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Assimilationszwang
KS 21. 1. 1925
Ein A. ergab sich auch aufgrund der massiven wirt-
schaftlichen Konsequenzen, die jene, die sich dem A.
nicht unterwerfen wollten, zu tragen hatten. Vielfach
drohte ihnen der Verlust des Arbeitsplatzes, Arbeits-
losigkeit und Armut alleine aufgrund ihres Festhaltens
an der ethnischen Identität bzw. verloren die Menschen
deshalb tatsächlich den Arbeitsplatz. Vielfach war dies
auch der Grund für die →
Emigration. Anschaulich
wird dies in den wirtschaftlichen und ethnopolitischen
Diskriminierungen durch Vertreter von Behörden,
Staatsbetrieben, der Kirche und der freien Wirtschaft
(→ Deutschnationale Vereine ; → Germanisierung ;
→
Militärgerichtsbarkeit ; → Vertreibung 1920). Diese
mussten etwa die Mitglieder des → Beljaško omizje
[Villacher Kreis] über sich ergehen lassen. Ebenso ver-
anschaulichen dies die Geschichte des → Kulturver-
eines → Šentjanž sowie die zahlreichen persönlichen
Schicksale von identitätsbewussten Slowenen (vgl. etwa
Ivan → Hochmüller, Ángela → Piskernik, Jurij
→
Trunk, Franc → Aichholzer u. a.).
Um die Mitte des 19. Jh.s, noch vor dem Aufflam-
men der nationalen Frage, sind zwar noch → Abge-
ordnete slowenischer Herkunft anzutreffen, so Matija
→
Rulitz oder Jakob → Scheliessnigg, die sich al-
lerdings nicht ethnopolitisch engagierten. Später trifft
man auf wenige ethnopolitisch engagierte slowenische
→
Abgeordnete aus einem einzigen → Wahlkreis, in
dem sie reale Chancen hatten, gewählt zu werden – so
Andrej und Gregor → Einspieler, Franc → Gra-
fenauer, Franz → Muri oder später Vinko →
Pol-
janec, Franc → Petek, Janez → Starc und Ferdo
→
Kraiger. Einziger österreichisch-ungarischer Mi- nister und bekennender Slowene war Ivan → Žolger
kurz vor dem Ende der Monarchie. Identitätsbewusste
Kulturaktivisten sind vor allem in autonomen Organi-
sationen zu finden, so in der → Kmečka zveza [Bauern-
bund] und in der → Koroška slovenska stranka [Kärnt-
ner Slowenische Partei] (so Mirko →
Kumer, Johann
→ Millonig, Johann → Schnabl, Matija → Vos-
pernik sowie Andrej → Sturm u. a.).
Die rechtlich-institutionelle Grundlage kann in den
die deutschsprachigen Bevölkerungsteile bevorzugen-
den →
Wahlordnungen und →
Wahlkreiseinteilungen
gesehen werden, die mittels einer ethnisch vorhersehba-
ren Wahlarithmetik das Ziel der Ungleichbehandlung
und Diskriminierung auf ethnischer Grundlage – was
an sich grundrechtswidrig war – verfolgen. Ein frühes
Zeugnis diesbezüglicher politischer Überlegungen fin-
det sich in einem Briefwechsel zwischen dem Büro des
Ministerpräsidenten Eduard Taaffe und dem Kärnt-
ner Landespräsidenten Franz Schmidt-Zabierow
zur Kandidatur des slowenischen → Landtagsabgeord-
neten Franc → Muri aus den Jahre 1887/1888. Aus
dem Büro des Ministerpräsidenten heißt es da : »Der-
selbe [Franz Muri] – dermal Landtagsabgeordneter –
soll, wenn auch Slowene, ein sehr mäßiger, ruhig den-
kender Mann sein, dessen Wahl als eine gute bezeichnet
werden müsse.« Der Landtagspräsident hebt jedoch
die Absicht der Diskriminierung hervor : »Durch die
Wahlordnung ist der zum Bezirke Klagenfurt gehörige
ganz slovenische Gerichtsbezirk Ferlach zu Villach ge-
schlagen worden, eben um die natürliche slovenische
Majorität in Völkermarkt-Klagenfurt zu alterieren.«
Durch das solchermaßen manipulierte demokrati-
sche Grundrecht bei vorhersehbaren Wahlergebnissen
(Slowenen können/werden nicht gewählt), verlieren
die slowenischen Bevölkerungsteile die Relevanz als
»Mehrheitsbeschaffer«, was strukturell die Spirale der
rechtlich bedingten Exklusion vom gesellschaftlichen
Leben verschärft, da in einer Demokratie gerade die
zukünftige Zusammenarbeit eine Grundlage für eine
Berücksichtigung potenzieller Interessen der gesell-
schaftspolitischen Partner darstellt (→ Germanisierung,
statistische). Und gerade dies wird durch die manipu-
lativen Wahlordnungen und Wahlkreiseinteilungen
ausgeschaltet, wie es in der frühkonstitutionellen Phase
das Zensuswahlrecht war, das weite Teile der Bevölke-
rung aufgrund ihrer sozialen Herkunft faktisch aus der
politischen Partizipation ausschloss (→ Oktroyierte
Märzverfassung 1849, → Dezemberverfassung 1867).
Gesellschaftlich positioniert wurde diese Konstante
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Volume 1: A – I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1942
- Volume
- 1: A – I
- Authors
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Size
- 24.0 x 28.0 cm
- Pages
- 542
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Geleitwort von Ana Blatnik, Präsidentin des Bundesrates (Juli – Dezember 2014) 7
- Spremna besede Ane Blatnik, predsednice državnega sveta (julij – december 2014) 8
- Geleitwort von Johannes Koder 9
- Vorwort der Herausgeberin und des Herausgebers 11
- Einleitung – slowenische Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška 15
- Alphabetische Liste der AutorenInnen/BeiträgerInnen im vorliegenden Band 38
- Verzeichnis der Siglen 40
- Verzeichnis der Abkürzungen und Benutzungshinweise 46
- Editoriale Hinweise 51
- Lemmata Band 1 A – I 55