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Johann von Viktring
des öffentlichen Lebens in Kärnten/Koroška und den
österreichischen Ländern im Allgemeinen. Nach der
Wahl zum Abt hatte er Kontakt zum Landeshaupt-
mann Konrad III. von Auffenstein (1304–1341).
Im Oktober 1330 wird er gemeinsam mit dem böhmi-
schen König Johann von Luxemburg (von Böh-
men) (1310–1346) in Trento/Trient erwähnt. 1334
wird J. zum Kaplan des Kärntner Herzogs Heinrich
VI. (1310–1335) aus dem Geschlecht der Grafen
von Görz-Tirol ernannt (diese regierten in Kärnten/
Koroška zwischen 1286 und 1335). Nach dem Tod
von Heinrich VI. im Jahr 1335 vertrat J. Margare-
the von Maultasch in den Verhandlungen über
die Herrschaftsnachfolge in Kärnten/Koroška zwi-
schen dem deutschen König Ludwig IV. dem Bai-
ern (Bayern) (1314–1347) und den österreichischen
Herzögen, den Brüdern Albrecht II. dem Lah-
men (1330–1358) und Otto IV. dem Fröhlichen
(1330–1358) aus dem Geschlecht der Habsburger.
Nach der Übernahme des Landes durch die Habs-
burger 1335 behielt J. gute Beziehungen zu den neuen
Herrschern. Ein gutes Verhältnis hatte J. auch zum
neuen Kärntner Hauptmann, dem Grafen Ulrich V.
von Pfannberg (1335–1354), 1341 wird er in Wien
als Kaplan von Albrecht II. erwähnt, 1342 als Ka-
plan des Patriarchen von → Aquileia Bertram von
Sankt Genesius (Bertrand de Saint-Geniès)
(1334–1350). J. hatte also einen guten Einblick in den
Verlauf der damaligen politischen Ereignisse. Die letz-
ten Jahre seines Lebens verbrachte er im → Viktringer
Kloster, wo er sich der Geschichtsschreibung widmete.
Wahrscheinlich starb er am 12. November 1345 in
Viktring/Vetrinj.
Sein wichtigstes Werk ist die Chronik Liber certa-
rum historiarum [slow. Knjiga resničnih zgodb, dt. Das
Buch gewisser (sicherer) Geschichten]. Der erste Entwurf
wurde 1340 und 1341 verfasst und stellt eine Staats-
geschichte dar, die bei den letzten Staufern ansetzt. In
der endgültigen Fassung beginnt die Geschichte in der
Zeit der Karolinger mit Karl Martell (ca. 688–741)
und endet in der Gegenwart von J. (1343). Das Buch
ist dem Patriarchen von Aquileia Bertram gewidmet.
Als Gründe für das Verfassen der Geschichte kommt
ein Ansinnen von Herzog Albrecht II. infrage oder,
wahrscheinlicher, die Geschehnisse um die Einglie-
derung von Kärnten/Koroška in den habsburgischen
Machtbereich im Jahr 1335, deren Zeuge er wurde. Das
Buch sollte vor allem die erfolgreiche Übernahme der
Macht und deren vorbildliche Ausübung darstellen. Beim Schreiben des Werkes nahm J. Vorbild an sei-
nem Vorgänger, dem größten Chronisten des 12. Jh.s :
Otto von Freising (Otto I. von Österreich)
(ca. 1112–1158). Dabei bezog J. sein Wissen aus der
Tatsache, dass er das Beschriebene »selbst gesehen, ge-
hört oder auch niedergeschrieben vorgefunden« habe.
Bei einigen Ereignissen war er selbst anwesend, andere
übernahm er nach mündlicher Überlieferung (selbst
nennt er als mündliche Quellen Heinrich VI., Al-
brecht II., Konrad III. von Auffenstein). Er
verwendete eine Reihe von nunmehr verloren gegange-
nen Autoren aus dem süddeutschen Raum, Urkunden
aus den Archiven von Viktring/Vetrinj, Aquileia und
vielleicht → Salzburg. Er bezog sich auf die Österrei-
chische Reimchronik (1306–1308) von Ottokar aus
der Gaal (slow. Otokar iz Geule) (ca. 1265–1322)
(→ Minnesänger). Ähnlich wie sein Vorbild Otto
von Freising hat auch J. seine Arbeit in sechs Bücher
gegliedert, von denen die ersten fünf je zehn betitelte
Kapitel umfassen und das letzte Buch zwölf Kapitel. Je-
des Buch umfasst die Regierungszeit eines Herrschers.
Der Stil ist prägnant und gedrängt, doch erreicht die
Qualität des Lateinischen und der Arbeit insgesamt
nicht das Niveau von Otto von Freising. Der Autor
ist bei der Bewertung der historischen Ereignisse der
kaiserlichen Seite zugeneigt.
Für die Geschichte von Kärnten/Koroška sowie für
den slowenischen Sprachraum ist das Buch gewisser Ge-
schichten vor allem wegen der Berichte über die Kärnt-
ner Herzogseinsetzung von Bedeutung, die an drei
Stellen vorkommen, sowie die Verwendung des Slo-
wenischen bei dieser. J. beschreibt die Einsetzung von
Meinhard II. von Görz-Tirol im Jahr 1286, ba-
sierend auf älteren Quellen, sowie die Einsetzung von
Otto IV. dem Fröhlichen im Jahr 1335 und von
Albrecht II. dem Lahmen im Jahr 1342, bei der
er selbst anwesend war (→ Fürsteneinsetzung, → Her-
zöge von Kärnten/Koroška).
Die umfangreichste und auch bedeutendste Beschrei-
bung dieses Ritus findet sich bei der Herzogseinsetzung
von Meinhard II. von Görz-Tirol. J. beschreibt
das Meynhardus in capite Kalendarum Septembrium in
sedem ducatus sui sollemniter collocatur secundum consue-
tudinem a priscis temporibus observatam [Meinhard war
am Beginn der Kalenden des September (1. September
1286) auf den Thron des Herzogtums gesetzt worden
nach dem aus alten Zeiten üblichen Brauch]. Das Volk
im Lande überreichte die Macht dem neuen Herrscher.
Es wurde symbolisch von einem Bauern repräsentiert
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Volume 2 : J – Pl
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- Title
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1942
- Volume
- 2 : J – Pl
- Authors
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Size
- 24.0 x 28.0 cm
- Pages
- 502
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur