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Ethnonym Slovenci im Slowenischen
Primož Trubar, Katechismus
(1550): »Vsem Slovenzom/
Gnado/Mir/Mylost inu pravu
Spo∫nanje bo∫hye …«
neuen Testaments (Ta celi novi testament, 1581) schreibt
er ebenfalls : vom mujim lubim Slovenom [Euch meinen
lieben Slowenen]. Damit wird der konzeptuelle Schritt
vom individuellen Sprachgebrauch zu einer überregio-
nalen kollektiven sprachlichen Identität, d. h. zu einer
im weitesten Sinn nationalen Identität vollzogen, die
sich am sprachlich definierten Ethnos orientiert (und
nicht sosehr an einer regionalen territorialen → Iden-
tität, die sich an den historischen Herzogtümern ori-
entiert). Die konzeptuelle Synthese und Innovation
Trubars, die sich auch in seinem überregionalen, ge-
samtslowenischen Wirken ebenso wie im Gebrauch
einer überregionalen verschrifteten Sprache und durch
die Gründung einer protestantischen Gemeinde in
→ Agoritschach/Zagoriče ausdrückt, erhält mit dem
Gebrauch des Begriffs Slovenci eine terminologische
Fixierung (→ Terminologie). Verstärkt wird sie durch
die nachhaltige Prägung der slowenischen →
Kultur-
geschichte durch den Trubarschen Protestantismus
und dessen langfristige Auswirkungen (→ Dalmatinbi-
bel, →
Bukovnišvo).
Trotz der territorialen und feudalen Zersplitterung
des slowenischen Sprachgebietes und der damit formal-
rechtlich definierten und vielfachen kollektiven territo-
rialen → Identitäten, bleibt der konzeptionelle Begriff
Slovenci im slowenischen Sprachgebrauch als eine der
Ausdrucksformen von Identität erhalten. Der barocke
Erudit J. →
Popowitsch/Popovič schreibt 1750 in
seinen Untersuchungen vom Meere diese Selbstbezeich-
nung seinen steirischen Landsleuten zu : »… meine
Landsleute, die Viertelzillerischen Winden, nennen sich Slo-
wenci und ihre Muttersprache to slowensko …«. Damit ist
auch klar, dass die Identität schon immer unterschied-
lich und kontextbezogen ausgedrückt wurde (hier die
Viertelziller, die Winden und Slovenci) und dass parallel
mehrere Bezeichnungen verwendet wurden. Im Zuge
der slowenischen Wiedergeburtsbewegung (→
Prepo-
rod) als Folge der →
Illyrischen Provinzen, vor allem
aber ab der Mitte des 19. Jh.s erstarkt das Bewusstsein
einer kollektiven ethnischen bzw. nationalen Identität
und wird im politischen Programm für ein Vereinig-
tes Slowenien formuliert (→ Zedinjena Slovenija). Das
Ethnonym Slovenci umfasste zu dieser Zeit im Slowe-
nischen alle Menschen mit slowenischer → Mutter-
sprache, unabhängig davon, welche → Lingua franca sie
zusätzlich sprachen. Nach dem Zerfall der Monarchie
und der Schaffung der SHS-Staates bzw. → Jugoslawi-
ens veränderte sich die Begrifflichkeit weder im neuen
Staat noch im Grenzausland, in dem ein Drittel aller Slowenen lebte. Nach 1945 und der Errichtung des Fö-
deralstaates Jugoslawien behielt der Begriff Slovenci im
Wesentlichen seine Bedeutung, wie es das Konzept des
»gemeinsamen slowenischen Kulturraumes« (skupni
slovenski kulturni prostor) ausdrückt. Bisweilen konnte
er kontextbezogen so interpretiert werden, dass nur die
ethnischen Slowenen der Sozialistischen Republik Slo-
weniens bzw. Jugoslawiens gemeint waren.
Mit der Ausrufung des unabhängigen Staates Repu-
blik Slowenien 1991 blieb im Slowenischen zwar die
nach dem Ethnos orientierte Begriffsdefinition für der
Begriff Slovenci, wie er von den Grenzauslandsslowe-
nen in Österreich und Italien allgemeinsprachlich wie
auch verfassungsrechtlich weiterhin gebraucht wurde,
dieselbe. Doch erhielt dieser Begriff neue, zusätzliche
Bedeutungsfelder und bezeichnet(e) teilweise aus-
schließlich die Staatsbürger der Republik Slowenien,
unabhängig von deren ethnischer Zugehörigkeit. Ent-
sprechend unterschiedlich sind terminologischen An-
sätze und konzeptuelle Zugänge in der »slowenischen«
→ Geschichtsschreibung zum Forschungsfeld zgodo-
vina Slovencev [Geschichte der Slowenen].
Allgemein kann davon ausgegangen werden, dass im
modernen Slowenischen, dort wo der Begriff Slovenci
für die frühere oder mittelalterliche Geschichte ver-
wendet wird, vereinfachend interpretiert werden kann
als »Menschen mit Slowenisch als Muttersprache«
(wobei Slowenisch hier alle historischen, regionalen
oder sozialen Ausprägungen umfasst) bzw. als »Perso-
nen im Sprach-, Rechts-, Siedlungs- und mythologi-
schen → Kontinuum zu den Slowenen in der Konzep-
tion Trubars«. Ab Trubar ist der Begriff Slovenci als
»ethnische Slowenen in der Konzeption Turbars« zu
verstehen, ab dem → preporod endgültig als »Slowenen
als modernes Volk«. Für die neueste Zeit bezeichnet der
Begriff Slovenci im Slowenischen entweder »ethnische
Slowenen« (unabhängig von deren Staatsbürgerschaft)
oder »Staatsbürger der Republik Slowenien«.
Quellen : vgl. Primož →
Trubar, Johann Sigismund →
Popo-
witsch.
Lit.: ES (Slovenci, 165–258 ; Slovenci na avstrijskem Štajerskem, 259–
260 ; Slovenci v Italiji, 260–295 ; Koroški Slovenci, 290–304 ; I. Grdina :
Trubar, Primož, 272–378). – T. Domej : Die Slowenen in Kärnten und
ihre Sprache, mit besonderer Berücksichtigung des Zeitalters von 1740
bis 1848 (Phil. Diss.). Wien 1986 (VII, 562 S.) 309 f.; O. Back :
Glottonymie und Ethnonymie. In : Die Slawischen Sprachen 14 (1988)
5–9 ; R. Lencek : The Terms Wende-Winde, Wendisch-Windisch in
the Historiographic Tradition of the Slovene Lands. In : Slovene Studies
Journal. Bd. 12, Nr. 2 (1990) (Digitalisat) ; M. Klemenčič : Slovenia at
the Crossroads of the Nineties : From the First Multiparty Elections and
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Volume 1: A – I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1942
- Volume
- 1: A – I
- Authors
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Size
- 24.0 x 28.0 cm
- Pages
- 542
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Geleitwort von Ana Blatnik, Präsidentin des Bundesrates (Juli – Dezember 2014) 7
- Spremna besede Ane Blatnik, predsednice državnega sveta (julij – december 2014) 8
- Geleitwort von Johannes Koder 9
- Vorwort der Herausgeberin und des Herausgebers 11
- Einleitung – slowenische Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška 15
- Alphabetische Liste der AutorenInnen/BeiträgerInnen im vorliegenden Band 38
- Verzeichnis der Siglen 40
- Verzeichnis der Abkürzungen und Benutzungshinweise 46
- Editoriale Hinweise 51
- Lemmata Band 1 A – I 55