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Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Volume 1: A – I
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Page - 118 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Volume 1: A – I

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118 Assimilation Anteil an der massiven A. der Slowenen nach 1945 hatten : der diskriminierende Umgang mit den zurück- gekehrten Deportationsopfern und Lagerinsassen, der Umgang mit den slowenischen Befreiungskämpfern (Partisanen), der Umgang mit den Daheimgebliebenen, die gesellschaftliche Umkehr der Täter-Opfer-Rollen unmittelbar nach dem Krieg und in den Jahrzehnten danach, der im Umgang mit der Schulfrage 1956–1959 seinen Ausdruck fand, die politischen, institutionellen und wirtschaftlichen Diskriminierungen, der ethnisch motivierte Verlust oder die Androhung des Verlusts des Arbeitsplatzes sowie die nicht erfolgte Entnazifizierung im Schul- und Lehrerausbildungswesen (→  Schulwe- sen) bzw. im Beamtenapparat (vgl. Wutti/Wutti 2013). So war noch zu Beginn der 70er-Jahre des 20. Jh.s Dr. Franz Koschier, Direktor des »Landes- museums von Kärnten«, gleichzeitig Vorsitzender des Kärntner Heimatdienstes, ein illegaler Nazi in der Vor- kriegszeit und hochrangiger SSler im von den Nazis besetzten Slowenien, der den öffentlichen politischen antislowenischen Diskurs maßgeblich mittrug (vgl. Brglez : 264). Hinzu kommen die ideologisch begrün- dete Tabuisierung des Begriffs Slowene/slowenisch in Gesellschaft, Medien und in der Wissenschaft bzw. die Reduktion des Gebrauchs des Begriffs im Zusammen- hang mit negativ besetzten politischen Forderungen sowie die öffentliche Verwendung einer →  Termino- logie, die das Slowenische aus dem kollektiven Be- wusstsein drängte, so die zu hinterfragenden Begriffe →  Zweisprachigkeit, →  Gemischtsprachig, →  Win- disch u. Ä. (Kärntner →  Zweisprachigkeitsideologie ; →  »Entethnisierung«). Diese allgegenwärtigen, sich in ihrer menschenrechtsverachtenden Haltung gleichen- den Erscheinungen, Wutti/Wutti sprechen von »Traumata perpetuierenden Sequenzen«, führten zu einer immer wiederkehrenden Bestätigung der trau- matischen Erlebnisse, zu einem weiteren Verlust der Zukunftsvision und folglich zu einer nachhaltigen und umso tieferen kollektiven existenziellen Traumatisie- rung. Und diese muss als Form der tiefen posttrauma- tischen Belastungsstörung (PTBS) gewertet werden. Als kollektiver Ausweg aus dieser gesellschaftlich und individuell untragbaren existenziellen Stresssituation wurde in der Öffentlichkeit die A. gleichsam suggeriert. Psychoanalytische Aspekte von Assimilation. Die A. der Slowenen in Kärnten/Koroška wurde nach der Rückkehr der Deportations- und KZ-Opfer bzw. nach Kriegsende für jene, die die Nazigreuel vor Ort überlebt und unterschiedlichsten Generationen ange- hört hatten, zu einem durchwegs kollektiven Phäno- men in Verbindung mit PTBS. Dabei weist Marija Jurič-Pahor (2004) vom psychoanalytischen Stand- punkt auf die Langzeitwirkung traumatischer Erfah- rungen der nationalsozialistischen Verfolgungen hin, da die Opfer eines existenziellen Traumas (sei es ein- malig, kurzzeitig oder kumulativ und langzeitig) dieses gleichsam unmittelbar verdrängen müssen, um ihre In- tegrität zu bewahren (Dissoziation). Auf das Konzept eines kollektiven Charakters der Identität aus psychoanalytischer Sicht weist Arthur B. Mitzman hin. Nach Mitzman (1998) kann sich Identität durch einschneidende Ereignisse wie etwa Katastrophen oder aber evolutionär verändern. Dabei sah »das Endergebnis eines Identitätswandels jedoch [stets so aus], dass die frühere Mentalität, die bei der Ausbildung von Normen und Werten in den individu- ellen Ichs als Über-Ich fungierte, nach ihrer Auflösung und Unterdrückung mit dem assoziiert wurde, was die Psychoanalyse vielleicht als Es-Impulse bezeichnen würde. Jedenfalls wurden die älteren Glaubenssysteme, wo es sie noch gab, theologisch gesprochen in der Un- terwelt des Glaubens angesiedelt, mit Assoziationen an das Böse und den Teufel.« Die Verdrängung und Verneinung der emotional stark behafteten →  Mutter- sprache kann mit der beschriebenen Verdrängung eines Glaubenssystems verglichen werden. Wird die (Mut- ter-)Sprache verdrängt, die ein wesentlicher Träger der frühesten kindlichen emotionalen Persönlichkeitsbil- dung ist, kommt dies einer Zerstörung eines wesent- lichen Teils der tiefsten Identität gleich und das muss gleichsam überkompensiert werden. Die massiv auftretende kollektive A. in Kärnten/Ko- roška stellt einen derartigen traumatischen Identitäts- wechsel dar, der von den Eltern/den →  Assimilanten zudem tabuisiert werden musste, da, analog zu den von Bohleber (1998) beschriebenen Nazi-Tätern und -Mit- läufern, »[u]nerträglicher Zweifel an sich selbst und an den eigenen Idealen […] zum Zusammenbruch, zu de- pressiver Entleerung und Selbstanklage geführt [hätte], wenn sie zugelassen worden wären«. Und diese Tabuisie- rung hatte umso tiefer greifende Auswirkungen, als sie ein massives gesellschaftliches Phänomen darstellte, wo der Einzelne keine gesellschaftlich relevanten relativie- renden Modelle in der Politik und in den Medien mehr vorfand (→  Assimilationszwang) (eben im Unterschied zur Nachkriegssituation in den oben erwähnten Gebie- ten in Slowenien/Jugoslawien). Zudem wurden A. und Tabuisierung generationenübergreifend relevant, weil ei-
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Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška Von den Anfängen bis 1942, Volume 1: A – I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Subtitle
Von den Anfängen bis 1942
Volume
1: A – I
Authors
Katja Sturm-Schnabl
Bojan-Ilija Schnabl
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-79673-2
Size
24.0 x 28.0 cm
Pages
542
Categories
Geographie, Land und Leute
Kunst und Kultur

Table of contents

  1. Geleitwort von Ana Blatnik, Präsidentin des Bundesrates (Juli – Dezember 2014) 7
  2. Spremna besede Ane Blatnik, predsednice državnega sveta (julij – december 2014) 8
  3. Geleitwort von Johannes Koder 9
  4. Vorwort der Herausgeberin und des Herausgebers 11
  5. Einleitung – slowenische Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška 15
  6. Alphabetische Liste der AutorenInnen/BeiträgerInnen im vorliegenden Band 38
  7. Verzeichnis der Siglen 40
  8. Verzeichnis der Abkürzungen und Benutzungshinweise 46
  9. Editoriale Hinweise 51
  10. Lemmata Band 1 A – I 55
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