Page - 671 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Volume 2 : J – Pl
Image of the Page - 671 -
Text of the Page - 671 -
671
Koroška slovenska stranka (KSS) in der Ersten Republik
KS, 20. 5. 1925
tischen Lage der Slowenen zu leisten«. Eine aktive Zu-
sammenarbeit mit der KSS hätte ihr den Vorwurf der
deutschnationalen bürgerlichen Parteien eingebracht,
sie arbeite mit Irredentisten zusammen. So lastete auf
jenen slowenischsprachigen Personen, die sich der so-
zialdemokratischen Partei anschlossen, ebenfalls ein
starker Assimilierungsdruck (→ Assimilationszwang).
Janez Starc, seinerseits slowenischer Landtagsabge-
ordneter, kommentierte die sozialdemokratische Politik
1930 gegenüber den Slowenen ironisch : »Keine Partei
fand so gute Gelegenheiten vor, nationale Gerechtig-
keit walten zu lassen, wie die sozialdemokratische, doch
in den entscheidenden Augenblicken hat sie stets nur
nationale Ungerechtigkeit unter Beweis gestellt.« Die
beiden Parteien trennten zudem unüberbrückbar schei-
nende weltanschauliche Gegensätze.
Die konservativ-katholische Grundhaltung der KSS
legte eine Zusammenarbeit mit der Christlichsozialen
Partei in Kärnten/Koroška nahe. Doch auch Letztere
war einer solchen Kooperation nicht zugeneigt. Dies
stellte sich anlässlich der Nationalratswahlen 1930 sehr
deutlich heraus, als der politische und wirtschaftliche
Verein mit knapper Mehrheit beschloss, geschlossen
für die Christlichsoziale Partei zu votieren. Legendär
ist der Kommentar des Obmanns der Christlichsozi-
alen Partei, Michael Paulitsch, der jene slowenische
Delegation, die ihm den Entschluss unterbreitete, bei
den Nationalratswahlen für die Christlichsozialen
stimmen zu wollen, mit den Worten brüskierte : »Wenn
Sie uns wählen, können wir Ihnen dies nicht verbieten,
aber : Mit Euch haben wir nichts zu tun.« Trotzdem
entschied sich die KSS, bei den Nationalratswahlen die Christlichsozialen zu wählen, was von der slowenischen
Wählerschaft der KSS zu fast 85 % befolgt wurde, den
Christlichsozialen über 7.500 Stimmen und das dritte
Nationalratsmandat in Kärnten einbrachte. Der Grund
für diese Entscheidung der KSS, die ihr eigentlich keine
Vorteile brachte, ist weniger in ihrer strikten christ-
lichsozialen Orientierung zu suchen als vielmehr im
Versuch, dem ständigen Irredentismus-Vorwurf vonsei-
ten der deutschnationalen Parteien den Wind aus den
Segeln zu nehmen. Die slowenischen Wähler hätten
mit ihrer Stimme für die Christlichsozialen bewiesen,
so der slowenische Landtagsabgeordnete Starc, dass
sie die Volksabstimmung anerkennen und keine Irre-
dentisten seien, sondern lediglich ihre Minderheiten-
rechte einfordern.
Die Landwirtschaftskammerwahlen am 20. Novem-
ber 1932 erbrachten für die KSS in den Gebieten süd-
lich der Drau/Drava und östlich von →
Villach/Beljak
die Mehrheit, insgesamt konnte sie 13,5 % aller Stim-
men erreichen und drei von 24 Mandaten. Diese Wah-
len zeigen deutlich, dass die Agrarbevölkerung nach
wie vor den Großteil der Wählerklientel der KSS stellte.
In der Zeit des autoritären Ständestaates änderte sich
die Situation der Kärntner Slowenen nicht wesentlich.
Die Bundesregierung war zwar bemüht, minderheits-
fördernde Maßnahmen durchzuführen, sie scheiterte
jedoch an der Haltung der Kärntner Landesbehörden.
Die Auflösung des österreichischen Parlaments im
März 1933 wurde von der slowenischen politischen
Führung positiv bewertet, da sie ideologisch einem
christlichen Ständestaat mehrheitlich nahestand und
von der demokratischen Epoche, in der die Kärntner
Stimmen für die Kärntner slowenische Partei
LTW NRW GRW (Z) GRW (KS) GRW (KS h.a.Z.)
1921 9.863 (Z) 8.548* (Z)
1923 9.868 (Z) ---
1924 8.709**
1927 9.578 (Z) 9.334 (Z)
1928 9.260 8.547/9.068 10.212
1930 9.205 (Z) 7.648 (KS)*
1932 7.140 7.635 8.929
Legende : LTW = Landtagswahlen, NRW = Nationalratswahlen, GRW = Gemeinderatswahlen ;
(Z) = Angaben nach Fran Zwitter ; * = Ergebnis auf dem Gebiet der Abstimmungszone A ; ** = Angabe aus dem KS vom 2. 5. 1928 ; einfach
unterstrichen = Stimmen aus unabhängiger Kandidatur der Kärntner slowenischen Partei ; doppelt unterstrichen = Stimmenanzahl mit den
ungefähr errechneten Stimmen aus den bei den Gemeindewahlen nicht wählenden Gemeinden, den Gemeinden ohne slowenischer Kandida-
tur und den Stimmen für Kompromisswahllisten ; KS = Angabe aus dem Koroški Slovenec ; (KS h.a.Z.) = höchste angenommene Zahl im KS ;
(KS)* = Angabe aus KS, 19. 11. 1930, S. 1.
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Volume 2 : J – Pl
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1942
- Volume
- 2 : J – Pl
- Authors
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Size
- 24.0 x 28.0 cm
- Pages
- 502
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur