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Graz
derspruch die These des »einheitlichen und unteilbaren
Herzogtums« Steiermark/Štajerska. Erst in der Debatte
über einige andere Fragen widersetzte sich der sloweni-
sche Abgeordnete Jakob Kreft diesem Grundsatz und
forderte die Angliederung der Steiermark/Štajerska an
Krain/Kranjska bzw. ein eigenes slowenisches Kronland.
Nach dem Jahr 1848 entwickelte sich G. rasch in
allen Bereichen. Die industrielle und die Entwicklung
der anderen Sektoren führten zu einem Zustrom von
immer mehr deutsch-, aber auch slowenischsprachigen
Einwohnern. Die Mehrzahl der Slowenen, die nied-
rigeren sozialen Schichten entsprang, siedelte sich in
den Vierteln Lend und Gries in der Murvorstadt an,
die auch »Windische Vorstadt« genannt wurde. In den
führenden Gesellschaftsschichten festigten sich immer
mehr deutschsprachige Zusiedler aus anderen Kron-
ländern, die vornehmlich deutschnationaler politischer
Ausrichtung waren. Deshalb ist es nicht verwunderlich,
dass diese Kreise eine slowenische Etymologie des Na-
mens der Stadt ablehnten und sie mit Unterstützung
großdeutsch gesinnter Historiker die Überzeugung
vertraten, G. sei eine »deutsche Festung« und »eines der
größten Bollwerke der deutschen Nation« gegen die
»eindringenden Slawen«.
Trotz des ansteigenden Deutschnationalimus wa-
ren sich die steirischen Landesbehörden der Bedeu-
tung des Slowenischen durchaus bewusst, da die klare
→ Sprachgrenze einige Kilometer südlich von G. das
Land in einen slowenischen und einen deutschen Teil
teilte. Die Behörden waren sich auch der Tatsache be-
wusst, dass in der Steiermark/Štajerska und in Kärnten/
Koroška Geistliche und Beamte benötigt wurden, die
des Slowenischen mächtig waren, die jedoch nicht aus
Krain/Kranjska angeworben werden konnten. Deshalb
waren auch nach der Märzrevolution Wissenschaf-
ter slowenischer Herkunft an der Grazer Universität
angemessen vertreten. Für die Slowenen war dies von
außerordentlicher Bedeutung, da die Sprache nicht nur
ein Kommunikationsmittel, sondern auch wegen der
historischen Gegebenheiten Trägerin der nationalen
Identität war.
In der zweiten Hälfte des 19. Jh.s wurden an der
Grazer Universität Vorlesungen auf Slowenisch für
Studenten der Slawistik, der Rechtswissenschaften, der
Theologie und der Medizin gehalten. Das war gleich-
zeitig der Beginn der slawischen Fachsprachen. Die
Slawistik und die Slowenistik an der Grazer Univer-
sität vertraten bis zum Zusammenbruch der österrei-
chisch-ungarischen Monarchie ausnahmslos Slowe- nen. Mit Gregor → Krek, Karel → Štrekelj, Matija
→ Murko, Vatroslav → Oblak, Rajko Nahtigal
und Fran → Ramovš wurde die Grazer Universität
Ausgangspunkt für die wissenschaftliche Slowenistik.
An der theologischen Fakultät sind slowenische Vor-
lesungen (Übungen aus Rhetorik und aus der Kate-
chese) für die Jahre 1849–1856 nachgewiesen. Sie wur-
den von Matija Robič (Matthias Robitsch) und von
Jožef Tosi gehalten. Robič leitete zwischen 1851 und
1874 den Lehrstuhl für Kirchengeschichte und las auch
aus Kirchenrecht. Daneben war er siebenmal Dekan der
theologischen Fakultät und zweimal Rektor (1843–44,
1859–60). Tosi, der ordentlicher Professor für Dogma-
tik wurde, übernahm 1854 die Vorlesungen von Robič.
Dessen Nachfolger wurde 1869 Franc Stanonik, der
bis 1913 Vorlesungen hielt. Seine Vorschläge unter
dem Titel Zur Reform der Theologischen Studien in Ös-
terreich (Graz 1873) wurden in der Folge von den ös-
terreichischen Bischöfen und von der Regierung über-
nommen. Neben den erwähnten Professoren hatten an
der theologischen Fakultät noch Janez Kopač (Johann
Kopatsch), Lovro Vogrin (Lorenz Vogrin) und
Franc Ksavier (Xaver) Weninger Vorlesungen.
Als die Behörden 1849 beschlossen, dass die ju-
ristischen Vorlesungen in slowenischer Sprache aus
Ljubljana an die Grazer Universität übertragen werden
sollten, wurde Jožef Kranjc zum Dozenten für öster-
reichisches Zivilrecht in slowenischer Sprache ernannt.
Dem Lehrstuhl schlossen sich mit slowenischen Vor-
lesungen noch Janez Kopač und Josip M. Skedel an.
Die Vorlesungen in slowenischer Sprache wurden 1854
mangels Zuhörern eingestellt und 1870 von den Be-
hörden wieder zugelassen.
Neben den bereits erwähnten Persönlichkeiten un-
terrichtete an der Grazer Universität noch der Physi-
ker Simon Šubic, der ab 1864 an der Handels- und
Gewerbeakademie Professor für Algebra, Physik und
elementare Mechanik war und ab 1869 bis zur Pensio-
nierung 1903 Professor für theoretische Physik an der
Universität. Einige Jahre (1888–1895) unterrichtete
an der Grazer Universität auch der Professor für Phy-
sik Ignac Klemenčič. Im Bereich der Naturwissen-
schaften wirkte der aus Ljubljana stammende Friderik
Pregl, der Begründer der organischen Mikroanalyse,
der ab 1913 Professor für medizinische Chemie war
und 1902 für seine wissenschaftlichen Forschungen
den Nobelpreis erhielt.
In der zweiten Hälfte des 19. Jh.s nahmen mehrere
Slowenen bedeutende berufliche Positionen ein. So
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Volume 1: A – I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1942
- Volume
- 1: A – I
- Authors
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Size
- 24.0 x 28.0 cm
- Pages
- 542
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Geleitwort von Ana Blatnik, Präsidentin des Bundesrates (Juli – Dezember 2014) 7
- Spremna besede Ane Blatnik, predsednice državnega sveta (julij – december 2014) 8
- Geleitwort von Johannes Koder 9
- Vorwort der Herausgeberin und des Herausgebers 11
- Einleitung – slowenische Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška 15
- Alphabetische Liste der AutorenInnen/BeiträgerInnen im vorliegenden Band 38
- Verzeichnis der Siglen 40
- Verzeichnis der Abkürzungen und Benutzungshinweise 46
- Editoriale Hinweise 51
- Lemmata Band 1 A – I 55