Page - 277 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Volume 1: A – I
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Duces Carantanorum
Zu Cheitmars Zeiten, unter Bischof → Virgil
(† 784) von Salzburg und dem dux Baivariorum Tas-
silo, ging → Modestus († 763) mit den Priestern
Watto, Reginbertus, Cozharius und Latinus
als Bischof episcopus missus zu den duces Carantanorum.
Er weihte dort die Kirchen sanctae Mariae (→ Maria
Saal/Gospa Sveta), in Liburnia (Teurnia/St. Peter im
Holz/Šentpeter v Lesu im Lurnfeld/Lurnško polje),
ad Undrimas (Ingering bei Seckau) und andere mit
St. Peter-Patrozinium, die möglicherweise schon als
frühchristliche Kirchen (Urpfarren) bestanden. Nach
seinem Tod schickte Salzburg wegen der → carmula
längere Zeit nur Priester. Die nächsten episcopi sclavo-
rum in Karantanien waren Theoderich, Otto und
Osbaldus/Hosbaldus († 863).
Die Namen der baivarischen duces Otilo und Tas-
silo sind ladinisch (Sentimentalformen zu Oto und
Tasso ; nicht wie literaturüblich »westgermanisch«).
Theuto, ein in mehreren Sprachen verbreiteter → Per-
sonenname, ist sprachlich nicht exakt zuzuordnen. Ety-
mologisch geht er auf alteuropäisch teut- »Volk« zurück.
Die Namen der karantanischen duces sind slawisch/
slowenisch. Ungewöhnlich sind Cacatius (offenbar der
awarische Zweitname zu Carastus/Gorazd) und Etgar.
Etgar ist weder bei den Baiern, Alemannen noch bei
anderen Germanen üblich. Der Name könnte identisch
sein mit dem Otker Radoslav in der Inschrift der Kirche
→
St. Peter am Bichl/Šentpeter na gori (→ Archäo-
logisches Bild von Kärnten/Koroška im Mittelalter),
Aotachar (im Salzburger →
Verbrüderungsbuch) und
dem Namen der von den Salzburgern unter Pribina
eingeweihten Kirche Otachareschirichun, nämlich Ota-
kar (heute tschechisch otakárek »Schwalbenschwanz«
als Name eines Schmetterlings, davon der → Perso-
nenname Otakar/Ottokar). Albarius und Pabo könnten
ladinisch sein, Helwinus bairisch oder auch ladinisch
(Albinus). Namen der herrschenden Schicht erlauben
allerdings keine Schlüsse auf die Sprache der Benann-
ten. Die späteren (nach 976) duces des Herzogtums
Kärnten/Koroška mit germanischen/bairischen Namen
sprechen alle (auch) → windisch/slowenisch.
Der steirische → Minnesänger Ulrich von Liech-
tenstein († 1276), als Venus verkleidet, wurde
vom Landesfürsten auf Windisch/Slowenisch begrüßt :
→ Buge waz primi, gralva Venus [Gott zum Gruß, kö-
nigliche Venus]. Die bekannte →
Fürsteneinsetzung
auf dem → Fürstenstein/knežji kamen in → Karnburg/
Krnski Grad fand beim Herzogstuhl (Fürstenstuhl) auf
dem → Zollfeld/Gosposvetsko polje unter »windischen Gesängen«, ebenfalls auf Windisch/Slowenisch statt
(von den Anfängen bis 1414, später auch auf Bairisch).
Mehrsprachigkeit war damals undiskutierte Normalität.
Sagenumwoben bleibt die Gestalt des dux Domi-
tianus (→ Domitian von Millstatt). Er gilt als
Begründer der Kirche fundator huius ecclesiae und des
Stiftes → Millstatt (Milštat/Milje), wo er begraben
ist (Grabinschrift). Da er in der → Conversio nicht
unter diesem Namen genannt ist und ein lateinischer
Name für einen Fürsten Karantaniens ungewöhnlich
wäre, bleibt die Möglichkeit, ihn aus zeitlichen Grün-
den mit dem dux Waltunc/Vladyka, dem vierten
der bekannteren duces, zu identifizieren. Es könnte
der Mönchsname von Waltunc sein, der (wie da-
mals öfter üblich) gegen das Ende seiner Tage Mönch
wurde und sich von seinem Stift aus der Wohltätigkeit
widmete. Das würde auch seine große Verehrung im
»Volk« erklären (Domitian-Kult, Domitian-Kapelle,
Domitian-Denkmal, bei den Slowenen bekannt als
Domicijan Koroški). Kirchen- und Klostergründer war
übrigens auch der von den »Franken« abgestrafte Zeit-
genosse Tassilo von Baivarien, der ebenfalls als ein-
facher Mönch gestorben ist. Die ursprüngliche Kirche
von Millstatt (Milštat/Milje) (literaturüblich seit 1070)
dürfte allerdings schon auf frühchristliche Zeit zurück-
gehen. Bis 1469 bestanden eine Benediktinerabtei und
ein angesehenes Skriptorium. Mit der Unabhängigkeit
Kärntens von Baiern endet formal auch → Karanta-
nien, nicht jedoch die innere sprachliche, kulturelle und
rechtsinstitutionelle → Kontinuität (→ Inkulturation,
→ Rechtsinstitutionen). (Vgl. auch → Herzöge von
Kärnten/Koroška.)
Lit.: R. Eisler : Die Legende vom heiligen Karantanerherzog Domitia-
nus. In : Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung.
Innsbruck 28 (1907) 52–116 ; M. Kos : Conversio Bagoariorum et Ca-
rantanorum. Ljubljana 1934 ; J. Mal : Probleme aus der Frühgeschichte
der Slowenen. Ljubljana 1939 ; B. Grafenauer : Ustoličevanje koroških
vojvod in država karantanskih Slovencev. Ljubljana 1952 ; O. Kronst-
einer : Die frühmittelalterlichen Sprach- und Besiedlungsverhältnisse Ös-
terreichs aus namenkundlicher Sicht, Österreichische Namenforschung
2 (1976) 5–24 ; O. Kronsteiner : Die alpenslawischen Personennamen.
Österreichische Namenforschung, Sonderreihe 2. Wien 1975, ²1981 ;
H. Wolfram : Conversio Bagoariorum et Carantanorum. Das Weissbuch
der Salzburger Kirche über die erfolgreiche Mission in Karantanien und
Pannonien. Wien/Köln/Graz 1979, ²2012 ; F. Lošek : Die Conversio
Bagoariorum et Carantanorum und der Brief des Erzbischofs Theotmar
von Salzburg. Hannover 1997 ; F. Glaser : Domicianus dux. In : Studien
zur Geschichte von Millstatt und Kärnten (Hg. F. Nikolasch). Kla-
genfurt 1997, 137–150 ; F. Glaser, Inschrift karantanischer Kirchenstif-
ter. In : Archäologie Österreichs 10/1 (1999), 19–22 (Otker Radoslav).
Otto Kronsteiner
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Volume 1: A – I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1942
- Volume
- 1: A – I
- Authors
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Size
- 24.0 x 28.0 cm
- Pages
- 542
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Geleitwort von Ana Blatnik, Präsidentin des Bundesrates (Juli – Dezember 2014) 7
- Spremna besede Ane Blatnik, predsednice državnega sveta (julij – december 2014) 8
- Geleitwort von Johannes Koder 9
- Vorwort der Herausgeberin und des Herausgebers 11
- Einleitung – slowenische Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška 15
- Alphabetische Liste der AutorenInnen/BeiträgerInnen im vorliegenden Band 38
- Verzeichnis der Siglen 40
- Verzeichnis der Abkürzungen und Benutzungshinweise 46
- Editoriale Hinweise 51
- Lemmata Band 1 A – I 55