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Katoliško politično in gospodarsko društvo za Slovence na Koroškem
Die schrittweise Abwendung von den Kärntner
Deutsch-Konservativen und danach von den Christ-
lichsozialen sowie der Anschluss an die allslowenische
Politik im Jahr 1906 stand im Widerspruch mit der
unsolidarischen Haltung der slowenischen Reichs-
ratsabgeordneten gegenüber den vitalen Interessen der
Kärntner Slowenen im Rahmen der Wahlrechtsreform
(→ Abgeordnete, → Wahlordnungen, → Wahlkrei-
seinteilungen). Als Zeichen des Protestes beteiligten
sich die Kärntner Slowenen nicht an der dritten slo-
wenischen katholischen Versammlung im August 1906
in Ljubljana. 1907–1911 scheiterte der Versuch einer
eigenständigen Organisation der liberalen Kärntner
Slowenen außerhalb des KPGDSK. Die Generalver-
sammlung im Mai 1910 stellte fest, dass »der Streit
mit den Krainer Brüdern« beendet sei und beschloss
einstimmig den Beitritt zur katholischen Vseslovenska
ljudska stranka (VSLS) [Allslowenische Volkspartei].
In Erwartung einer neuerlichen Manipulation der
Volkszählungsresultate zum Jahresende (→ Germa-
nisierung, statistische), beschloss der KPGDSK am
19. Oktober 1910 eine eigenständige Volkszählung
durchzuführen (→ Sprachenzählung). Die Zählorgane
des Vereins erhoben in den damaligen Landesgrenzen
Kärntens 135.415 Slowenen (nach der → Mutterspra-
che). Der Kärntner Landespräsident gab »wegen der
Überschreitung des Tätigkeitsbereiches« am 8. Jänner
1911 einen Erlass über die Vereinsauflösung heraus.
Auf die Beschwerde des KPGDSK verwarf das Innen-
ministerium am 16. August 1911 die Vereinsauflösung
und drohte lediglich mit schärferen Konsequenzen,
wenn sich solch eine unangemessene Vorgehensweise
wiederholen sollte. Die Diskriminierungen der Kärnt-
ner Slowenen zeigte der KPGDSK noch vor dem Zer-
fall der Monarchie im Jahr 1913 im Druckwerk »Aus
dem Wilajet Kärnten« einer breiteren Öffentlichkeit
auf. Die vermutlichen Autoren waren vor allem Lam-
bert → Ehrlich, Janko Brejc und Franc Grafe-
nauer.
Sofort nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges zähl-
ten die Mitglieder der Vereinsleitung zu den ersten
Kärntner Slowenen, die von den Polizei- und Mili-
tärbehörden verfolgt wurden (→ Internierungen 1919,
→
Militärgerichtsbarkeit). Im Dezember 1917 erklärte
der KPGDSK formell, dass er eine Lösung nur in der
Verwirklichung der → Maideklaration des Jugoslawi-
schen Klubs vom 30. Mai 1917 sehe. Dies wurde auch
von der Generalversammlung am 24. Jänner 1918 be-
stätigt ebenso wie von 19.000 Unterschriften für die Maideklaration. Nach der Gründung des Staates SHS
ging der Vereinspräsident Brejc nach Ljubljana als
Mitglied und in der Folge als Vorsitzender der Volks-
regierung, ihm folgte in der Funktion des Vereinsvor-
sitzenden Franc →
Smodej, der Redakteur des → Mir,
der auch Redakteur des → Slovenec wurde. Nach der
→ Volksabstimmung wurden aus Kärnten/Koroška
auch die beiden ehemaligen Vorsitzenden, der Propst
Einspieler und der Abgeordnete Grafenauer ver-
trieben (→ Vertreibung 1920).
Die übrigen Ausschussmitglieder versammelten sich
erstmals Anfang März 1921 und erneuerten unter den
neuen staatlichen und politischen Rahmenbedingun-
gen ihre Tätigkeit mit dem neuen Vorsitzenden Ferdo
→ Kraiger, einem Realitätenbesitzer aus St. Stefan/
Šteben bei Globasnitz/Globasnica.
Der Verein trat formell aus der SLS aus und strich
das Beiwort »Katholisch« aus dem Vereinsnamen
(PGDSK), obwohl er sein Programm nicht wesentlich
verändert hatte und erst später der Völkermarkter Arzt
Franc → Petek die Abhängigkeit von den geistlichen
Aktivisten lockern sollte, und zwar hinsichtlich der Lei-
tung, deren Sitz der Verein im Haupthaus der → Mo-
horjeva hatte, bis hin zu den ideologischen Richtlinien,
die vom bischöflichen Ordinariat ausgegeben worden
waren. Der Verein nahm bedeutende Beschlüsse auf
Versammlungen mit mehreren Hundert Vertrauensleu-
ten an. Als Vorsitzende wechselten sich Kraiger und
Petek zweimal ab.
Trotz der offenen Verfolgungen gelang es der slowe-
nischen Volksgruppe sich 1921 erneut zu sammeln : am
23. März erschien die erste Nummer der neuen Wo-
chenzeitung → Koroški Slovenec [Kärntner Slowene]
und der PGDSK protestierte am 18. April mit seiner
ersten Resolution beim Landeshauptmann gegen die
Missachtung der Volksgruppenrechte, sandte eine De-
putation zum Kanzler Mayer und wandte sich mit
Unterstützung der Wiener Tschechen an die diploma-
tische Vertretung → Jugoslawiens in Wien.
Die slowenischen Kandidaten der aus dem PGDSK
hervorgegangenen wahlwerbenden Partei → Koroška
slovenska stranka [Kärntner slowenische Partei] schnit-
ten bei den Gemeinderatswahlen am 24. April 1921
relativ gut ab (Franc → Aichholzer, Jurij → Kraut,
Alois → Schaubach, Johann → Schnabl, Matija
→
Vospernik). Zudem erreichte die Partei zwei Man-
date bei den Landtagswahlen am 19. Juni 1921, die
der Vorsitzende Kraiger und der Priester und Kul-
turarbeiter Vinko → Poljanec besetzten. Die Partei
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Volume 2 : J – Pl
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1942
- Volume
- 2 : J – Pl
- Authors
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Size
- 24.0 x 28.0 cm
- Pages
- 502
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur