Page - 598 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Volume 2 : J – Pl
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Karnburg/Krnski Grad
sprüche (»Brücke zur Adria«) (→
Deutschnationale
Vereine).
Humoristische Blätter aus Ljubljana wie Škrat
und Rogač verspotten in ihren K. wiederholt das aus
slowenischer Sicht besonders verachtenswerte Phä-
nomen des nationalen Renegatentums und einzelne
→ Deutschtümler. Im Frühjahr 1914 widmet sich eine
Nummer des Blattes Bodeča neža aus → Ljubljana an-
lässlich der 500-Jahr-Feier der letzten Herzogseinset-
zung (→ Fürsteneinsetzung) der Geschichte Kärntens.
Sie bringt Darstellungen des Herzogstuhls (→ Fürs-
tenstein) und wird wegen Anspielungen auf die histo-
rische Unterdrückung der Kärntner SlowenInnen teil-
weise beschlagnahmt.
Im Ersten Weltkrieg werden K. in den Dienst der
Kriegspropaganda gestellt, stellen aber, soweit es die
Zensur zulässt, auch das Grauen des Krieges und die
Entbehrungen an der Heimatfront dar. Bei Kriegsende
spiegeln K. den Zerfall der österreichisch-ungarischen
Monarchie und die Entstehung neuer Staaten und
Grenzen. Die militärische und politische Auseinander-
setzung um die Kärntner Grenze findet v. a. in Zeitun-
gen in Kärnten/Koroška (Kärntner Landsmannschaft,
→ Koroško Korošcem, → Hoo-rrruk … ! !), Ljubljana
(Kurent) und Wien (Kikeriki) ihren Widerhall in K. Für
die → Volksabstimmung sind K. und bildliche Darstel-
lungen ein zentrales Element der Propaganda in Zei-
tungen, auf Flugblättern, Plakaten und Postkarten.
Aufgrund ihrer unmittelbaren und emotionalisie-
renden Wirkung ist ihre Rezeption einfacher als das
Studium schriftlicher Propagandaartikel. Namhafte
Künstler wie Maksim Gaspari und Hinko Smrekar
auf slowenischer, Leo Kainradl und Felix Kraus auf
österreichischer Seite tragen zum gezeichneten Propa-
gandakampf bei, der auf beiden Seiten von aggressiven
und nationalistischen Tönen bestimmt ist. Beide Seiten
benutzen oft denselben Kode. Zahlreiche Gestalten aus
Märchen und Mythen sowie religiöse Motive bevölkern
die K.: Drachen (der Lindwurm), Wölfe, Schlangen,
Teufel, Engel u. a. Viele bildliche Darstellungen thema-
tisieren konkrete wirtschaftliche und soziale Momente
und Propagandaargumente wie Steuerlast, Requisi-
tionen, Militärpflicht usw. Andere überhöhen das er-
wünschte Abstimmungsverhalten zu einer moralischen
oder religiösen Entscheidung, einer Frage der nationa-
len Ehre und Treue. Gegnerische Presseprodukte wer-
den als Lügenschippel, Giftkröten, Pressedirnen u. Ä.
dargestellt. Auf österreichischer Seite zeigen K. weniger
»den (Kärntner) Slowenen«, da man diesen für die Ab- stimmung gewinnen will, als vielmehr »den Südslawen«,
»den Serben« (→ Slawen). Dem serbischen Soldaten
dunklen Typs in Uniform, der schmutzig-schmuddelig
und ungepflegt dargestellt wird, steht der sympathisch-
kantige Kärntner hellen Typs, in Kärntner Anzug oder
bäuerlicher Kleidung, gegenüber.
Auf slowenischer Seite wird die Deutschtümelei
besonders negativ dargestellt. Eine Darstellung emp-
fiehlt sogar, Deutschtümler in einem Sack verschnürt
in die Drau/Drava zu werfen. Auch Geschlechterste-
reotype und -verhältnisse finden ihren Niederschlag
in K. Die slowenische Seite verspottet verweichlicht-
verweiblichte Männer, die nicht kämpfen wollen ; die
deutsch-österreichische Seite kritisiert den fremdnati-
onalen Umgang von Frauen in der Darstellung der Lie-
besbeziehung der »Tschuschen-Katl« mit einem jugo-
slawischen Soldaten. Die Nation und das umkämpfte
Territorium werden häufig als junge, schöne Frau
versinnbildlicht, so auf deutsch-österreichischer Seite
die blonde heroische Carinthia in Anlehnung an die
deutsche Germania ; auf slowenischer Seite Mädchen
in Volkstrachten. Das gezeichnete Propagandamaterial
blieb auch nach 1920 in der Kärntner Öffentlichkeit
präsent. Es wurde oft zitiert und auch unreflektiert wie-
dergegeben, u. a. anlässlich von → Volksabstimmungs-
feiern, wodurch Stereotype und Vorurteile in Bildform
weiter tradiert wurden.
Lit.: ES. – A. Suppan : Die Karikatur als Quelle moderner Stereotypen :
(Deutsch-)Österreicher – Slowenen. In : D. Dahlmann, W. Potthoff
(Hg.) : Mythen, Symbole und Rituale. Frankfurt a. M. [e. a.] 2000,
201–240 ; D. Globočnik : Nekaj slovenskih karikatur in nekaj gra-
diva o cenzuri 1869–1941. In : ZČ Jg. 53, Nr. 2 (1999) 169–194 ; D.
Globočnik : Karikature v letih prve svetovne vojne. In : ZČ Jg. 54, Nr. 4
(2000) 563–610 ; D. Globočnik : Škrat, Rogač in Brus – troje liberalnih
satiričnih listov. In : ZČ Jg. 56, Nr. 1–2 (2002) 399–446 ; T. Domej :
Karikaturen zum Kärntner Nationalitätenkonflikt. In : A. Moritsch, A.
Mosser (Hg.) : Den Anderen im Blick. Frankfurt a. M. [e. a.] 2002,
207–251.
Tina Bahovec
Karnburg/Krnski Grad, vgl. Sachlemmata : → Karn-
burg/Krnski Grad sowie → Amtssprache ; → Ar-
chäologisches Bild von Kärnten/Koroška im Früh-
mittelalter ; → Carantani ; → Christianisierung der
Karantanen ; → Duces Carantanorum ; → Fürstenein-
setzung ; → Fürstenstein ; → Glottonyme ; → Iden-
tität, territoriale ; → Inkulturation ; → Karantanien ;
→ Klagenfurt/Celovec ; → Kulturgeschichte (= Einlei-
tung, Band 1) ; →
Rechtsinstitutionen, karantanerslo-
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Volume 2 : J – Pl
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1942
- Volume
- 2 : J – Pl
- Authors
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Size
- 24.0 x 28.0 cm
- Pages
- 502
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur