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Kolonisierung, mittelalterliche
Beiträge geleistet. Erst seit dem Ende des 18. Jh.s gibt
es genauere Quellen zum Verlauf der →
Sprachgrenze.
Einen Überblick jener Beschreibungen über den Ver-
lauf der ethnischen Grenze, die bis zur Mitte des 19.
Jh.s für das Kärntner Gebiet entstanden waren, liefer-
ten M. →
Wutte und B. → Grafenauer. Knapp
vor Mitte des 19. Jh.s wurde die erste statistische Be-
standsaufnahme, die unter anderem auch die Kategorie
der sprachlichen Zugehörigkeit der Kärntner Bevölke-
rung zu berücksichtigen versuchte, vorgenommen.
Verlauf und Entwicklung der Sprachgrenze zwischen
den Slowenen und ihren Nachbarn und die ethnische
Entwicklung in diesem Bereich Europas war verknüpft
mit der politischen und sozialen Entwicklung. Im Mit-
telalter rief vor allem der Kolonisierungsprozess Ver-
änderungen der ethnischen Struktur hervor. Intensive
Veränderungen gab es vor allem im Kontaktbereich der
deutschsprachigen und slowenischsprachigen Bevölke-
rung. Im Laufe des Mittelalters änderte sich in einem
großen Gebiet, das Ende des 6. Jh.s von → Slawen be-
siedelt worden war, die ethnische Struktur. Bis zum 15.
Jh. verschob sich die äußerste Grenze der Gebiete mit
slowenischer Bevölkerung weit nach Süden.
Die → Germanisierung in diesem Raum war eine
Begleiterscheinung des Anschlusses und der Zugehö-
rigkeit → Karantaniens an den Westen, an Staaten-
gebilde, die von Deutschen dominiert wurden. Der
→ Sprachwechsel großer territorialer Bereiche verlief
in verschiedenen Etappen. Zu ersten spürbaren Ver-
änderungen der ethnischen Zusammenstellung kam es
im Verlaufe der Expansion des Karolingerreiches nach
Osten. Nach dem Fall des Awarenreiches (→ Awaren)
wurde ein Kolonistenstrom ins Donauland, ins Alpen-
vorland und nach Pannonien gelenkt. Das Donauland
wurde im Wesentlichen bereits in → karolingischer
Zeit germanisiert, im Alpenvorland verschwanden sla-
wische Bevölkerungsreste in der frühbabenbergischen
Epoche. Zu den ersten dauernden Kontaktbeziehungen
zwischen Germanen und Slawen kam es in Pannonien.
Nach dem Einfall der Magyaren wurde hier die germa-
nisch-slawische Kolonisation ausgelöscht.
Die Hauptperiode der mittelalterlichen Fernkoloni-
sation begann, nachdem es dem ostfränkischen Reich
gelang, von den Magyaren weite Gebiete zurückzu-
erobern, und hielt bis zum Ende des 12. Jh.s an. Vo-
rangetrieben wurde sie von weltlichen und kirchlichen
Feudalherren. Im Interesse der Grundherren lag es,
weite, bis dahin ungerodete und unbesiedelt gebliebene
Gebiete wirtschaftlich zu nutzen. Wegen der geringen Siedlungsdichte im Ostalpenraum standen für eine in-
tensive innere Kolonisation nicht genügend Menschen
zur Verfügung.
Absichtliche und systematische Bemühungen um
eine Veränderung der ethnischen Struktur lagen der
Fernkolonisation nicht zugrunde, da die Feudalherren
im Allgemeinen keine ethnopolitischen Ziele hatten
(→ Personalitätsprinzip). Da aber die weltlichen und
kirchlichen Feudalherren in der Regel von auswärti-
ger Herkunft waren und sie die Beziehungen zu ihren
Stammländern noch aufrechterhielten, griffen sie auf
Untertanen in ihren Herkunftsländern zurück. So ge-
schah es, dass die meisten Kolonisten, die in der Etappe
der Fernkolonisation in Kärnten/Koroška sesshaft wur-
den, aus dem heutigen Südtirol sowie aus → Salzburg
und Oberbayern, in minderer Zahl auch aus anderen
Gegenden des deutschen Sprachraumes kamen.
Sofern in der ersten Zeit der Fernkolonisation das
heutige Kärntner Gebiet betroffen war, wurde noch
keine feste Sprachgrenze gebildet. Die äußersten
Grenzen der slawischen Besiedlung erfuhren zunächst
kaum eine Änderung. Oft siedelten Angehörige beider
Sprachgruppen nebeneinander. Auch in Gebieten, die
heute zum slowenischen ethnischen Territorium zäh-
len, speziell in Kärnten/Koroška, kann man zahlreiche
Siedler deutscher Sprache nachweisen.
Ende des 12. Jh.s war die Kolonisierung der klima-
tisch und geografisch günstigeren Gebiete abgeschlos-
sen, zumeist verloren auch die Feudalherren die Ver-
bindung zu ihren Stammländern. Die Fernkolonisation
fand somit ihr Ende. Von nun an kam es im Kärntner
Gebiet nur noch zu binnenkolonisatorischen Unter-
nehmungen geringeren Ausmaßes, zu denen die ein-
heimische Bevölkerung herangezogen wurde. Diese
Form der Besiedlung setzte sich bis zum 15. Jh. fort.
Ab dem 12. Jh., besonders nach dem Ende der
Fernkolonisation, verschob sich die deutsch-sloweni-
sche Sprachgrenze in südlicher Richtung, bis sie sich
Ende des Mittelalters festigte. Dies- und jenseits der
Sprachgrenze kam es zu einer sprachlichen Konsoli-
dierung und Vereinheitlichung. Im ländlichen Raum
wurde jene Grenze erreicht, die bis zum Beginn der
Eindeutschung modernen Charakters, die sich in einer
gezielten Einwirkung auf die ethnische Struktur mit
verschiedenen Mitteln der Sprach- und Nationalpoli-
tik äußert, keine Änderung erfuhr, zum Teil aber heute
noch besteht (→ Sprachgrenze (2) im 18 Jh.; →
Orts-
verzeichnis 1860, 1880, 1910 ; → Pfarrkarte der Diö-
zese Gurk/Krška škofija 1924 ; → Assimilation).
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Volume 2 : J – Pl
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1942
- Volume
- 2 : J – Pl
- Authors
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Size
- 24.0 x 28.0 cm
- Pages
- 502
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur