, die auf Vorschlag des Präsidenten gewählt
wurden. Später gesellte sich zum Vorstand noch der
Redakteur des Bratoljub sowie der Chorleiter des Pob-
ratimija. Der Vorstand traf monatlich zusammen. Ende
des 19. und zu Beginn des 20. Jh.s spiegelt sich der
verschärfte Nationalitätenkampf auch im Wirken der
Seminaristen wider. Bis zum Beginn des Ersten Welt-
krieges hatte die A. regelmäßig mehr als 20 Mitglieder,
danach wurde diese Zahl nur noch ausnahmsweise in
den Jahren unmittelbar vor dem Zweiten Weltkrieg
übertroffen.
Eine Folge der Aktivität der slowenischen Semina-
risten im Rahmen der A. war, dass sich diese in den
schicksalshaften Momenten des Landes für den An- schluss zum Königreich SHS (→
Jugoslawien) aus-
sprachen und dort mehr Sicherheit für die Slowenen
sahen als in der Republik Deutsch-Österreich. Folge
dessen war die Verfolgung und →
Vertreibung zahl-
reicher slowenischer Priester im Zuge bzw. nach der
→ Volksabstimmung 1920 (→ Militärgerichte). Der
Erste Weltkrieg, die fortschreitende → Germanisie-
rung und der Liberalismus führten zu einem starken
Rückgang der Priesterkandidaten allgemein und so-
mit auch der Mitglieder der A., die 1921 wieder ihre
Tätigkeit in ähnlicher Weise wie zuvor aufnahm. Die
Aktivitäten wurden durchgehend von slowenischen
Priestern in Kärnten/Koroška getragen. Die A. brachte
slowenische Priester hervor, die vielfach die sloweni-
sche geistige und teilweise auch die slowenische poli-
tische Elite an der Spitze der slowenischen kulturellen
und politischen Organisationen bildeten (→ Katoliško
politično in gospodarsko društvo za Slovence na Koroškem,
Rudolf → Blüml ; Janez → Starc). Die slowenische
Priesterschaft setzte so ein Gegengewicht zum Prozess
der → Assimilation und gewaltsamen Germanisierung,
der ohne sie noch viel rascher vonstattengegangen wäre.
Mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs stellte
die A. ihre Tätigkeit ein, die mit dem Überfall Hit-
lerdeutschlands auf Jugoslawien auch formell beendet
wurde. Da die nazistischen Machthaber 1938 das Ge-
bäude des Klagenfurter Priesterseminars am Lendkanal
beschlagnahmt hatten, musste das Seminar zunächst
nach St. Georgen am Längsee (Šentjurij ob Dolgem
jezeru) und 1943 nach Gurk (Krka) ausweichen. Dort
nahm die slowenische A. ihre Tätigkeit im Studienjahr
1946/47 wieder auf, und zwar in ähnlicher Weise wie in
den Jahren vor dem Krieg, wobei jedoch die sloweni-
schen Seminaristen keinen Kontakt mit ihren Kollegen
aus Slowenien mehr hatten. Akademische Stunden zu
nationalen und sozialen Fragen gab es weniger. 1953
kehrte das Priesterseminar wieder nach Klagenfurt/
Celovec zurück. Die Wirkungsweise war in jener Zeit
nicht mehr so breit gestreut wie zuvor. Die Zahl der
Priesterseminaristen ging zurück und 1971 wurde das
Seminar auf Salzburg übertragen. Gegen Ende ihrer
Tätigkeit nahm die A. auch slowenische Laienpriester
auf, Kontakte wurden auch zu Priesterseminaristen
in Ljubljana gesucht. 1995 siedelten die Seminaristen
nach Graz. Mitte der 90er-Jahre des 20. Jh.s stellte die
slowenische A. formell ihre Tätigkeit ein.
Archive : ADG, MS Nr. 448 (nicht nummerierte Seiten = Sitzungs-
protokolle der Akademiestunden vom 2. 2. 1888 bis zum 30. 11.
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Volume 1: A – I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1942
- Volume
- 1: A – I
- Authors
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Size
- 24.0 x 28.0 cm
- Pages
- 542
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Geleitwort von Ana Blatnik, Präsidentin des Bundesrates (Juli – Dezember 2014) 7
- Spremna besede Ane Blatnik, predsednice državnega sveta (julij – december 2014) 8
- Geleitwort von Johannes Koder 9
- Vorwort der Herausgeberin und des Herausgebers 11
- Einleitung – slowenische Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška 15
- Alphabetische Liste der AutorenInnen/BeiträgerInnen im vorliegenden Band 38
- Verzeichnis der Siglen 40
- Verzeichnis der Abkürzungen und Benutzungshinweise 46
- Editoriale Hinweise 51
- Lemmata Band 1 A – I 55