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Dialektologie
rischen Dialekten. Sreznevskij beschreibt auch die
Grenze des slowenischen Sprachraums, wobei damals
auf der Windischen Höhe und nördlich des Wörther
Sees noch slowenisch gesprochen wurde (→ Ossiacher
Tauern und Moosburger Hügelland/Osojske Ture in
Možberško gričevje). Fast gleichzeitig erschien in Za-
greb Urban → Jarniks Abhandlung Obraz slovenskoga
narěčja u Koruškoj, wo dieser als Erster verschiedene
Merkmale beschreibt, welche die Kärntner Dialekte
vom übrigen Slowenischen trennen. Jarnik hatte darü-
ber schon dreißig Jahre zuvor mit Kopitar und Johann
Nepomuk → Primitz korrespondiert. Er nannte auch
erstmals die Anzahl von Sprechern der verschiedenen
Dialekte. Die Merkmale, die Jarnik zufolge das ganze
Kärntnerslowenische kennzeichnen, sind der bilabiale
w-Laut an jenen Stellen, wo das Zentralslowenische ein
l aufweist (wie schon Bohorič beobachtet hatte), ein l
wie in zemla ›Erde‹, für zentralslowenisches lj, und die
Diphthonge uo/ue, wie in Buog/Bueg ›Gott‹, und ie, wie
in sviet ›Welt‹. Er erwähnt auch Merkmale der einzelnen
Dialekte, z. B. die Erhaltung der Konsonantengruppe dl
im Gailtaler Dialekt, wie in motovidlo ›Haspel‹, und die
Wandlung von g zu h im Rosentaler Dialekt und teil-
weise auch im Jauntaler Dialekt, wie in hora ›Berg‹.
Nach den erwähnten Aufsätzen von Sreznjevskij
und Jarnik publizierte Johann → Scheinigg ver-
schiedene Abhandlungen über den Rosentaler Dialekt
unter den Titeln Obraz rožanskega razrečja na Koroškem
(Klagenfurt/Celovec 1881 und 1882) und Die Assi-
milation im Rosenthaler Dialect. Ein Beitrag zur kärn-
tisch-slovenischen Dialectforschung (Klagenfurt/Celovec
1882). Scheiniggs Lebenswerk Narodne pesni koroških
Slovencev (Ljubljana 1889) enthält reiche Daten über
alle Kärntner Dialekte. Im selben Zeitraum sammelte
der slowenische Slawist Vatroslav → Oblak in ganz
Kärnten/Koroška, aber besonders im →
Jauntal/Pod-
juna, dialektologische Daten. Oblak veröffentlichte
diese Daten nie, weil er schon im Alter von 32 Jah-
ren verstarb, doch findet sich reiches Material in sei-
ner Arbeit Zur Geschichte der nominalen Declination im
Slovenischen (Archiv für Slavische Philologie 11–13,
1888–1891). Auf Grundlage des Werkes von Srezn-
jevskij, ergänzt um später erschienene Daten, verfasste
der russische Slawist Timofej Florinskij Ende des 19.
Jh.s eine verbesserte Klassifizierung slowenischer Di-
alekte in seinen umfangreichen Lekcii po slavjanskomu
jazykoznaniju (Kiew 1895–1897). Die von ihm verwen-
deten Kärntner Materialien stammen von Sreznjevs-
kij, Jarnik und Scheinigg. Die Publikationen des polnischen Sprachwissen-
schafters Jan Baudouin de Courtenay, hauptsäch-
lich in Bezug auf den in Italien gesprochenen slowe-
nischen → resianischen Dialekt (rezijanščina), leiteten
eine neue Epoche für die slowenische D. ein. Die erste
Beschreibung eines kärntnerslowenischen Dialekts, die
den heutigen wissenschaftlichen Kriterien entspricht,
stellt Ivan → Grafenauers Schrift Zum Accente im
Gailthalerdialekte (Berlin 1905) dar.
In den Beschreibungen des 19. Jh.s fehlten die Into-
nationsunterschiede der kärntnerslowenischen Dialekte.
Scheinigg, wie Jarnik vor ihm, war sich bewusst,
dass es Wörter gibt, die nur durch Intonationsunter-
schiede differenziert werden können, aber er notierte
sie nicht. Zwar erkannte Stanislav Škrabec bereits
Ende des 19. Jh.s Intonationsunterschiede in den zen-
tralslowenischen Dialekten, aber erst Grafenauer
integrierte die Akzentologie völlig in die Kärntner D.
Seine Beschreibung der Phonologie und des Akzent-
systems des westlichen Gailtaldialekts ist auch heute
noch maßgebend. Grafenauer trug auch Dialektmate-
rial aus Vorderberg/Blače im → Gailtal/Ziljska dolina
zusammen, das aber nie veröffentlicht wurde und heute
in Ljubljana aufbewahrt wird.
In der ersten Hälfte des 20. Jh.s brachte Fran
→ Ramovš die slowenische D. zu vollem Wachstum.
In vielen seiner Publikationen spielen die slowenischen
Dialekte, einschließlich der kärntnerslowenischen, eine
große Rolle. 1931 verbesserte er die Klassifizierung
slowenischer Dialekte von Sreznjevskij für seine
Dialektološka karta slovenskega jezika, wo er erstmals die
sechs bis heute gültigen slowenischen Dialektgruppen
in Kärnten/Koroška definierte. Ramovš führte den
→ Obir-Dialekt (obirko narečje) ein, den er auf seiner
Karte noch Remschenig-Dialekt (remšeniško narečje)
nannte. Seine bedeutendste dialektologische Leistung
ist die Monografie Historična gramatika slovenskega
jezika VII. Dialekti (Ljubljana 1935). Darin beschrieb
er lautliche und morphologische Eigenschaften aller
kärntnerslowenischen Dialekte sowie manche einzeldi-
alektale Merkmale. Einige der besonderen dialektalen
Erscheinungen sind die Bildung der Zahlwörter von 40
bis 90 mit dem Element -red, wie in petred ›fünfzig‹ ; der
Erhalt des n in mesenz ›Monat‹ und in ähnlichen Wör-
tern ; die Nasalvokale im Jauntaler Dialekt ; die Kon-
traktion in den Wörtern für ›meine‹, mwa, und ›deine‹,
twa im Gailtaler Dialekt ; und die Wandlung von k zum
glottalen Verschlusslaut im Rosentaler Dialekt, wie in
qral ›König‹. Bei der Besprechung der Wandlungen der
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Volume 1: A – I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1942
- Volume
- 1: A – I
- Authors
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Size
- 24.0 x 28.0 cm
- Pages
- 542
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Geleitwort von Ana Blatnik, Präsidentin des Bundesrates (Juli – Dezember 2014) 7
- Spremna besede Ane Blatnik, predsednice državnega sveta (julij – december 2014) 8
- Geleitwort von Johannes Koder 9
- Vorwort der Herausgeberin und des Herausgebers 11
- Einleitung – slowenische Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška 15
- Alphabetische Liste der AutorenInnen/BeiträgerInnen im vorliegenden Band 38
- Verzeichnis der Siglen 40
- Verzeichnis der Abkürzungen und Benutzungshinweise 46
- Editoriale Hinweise 51
- Lemmata Band 1 A – I 55