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Herzogseinsetzung
Wappen der Khevenhüller
nach Megiser, Das elfte
Buch der Chronik, S. 1417
Wappen der Grafen von
Ortenburg nach Megiser,
Das zwölfte und letzte Buch
der Chronik, S. 1648 dieser Zeit keineswegs nur die Sprache der bäuerlichen
Schichten, sondern wurde zumindest in manchen Si-
tuationen auch vom Adel bis hinauf zum Herzog ge-
braucht (→ Adelssprache). Darüber hinaus hatte das
›Windische‹, wie das Slowenische im Mittelalter und
bis ins 19. Jh. auf Deutsch bezeichnet wurde, eine für
Kärnten/Koroška geradezu identitätsbildende Funk-
tion (vgl. Primož → Trubar, → Ethnonym Slovenci
im Slowenischen, → Ethnonym Slowene im Deut-
schen, → Windische Ideologie). Die dafür vielleicht
wichtigste, jedenfalls aber die älteste der maßgeblichen
Quellen stammt vom steirischen Adligen, Dichter und
Politiker Ulrich von Liechtenstein, der in seinem
Frauendienst unter anderem eine von ihm im Jahr 1227
in Verkleidung als Königin Venus durchgeführte Reise
von Mestre nach Wien beschreibt (ob diese Reise und
damit auch die folgend geschilderte Begegnung nur
fiktiv war, wie man heute meist vermutet, oder tatsäch-
lich stattfand, spielt im gegebenen Zusammenhang
keine Rolle). Dabei kam er durch das → Val Canale/
Kanaltal/Kanalska dolina nach Kärnten/Koroška und
traf bei Thörl/Vrata auf den dort gerade mit einem
größeren Gefolge rastenden Herzog. Dieser und die
Seinen begrüßten Ulrich/Venus hochoffiziell mit den
Worten → »Buge waz primi, gralva Venus !« (Gott grüße
euch, Königin Venus !). Der Herzog und seine Ritter
beherrschten also nicht nur das Slowenische, sondern
sie setzten eine gewisse Kenntnis davon offensichtlich
auch beim Steirer Ulrich, dessen Identität als Köni-
gin Venus ihnen bekannt war, voraus, und sie identi-
fizierten sich bzw. das Land Kärnten/Koroška so sehr
mit dieser Sprache, dass sie sie bewusst für die Begrü-
ßung wählten.
Damit decken sich mehrere Quellen des 14. und
15. Jh.s, die allgemein (zwei Schwabenspiegel-Hand-
schriften) oder konkret im Hinblick auf die Situa-
tion von 1286 und die damalige Einsetzung Mein-
hards II. von Tirol-Görz zum Herzog von Kärnten/
Koroška (die Steirische Reimchronik Ottokars aus
der Geul/Gaal und der Bericht des Abtes → Jo-
hann von Viktring) das Verfahren der Herzogs-
einsetzung »nach alter Gewohnheit« sowie bestimmte
Rechte und Eigenschaften des Kärntner Herzogs
schildern. Der auf dem → Fürstenstein sitzende Her-
zogbauer (→ Edlinger/kosezi) empfing demnach den
neuen Landesfürsten und seine Begleitung mit »win-
discher Rede«. Ersterer wurde, durch die Zeremonie
zum rechtmäßigen Landesfürsten geworden, als win-
discher herre bezeichnet. Selbst wenn vor dem Kaiser gegen ihn Klage geführt wurde, brauchte er sich nur
in »windischer Sprache« bzw. nur gegenüber einem
windischen man – hier nicht als ein ›Windisch‹/Slo-
wenisch Redender, sondern allgemein als Bewoh-
ner des Landes Kärnten/Koroška zu verstehen – zu
rechtfertigen. Das ›Windische‹/Slowenische galt also,
obwohl zu dieser Zeit das deutschsprachige Element
bevölkerungsmäßig auf das gesamte Herzogtum be-
zogen schon überwog (→ Sprachgrenze) und spezi-
ell der Adel wohl insgesamt deutsch war, als genuine
→ Landessprache, Kärnten/Koroška noch immer als
ein slawisches/slowenisches Herzogtum, und das, wie
weitere Quellen belegen, bis ins 16. Jh. (→ Windische
Ideologie, → Megiser, → Unrest). Aus den Schil-
derungen der Quellen geht übrigens nicht hervor, ob
Meinhard selbst wenigstens über rudimentäre sla-
wische Sprachkenntnisse verfügte, denn die Fragen
des Herzogbauern waren nicht an ihn gerichtet, son-
dern an seine Begleiter, die die Fragen über seine Eig-
nung als Landesfürst zu bejahen und ihre Antwort zu
beeiden hatten. Es kann allerdings insofern angenom-
men werden, als die Besitzungen seiner Familie, der
Grafen von Görz, zu einem sehr erheblichen Teil im
slowenischen und kroatischen Siedlungsgebiet (Karst/
Kras, → Krain/Kranjska, Istrien/Istra) lagen. Wieweit
das auch noch für die späteren habsburgischen Her-
zöge zutrifft, muss weitgehend offen bleiben (→ Gol-
dene Bulle). Bemerkenswert ist allerdings, dass Kaiser
Maximilian I. in seinem Weißkunig festhielt, dass
er die böhmische und windische Sprache von einem
Bauern – das zugehörige Bild zeigt einen solchen, der
mit einem Korb Eier in eine Burg/Palast gekommen
war, im Gespräch mit dem jungen Weißkunig (= Ma-
ximilian) – lernte. Das ist zumindest bezüglich des
›Windischen‹/Slowenischen nicht unwahrscheinlich,
da Maximilian ja einen Teil seiner Kindheit auf
Burg Finkenstein/Bekštanj verbrachte.
Lit.: H. Dopsch : Zwischen Dichtung und Politik. Herkunft und Um-
feld Ulrichs von Liechtenstein. In : F. V. Spechtler, B. Maier (Hg.) : Ich
– Ulrich von Liechtenstein. Klagenfurt 1999, 49–104 ; W. Neumann :
Wirklichkeit und Idee des »windischen« Erzherzogtums Kärnten. In : Süd-
ostdeutsches Archiv 3 (1961) 141–168 (auch in : W. N.: Bausteine zur
Geschichte Kärntens. Klagenfurt 1985, 78–112).
Markus Wenninger
Herzogseinsetzung, → Fürsteneinsetzung ; → Du-
ces Carantanorum ; →
Herzöge von Kärnten/Koroška ;
→ St. Peter und Paul.
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Volume 1: A – I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1942
- Volume
- 1: A – I
- Authors
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Size
- 24.0 x 28.0 cm
- Pages
- 542
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Geleitwort von Ana Blatnik, Präsidentin des Bundesrates (Juli – Dezember 2014) 7
- Spremna besede Ane Blatnik, predsednice državnega sveta (julij – december 2014) 8
- Geleitwort von Johannes Koder 9
- Vorwort der Herausgeberin und des Herausgebers 11
- Einleitung – slowenische Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška 15
- Alphabetische Liste der AutorenInnen/BeiträgerInnen im vorliegenden Band 38
- Verzeichnis der Siglen 40
- Verzeichnis der Abkürzungen und Benutzungshinweise 46
- Editoriale Hinweise 51
- Lemmata Band 1 A – I 55