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Celje
Windischgrätz zurücktreten, was in jener Zeit einen
Präzedenzfall darstellte.
Bis 1910 veränderte sich das Verhältnis zwischen
deutsch und slowenisch sprechenden Einwohnern in
C. aufgrund des steigenden deutschen Drucks zu des-
sen Gunsten. Laut Volkszählung 1910 hatte C. 4.625
(66,84 %) deutschsprachige und 2.027 (29,30 %) slo-
wenischsprachige Einwohner (→ Sprachenzählung).
Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass die Deut-
schen C. als »ihre« Stadt betrachteten. Doch verwarf
bereits Richard Pfaundler diese These, der auf der
Grundlage der Volkszählungsergebnisse von 1900 die
Daten statistisch mit den Geburtsorten der Einwoh-
ner von Celje (wie auch von Maribor und Ptuj) abglich.
Nachdem er die Einwohner auf der Grundlage der
Umgangssprache in eine deutsche und in eine slowe-
nische Gruppe einteilte, kam er zu dem Schluss, dass
30,71 % der Einwohner von C. im deutschsprachigen
Gebiet geboren waren und 59,29 % im slowenischen
Sprachgebiet. Auf der anderen Seite verwarf auch die
slowenische → Geschichtsschreibung die These eines
»Deutschen Cilli« aufgrund von Untersuchungen über
die ethnische Herkunft der Einwohner und bestätigte
so, dass noch 1910 die Einwohner mehr als zur Hälfte
in slowenischen Orten geboren und zum Zeitpunkt der
Zuwanderung Slowenen waren.
Anzuführen ist, dass die nationalen Spannungen
insbesondere nach der Volkszählung 1910 stiegen. Der
slowenische politische Verein Naprej [Vorwärts] hatte
bereits im November 1909 eine private Volkszählung
begonnen und betonte gleichzeitig in einer starken
Agitation, dass die →
Umgangssprache die → Mutter-
sprache sei. Die Aktivitäten des Vereins beeinflussten
wesentlich die Ergebnisse der offiziellen Volkszählung
in C., da der Anteil der Bevölkerung mit slowenischer
Umgangssprache im Vergleich zum Jahr 1900 um fast
8 % stieg. Trotzdem hatte die deutsche Seite noch we-
sentlich mehr Möglichkeiten, Einfluss auf das Ergeb-
nis auszuüben, was sie auch tat. Deshalb erwogen die
slowenischen Untersteirer, nachdem die Ergebnisse in
→
Trieste/Trst/Triest und in → Gorizia/Gorica/Görz
für ungültig erklärt worden waren, auch die Ergebnisse
in den Städten und Märkten der slowenischen Steier-
mark/Štajerska anzufechten. Doch kam es dort nie zu
bedeutenderen Korrekturen.
Das Ende des Ersten Weltkrieges 1918, insbeson-
dere der neue staatspolitische Rahmen und die neuen
politischen Verhältnisse, veränderten das Leben in C.
grundlegend. Die Zahl der Deutschen fiel wegen der Auswanderung, der veränderten statistischen Zähl-
kriterien (statt der Umgangssprache wurde nun die
→ Muttersprache erhoben) und wegen der »Reassimi-
lierungs-Politik« der slowenischen politischen Führung
bis 1921 auf 859 (11,07 %) und bis 1931 auf 449 (5,91
%). Trotzdem blieben diese sozial gut organisiert und sie
kontrollierten noch immer den Großteil der Industrie
und des Kapitals sowie ca. 40 % aller Wohnhäuser und
sonstiger Gebäude in der Stadt. Sie versammelten sich
im Kulturbund und gaben die vierzehntägig erschei-
nende Deutsche Zeitung heraus. Obwohl sich die nati-
onalen Gegensätze aus der Zeit vor dem Ersten Welt-
krieg beruhigt hatten, war die deutsche → Minderheit
mit ihrer Lage in C. trotzdem unzufrieden. Deshalb
verfolgten ihre Mitglieder mit großem Wohlwollen
den Aufstieg der Nazis in Deutschland und begeister-
ten sich 1933 über Hitlers Regierungsmacht. Mit Ei-
fer begrüßten sie den → »Anschluss« Österreichs und
zeigten offen ihre irredentistische Ausrichtung.
C., nach 1918 neben Ljubljana und Maribor das
dritte Wirtschafts-, Verkehrs- und Kulturzentrum
des jugoslawischen Slowenien, war nach Ende des
Krieges auch attraktiv für Migranten aus Kärnten/
Koroška (→ Vertreibung 1920). Nach dem Ersten
Weltkrieg sollen sich nach Schätzungen mehrere Hun-
dert Kärntner Emigranten in C. und dessen näherer
Umgebung niedergelassen haben, darunter auch einige
Büchsenmacher aus → Ferlach/Borovlje. Unter den
bekanntesten Emigranten aus Kärnten/Koroška waren
Julij →
Felaher, der von April bis September 1938
in der örtlichen Staatsanwaltschaft beschäftigt war,
France →
Kotnik, ab 1933 Leiter der → Mohorjeva
družba in C., Ivan Likar, Leiter des städtischen Ver-
waltungsgerichtes, Janko Rebernik, Primarius, u. a.
Die Kärntner Zuwanderer trafen sich häufig im infor-
mellen Kreis.
Am 14. Oktober 1928 wurde in C. im Rahmen des
Kongresses der kärntnerslowenischen Emigranten der
→ Klub koroških Slovencev [Klub der Kärntner Slowe-
nen] gegründet. Sitz und Zentralausschuss waren in
Ljubljana, einer der Zweigvereine wirkte auch in C.,
dessen Wirkungsbereich auf den Kompetenzbereich
des Bezirksgerichtes von C. begrenzt wurde. Die Teil-
nehmer am Kongress nahmen auch eine Resolution
an, in der sie auf die schlechten und »beängstigenden«
Schulverhältnisse in Kärnten/Koroška hinwiesen und
eine Reziprozität gegenüber den Deutschen in → Ju-
goslawien forderten. In C. fanden auch die alljährlichen
Hauptversammlungen des Klubs statt.
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Volume 1: A – I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1942
- Volume
- 1: A – I
- Authors
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Size
- 24.0 x 28.0 cm
- Pages
- 542
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Geleitwort von Ana Blatnik, Präsidentin des Bundesrates (Juli – Dezember 2014) 7
- Spremna besede Ane Blatnik, predsednice državnega sveta (julij – december 2014) 8
- Geleitwort von Johannes Koder 9
- Vorwort der Herausgeberin und des Herausgebers 11
- Einleitung – slowenische Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška 15
- Alphabetische Liste der AutorenInnen/BeiträgerInnen im vorliegenden Band 38
- Verzeichnis der Siglen 40
- Verzeichnis der Abkürzungen und Benutzungshinweise 46
- Editoriale Hinweise 51
- Lemmata Band 1 A – I 55