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Landessprache
1850 erlassen, das in der Folge 1854 erweitert bzw. neu
bearbeitet wurde. Ein weiteres zweisprachiges Ortsver-
zeichnis wurde 1860 publiziert, wobei erstmals jedoch
nur jene Orte zweinamig, deutsch-slowenisch angege-
ben wurden, wo dies offensichtlich gebräuchlich war, in
jenem auf der Grundlage der Volkszählung 1880 wird
explizit darauf hingewiesen, dass jene Orte zweispra-
chig ausgewiesen werden, in denen die zweite Sprache
»ortsüblich« ist. Bemerkenswert ist, und unterschiedlich
zur modernen Handhabung der Frage, dass die »Orts-
üblichkeit« unabhängig eines gewissen Prozentanteils
an Personen mit Slowenisch als →
Umgangssprache
anerkannt wurde und so auch solche Orte zweinamig
ausgewiesen wurden, in denen keine Person (mehr) mit
slowenischer Umgangssprache repertoriert ist (etwa
Orte im unteren Teil des Oberen Gailtals/Zgornja
Ziljska dolina, im Gitschtal/Višprijska dolina oder im
→ Krähwald-Massiv westlich von Brückl/Mostič).
Diese für das ganze Land bedeutende legistische Tä-
tigkeit bestätigt den Charakter des Slowenischen als L.
zu jener Zeit. (→ Landeseinteilungs-Erlass, Kärntner
vom 23. Dezember 1849 bzw. vom 8. September 1854,
→ Ortsverzeichnisse 1860, 1880/82, 1910/18).
Eine weitere, bis heute rechtlich relevante Neuerung
des Sprachenstatus brachte Art. 19 des Staatsgrundge-
setzes vom 21. Dezember 1867 der sog. → Dezember-
verfassung ȟber die allgemeinen Rechte der Staats-
bürger für die im Reichsrathe vertretenen Königreiche
und Länder« (Grundrechtskatalog der → Dezember-
verfassung 1867). Dieser lautet : »Alle Volksstämme des
Staates sind gleichberechtigt, und jeder Volksstamm
hat ein unverletzliches Recht auf Wahrung und Pflege
seiner Nationalität und Sprache. / Die Gleichberech-
tigung aller landesüblichen Sprachen in Schule, Amt
und öffentlichem Leben wird vom Staate anerkannt.
/ In den Ländern, in welchen mehrere Volksstämme
wohnen, sollen die öffentlichen Unterrichtsanstalten
derart eingerichtet sein, dass ohne Anwendung eines
Zwanges zur Erlernung einer zweiten Landessprache
jeder der Volksstämme die erforderlichen Mittel zur
Ausbildung seiner Sprache erhält.« Das Slowenische
in Kärnten/Koroška wird also verfassungsrechtlich lan-
desübliche Sprache insoweit, als es um slowenisch be-
siedelte Teilgebiete (Bezirke, Gemeinden) handelt, was
auch vom Reichsgericht bestätigt wurde. Damit war
das Slowenische auch als äußere → Amtssprache der
Verwaltungsbehörden und Gerichte anerkannt. Und
obwohl der historische Charakter des Slowenischen in
Kärnten/Koroška außer Streit stand, wurde weiterhin generell für alle Institutionen in Cisleithanien nur das
Deutsche als innere Amtssprache angesehen. Aufgrund
der Tatsache, dass in Kärnten/Koroška zwei weitge-
hend geschlossene Sprachgebiete bestanden, bestätigt
Art 19, Abs. 3 die Qualität des Slowenischen als L.,
wiewohl diese immer wieder von politischer Seite wie
von Behörden aberkannt wurde.
Art. 66 bis 69 des →
Vertrages von Saint-Germain
vom 10. Dezember 1919 stellen die Rechtsgrundlage der
Volksgruppenrechte in der Ersten Republik dar, wobei
jedoch eine Negativformulierung eingeführt wurde (Art.
66, Abs. 4) : »Unbeschadet der Einführung einer Staats-
sprache durch die österreichische Regierung werden
nicht deutschsprechenden österreichischen Staatsange-
hörigen angemessene Erleichterungen beim Gebrauche
ihrer Sprache vor Gericht in Wort oder Schrift geboten
werden.« Eine Verlagerung des sprachlichen Schwer-
punktes ist auch in Art. 68, Abs. 1 in der Frage der Un-
terrichtssprache erkennbar, wo es heißt : »[…] Diese
Bestimmung [bezüglich des öffentlichen Unterrichtswe-
sens] wird die österreichische Regierung nicht hindern,
den Unterricht der deutschen Sprache in den besagten
Schulen zu einem Pflichtgegenstande zu machen.« Ins-
gesamt wird damit ein Schwenk von kollektiven Rech-
ten der konstitutiven Völker zu Rechten der einzelnen
Angehörigen von → »Minderheiten« vollzogen.
Und während Art. 6 Bundes-Verfassungsgesetz (B-
VG) in der Fassung von 1929 die Landesbürgerschaft
definiert und an ein Heimatrecht in einer Gemeinde
bindet, bestimmt Art. 8 dass, »[die] deutsche Sprache
[…], unbeschadet der den sprachlichen Minderheiten
bundesgesetzlich eingeräumten Rechte, die Staatsspra-
che der Republik [ist]«. Diese Formulierung nimmt
auch die ständestaatliche Maiverfassung aus dem Jahr
1934 auf.
Mit dem → »Anschluss« 1938 kommt es zur gesetz-
lichen Negation des Existenzrechts der Slowenen als
Sprachnation (→ Deportationen 1942, → »General-
plan Ost«, →
Kulturvereine).
Der konstitutive Grundsatz-Artikel 7 des Staatsver-
trags von Wien (StV. Wien) »betreffend die Wieder-
herstellung eines unabhängigen und demokratischen
Österreich« aus dem Jahr 1955 nimmt wiederum eine
positive Formulierung hinsichtlich der Amtssprache auf.
In Abs. 3 heißt es : »In den Verwaltungs- und Gerichts-
bezirken Kärntens, des Burgenlandes und der Steier-
mark mit slowenischer, kroatischer oder gemischter Be-
völkerung wird die slowenische oder kroatische Sprache
zusätzlich zum Deutschen als Amtssprache zugelassen.
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Volume 2 : J – Pl
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1942
- Volume
- 2 : J – Pl
- Authors
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Size
- 24.0 x 28.0 cm
- Pages
- 502
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur