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Graz
war der spätere Bischof von Ljubljana, Erzbischof von
Gorizia/Gorica/Görz und Kardinal Jakob Missia, der
in Graz Theologie studierte, zwischen 1866 und 1871
Sekretär des Bischofs Ottokar Attems, 1871–1879
bischöflicher Kanzler sowie bis zu seiner Übersiedlung
nach Ljubljana Domkapitular. Joža →
Glonar trat
1911 seinen Posten in der Universitätsbibliothek an
und war dort bis 1918 in Dienst. Noch einige Monate
länger blieb in G. der Philosoph und spätere Professor
an der Universität Ljubljana France Veber. Der Histo-
riker Anton Kaspert unterrichtete 20 Jahre als Gym-
nasialprofessor in G., der Jurist Metod Dolenc war ab
1905 im Präsidium des Oberlandesgerichtes in G. und
forschte zusätzlich im Bereich der Rechtsgeschichte.
Zum gesellschaftlichen Leben der Slowenen in G.
trugen auch die Abgeordneten zum steirischen Land-
tag bei, in dem zwischen 1861 und 1916 46 slowenische
Abgeordnete tätig waren. Zu diesen kann auch Michael
Herman gezählt werden, der deutscher Herkunft war,
slowenisch gelernt hatte und 1861–1863 einer der
wichtigsten Fürsprecher der slowenischen nationalen
Forderungen war. Die slowenischen Abgeordneten wa-
ren mehrheitlich in Opposition. Da die Vertreter des
deutschnational-liberalen Lagers fast alle slowenischen
politischen und kulturellen Forderungen systematisch
ablehnten, antworteten die slowenischen Abgeordne-
ten mit Abstinenz (1869) und mit Obstruktion (Boy-
kott unter dem Motto »Weg von Graz«), worauf die
slowenischen Abgeordneten schließlich doch einige
Forderungen durchsetzen konnten, so die Einrichtung
einer Bürgerschule in Žalec und einer Landwirtschafts-
schule in Šentjur bei → Celje. Zu erwähnen sind auch
Franc Jurtela, der 1890 als erster Slowene Landes-
hauptmannstellvertreter wurde, und Josip Sernec, der
die Funktion des Landeshauptmannstellvertreters neun
Jahre innehatte.
In der zweiten Hälfte des 19 Jh.s war das Vereinsleben
in universitären Kreisen wie auch unter der Arbeiter-
schaft äußerst lebhaft. Nachdem der 1848 gegründete
Verein Slovenija in der Zeit des Bach’schen Absolutis-
mus seine Aktivitäten einstellen musste, wurde Mitte
der 60er-Jahre des 19. Jh.s ein neuer Studentenverein
unter demselben Namen gegründet. Gründungsper-
sönlichkeit war der Student der Rechtswissenschaften
und später der erste Berufsjournalist Anton Tomšič.
Der Verein hörte jedoch nach dessen Abgang mit der
Tätigkeit auf. 1869 gründeten die slowenischen Stu-
denten der Technik den literarischen Verein Vendija.
Dieser Verein, dessen Vereinsziel die »sprachliche Bil- dung der Mitglieder im Slowenischen« war, wurde 1875
polizeilich aufgelöst. Zwei Jahre davor hatten Grazer
Studenten den allslawischen literarischen Verein Sloga
gegründet, der jedoch bereits ein Jahr danach seine Ak-
tivitäten einstellte. Der Grund dafür war offensichtlich
die allslawische Ausrichtung, die zu umfassend für eine
konkrete Vereinstätigkeit war. Statt dem Verein Sloga
begann 1875 der Verein Triglav mit seinen Aktivitäten.
Dessen Mitglieder organisierten 1901 einen Protest-
marsch jugoslawischer Akademiker in Graz zuguns-
ten der Errichtung einer slowenischen Universität in
Ljubljana.
Die Trennung zwischen dem liberalen und dem ka-
tholischen Lager im slowenischen Sprachraum fand
auch innerhalb des Grazer Triglav seinen Niederschlag
und so gründeten die katholisch gesinnten Mitglieder
des Triglav ihren eigenen katholischen Verein Zarja.
Die zweite Spaltung innerhalb des Triglav geht auf die
sog. nationalen Radikalen (slow. narodni radikali) zu-
rück, die 1904 den Verein Tabor gründeten und im Be-
reich der Volksbildung tätig waren. Alle Vereine waren
bis zum Ersten Weltkrieg aktiv, mit dem fast alle ihre
Aktivitäten aufhörten.
1851 wurden unter der Leitung des Musikers Ben-
jamin Ipavec zwei sog. bésede [Wörter] slawischer Pa-
trioten veranstaltet. In den Jahren 1868–1875 wirkten
die Slovanska beseda [Slawisches Wort] und 1876–1880
das Slovansko pevsko društvo [Slawischer Gesangsver-
ein]. 1882 wurde ein slowenischer Leseverein gegrün-
det, unter dessen Obhut sich auch der Studentenverein
Triglav begab. Der Leseverein wurde mit seinen gesel-
ligen Veranstaltungen und dem slowenischen Theater
im letzten Jahrzehnt vor dem Ersten Weltkrieg gesell-
schaftlicher Mittelpunkt der Grazer Slowenen. Zwei
Jahre (1887–1889) bestand auch ein allslawischer lite-
rarischer Verein Slavija. Die Grazer Studenten halfen
ab 1899 auch bei der Errichtung einiger Arbeiterver-
eine (Naprej [Vorwärz], Domovina [Heimat], Društvo
sv. Marte [Verein der hl. Martha]), deren Mitglieder
Gewerbetreibende, Arbeiter und Dienstmägde waren.
Im Rahmen des Vereins Domovina wirkte 1907 sogar
ein slowenischer Kindergarten. Als die Domovina 1909
eine liberale Führung erhielt, gründete die katholische
Seite noch im selben Jahr den Bildungsverein Kres, der
noch zwischen den zwei Weltkriegen tätig war. Der
Turnverein Sokol bestand ab 1906. Zu Beginn des 20.
Jh.s hatten in G. noch die slowenischen Studenten der
Medizin und der Technik ihre jeweils eigenen Vereine.
Für die slowenischen Studenten in G. sorgten neben
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Volume 1: A – I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1942
- Volume
- 1: A – I
- Authors
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Size
- 24.0 x 28.0 cm
- Pages
- 542
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Geleitwort von Ana Blatnik, Präsidentin des Bundesrates (Juli – Dezember 2014) 7
- Spremna besede Ane Blatnik, predsednice državnega sveta (julij – december 2014) 8
- Geleitwort von Johannes Koder 9
- Vorwort der Herausgeberin und des Herausgebers 11
- Einleitung – slowenische Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška 15
- Alphabetische Liste der AutorenInnen/BeiträgerInnen im vorliegenden Band 38
- Verzeichnis der Siglen 40
- Verzeichnis der Abkürzungen und Benutzungshinweise 46
- Editoriale Hinweise 51
- Lemmata Band 1 A – I 55