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Frauenfrage
men aufgriff. So wurde der große künstlerische Wert
der Kärntner Erzählungen von Gabriela →
Preissová
gelobt oder die aufrichtige Freude anlässlich der Wahl
des ersten Kärntner slowenischen Reichsratsabgeord-
neten Lambert → Einspieler ausgedrückt.
Am Beginn des 20. Jh.s erfolgte die breitere Ein-
bindung von Kärntner Sloweninnen im Rahmen der
→ Slovenska krščansko-socialna zveza za Koroško [Slo-
wenischer christlich-sozialer Verband für Kärnten].
Seit 1909 wurde eine Frau in den Verbandsausschuss
gewählt, seit 1911 wurden Frauenversammlungen or-
ganisiert, um die Frauen für eine Frauenorganisation
auf religiös-nationaler Basis zu begeistern und in die
Tätigkeit für Glauben, Heim und Kaiser (za vero, dom,
cesarja) miteinzubeziehen. Dabei wurden die allseitige
Bildung der christlichen Frau, die Erziehung in na-
tionalem und christlichem Geist, die Bedeutung des
Bauernstandes oder die Gefahren von Auswanderung
und Alkoholismus thematisiert. Eine weitere, kirchlich
initiierte Organisationsform besonders für unverhei-
ratete Mädchen waren die Marijine družbe [Mariani-
sche Kongregationen]. Als Leit- und Kontrollinstanz
für einen gläubigen, moralischen Lebenswandel soll-
ten sie Unschuld, Frömmigkeit und Bescheidenheit
fördern und sündiges Wissen, Tanz und unnötigen
Umgang mit dem anderen Geschlecht verhindern.
Damit sollten sie aber auch dem Volk dienen, denn
dessen Zukunft hing von der anständigen christlichen
Mutter und Ehefrau ab, wie Ivan → Arnejc bei der
Versammlung der zehn Kärntner slowenischen Mari-
jine družbe 1911 in St.
Jakob im Rosental/Šentjakob v
Rožu erklärte.
Die Umbruchszeit des Ersten Weltkrieges verstärkte
die Mitwirkung von Frauen am slowenischen politisch-
nationalen Projekt und ihre Kooperationen über Lan-
desgrenzen hinweg. Die Unterstützungserklärungen
für die →
Maideklaration, die den Zusammenschluss
der südslawischen Gebiete der Habsburgermonarchie
forderte, wurde auch in Kärnten/Koroška zu einem
großen Teil von Frauen gesammelt bzw. unterzeichnet.
Mir publizierte vermehrt Beiträge von und für Frauen
und appellierte an deren Patriotismus, wobei er sie auch
als Jugoslawinnen ansprach, die ihre jugoslawische Hei-
mat treu und ergeben bis zum Tod lieben sollten. Als
Abstimmungsberechtigte bei der Kärntner → Volksab-
stimmung wurden Kärntner Sloweninnen im Rahmen
der →
Zveza ženskih društev na Koroškem [Verband der
Frauenvereine in Kärnten] organisiert und von südsla-
wischen Frauenorganisationen unterstützt. In der Zwischenkriegszeit betonte die männerdomi-
nierte Kärntner slowenische Führung die Notwendig-
keit der Mobilisierung der Frauen im Hinblick auf die
nationalen Interessen der → Minderheit. Da im Un-
terschied zu → Jugoslawien Frauen in Österreich das
Wahlrecht hatten, versuchte die → Koroška slovenska
stranka [Kärntner slowenische Partei] sie als Unterstüt-
zerinnen und Wählerinnen zu gewinnen. Frauen ver-
meintlich näherstehende Themen wie Familie und Re-
ligion wurden in den Vordergrund gestellt und bei der
Kritik an der politischen Konkurrenz des Sozialismus
und Kommunismus deren gottesferne und modernis-
tische Haltung in Geschlechterfragen betont. Dem all-
gemeinen Trend folgend, dass Frauen häufiger für kle-
rikale Parteien stimmen, erhielt die Koroška slovenska
stranka mehr Stimmen der weiblichen Wahlberechtig-
ten als der männlichen. Allerdings waren nur Männer
als gewählte politische Vertreter der Minderheit tätig.
Die 1922 als Unterverband der wiedererrichteten Slo-
venska krščansko-socialna zveza za Koroško gegründete
Ženska zveza [Frauenverband] strebte laut Satzungen
die Unterrichtung der Mitglieder in allen den Frauen-
stand betreffenden Angelegenheiten, die Aneiferung
ernster Tätigkeit auf wohltätigem, wirtschaftlichem,
sozialem und kulturellem Gebiet und die Vereinigung
aller Frauen- und Mädchenkörperschaften im Lande
an. Die Dekliška zveza [Mädchenverband] unter der
Leitung von Milka → Hartman förderte in ihren
rund 30 Sektionen die Bildung der Bauernmädchen in
nationaler Richtung, organisierte Mädchentage, Lai-
enschauspiel und Chorgesang sowie die Lektüre von
aus Slowenien zugeschickten Jugend- und Frauenzeit-
schriften (→
Chorwesen, →
Laienspiel, → Lesekultur).
Wichtige weibliche Betätigungsfelder waren Mutter-
tagsfeiern, die seit 1926 nach dem Vorbild Sloweniens
zur Feier und Förderung der ehelichen Mutterschaft
veranstaltet wurden, sowie Haushaltungskurse, in de-
nen die Teilnehmerinnen auch eine schöne Ausdrucks-
weise in schriftslowenischer Sprache lernen sollten.
Nach dem → »Anschluss« Österreichs an NS-
Deutschland im März 1938 und der forcierten → Ger-
manisierung in Kindergärten, Schulen und öffentli-
chem Leben wurde die Rolle der Mütter und Familien
für den nationalen Erhalt besonders betont. So wurde
am Tag der slowenischen Frau im Herbst 1938 verlangt,
den slowenischen Geist und sein kostbares Gefäß, die
slowenische → Muttersprache, zu verteidigen. Das NS-
Regime behinderte und verbot schließlich slowenische
Haushaltungskurse und Muttertagsfeiern. Doch noch
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Volume 1: A – I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1942
- Volume
- 1: A – I
- Authors
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Size
- 24.0 x 28.0 cm
- Pages
- 542
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Geleitwort von Ana Blatnik, Präsidentin des Bundesrates (Juli – Dezember 2014) 7
- Spremna besede Ane Blatnik, predsednice državnega sveta (julij – december 2014) 8
- Geleitwort von Johannes Koder 9
- Vorwort der Herausgeberin und des Herausgebers 11
- Einleitung – slowenische Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška 15
- Alphabetische Liste der AutorenInnen/BeiträgerInnen im vorliegenden Band 38
- Verzeichnis der Siglen 40
- Verzeichnis der Abkürzungen und Benutzungshinweise 46
- Editoriale Hinweise 51
- Lemmata Band 1 A – I 55