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Liturgiesprache
Evangelien und Lesungen,
Textbeispiel (1780), Nach-
lass Lisca Watzko devica, tema > temnica, izvoljenik, krilatec (angel), otec,
cesarstvo, lakomstvo, lihojedenje, lihopitije usw. [Sünde >
Sünder, Glaube > der Gläubige, Qual > Märtyrer, Ge-
setz, Gesetzestext (Geistlicher), »Mädchen« > Jungfrau,
Dunkelheit > Kerker, der Ausgewählte, der Geflügelte
(Engel), Vater, Reich, Begierde, unmäßiges Essen, un-
mäßiges Trinken]. 3. Es geht um → Entlehnungen
lateinischer Begriffe (krst, post, sankte, sotona, Amen
[Taufe, Fastenzeit, Sankt, Satan, Amen]). 4. Es handelt
sich um tabuisierte Begriffe (zlodej = satan, neprijaznim
= hudič, treba = poganska daritev [Satan, Teufel, heidni-
sche Opfergabe]). 5. Es werden feste terminologische
Verbindungen geschaffen (wie z. B.: slzno telo, sveti večer,
sveti duh, večni život, sodni den, božji rabe, narod človečki,
bog vsemogoći, sinove božji, slava božja, u ime božje, stol
božji [tränenreicher Körper, Heiliger Abend, Heiliger
Geist, ewiges Leben, der Jüngste Tag/das Jüngste Ge-
richt, Knecht Gottes, das Menschenvolk, der allmäch-
tige Gott, Kinder Gottes, Gottes Ruhm, im Namen
Gottes, Gottes Thron]. Heidnische Texte sind nicht
erhalten, so dass man annimmt, dass die rhythmische
Syntax der Beichtformeln (Freisinger Denkmäler I, II)
sowie die Predigten über Sünde und Buße (Freisinger
Denkmäler II) nicht einer gesprochenen Sprache ent-
sprechen, was womöglich eine Folge des Einflusses der
gefestigten lateinischen bzw. ladinischen und der lite-
raturüblich als althochdeutsch bezeichneten Vorlage ist.
Die wenigen slowenischen mittelalterlichen Hand-
schriften in den slowenischen Ländern bis zum → Pro- testantismus lassen keine Einsicht in die Entstehung
und den Wandel der religiösen Termini nach den an-
geführten Bildungsmustern in den Freisinger Denk-
mälern zu, bzw. in die gottesdienstlichen Texte allge-
mein. Dies schließt jedoch in jener Zeit die Kreativität
mündlicher kirchlicher und gläubiger Volkstradition
nicht aus.
Die in den Freisinger Denkmälern dargestellte ter-
minologische Binomie (Slowenisch des Alpenraums
– Slowenisch des pannonischen Raums) ist sehr aus-
sagekräftig. Sie ist Ausdruck der missionarischen Tä-
tigkeit der byzantinischen Mission der Brüder aus
Thessaloniki, von Konstantin und Method mit
ihrem Gefolge (→ Methodvita). Auf Bitten des mähri-
schen Fürsten Ratislav kamen sie im Jahre 863
nach Mähren sowie zum Fürsten Kocelj nach Pan-
nonien im Jahre 866. Die Missionare der →
Salzbur-
ger Mission berücksichtigten die → Muttersprache
der slowenischen karantanischen Heiden lediglich bei
grundlegenden Gebetsformeln (Vaterunser, Glaubens-
bekenntnis, allgemeine Beichtformel), nicht jedoch in
der Liturgie. Diese blieb unwiderruflich lateinisch. Die
byzantinischen Missionare kamen nach Mähren mit
dem Kreuz und dem Buch : Mit der Übersetzung des
sonntäglichen Lektionars in die damalige »makedo-
nisch slawische« Sprache (bei Miklosich aufgrund
der Selbstbenennung slověnski = slawisch als → Altslo-
venisch bezeichnet, um vom (Neu-)Slowenischen bzw.
dem heutigen Slowenisch zu differenzieren). In Mäh-
ren setzte man (in der durch den genialen Gelehrten
Konstantin – dem hl. Kyrill – eigens gegründeten
Priesterschule) mit der Übersetzung aller notwendigen
liturgischen Texte in das sog. → »Altkirchenslawische«
(»Altbulgarische«) fort. Diese erweiterte den Wort-
schatz funktional um einen differenzierenden mähri-
schen (und pannonischen) Anteil. Dabei wurde die
Sprache der gottesdienstlichen Texte (Loblied, Vesper,
Kirchenlieder, Predigten von Johannes von Antiochia)
in Velegrad literarisch derart vervollkommnet, dass die
gesamte Bibel noch vor dem Tod des Erzbischofs Me-
thod im Jahre 855 abschließend übersetzt wurde. So
war es sein Verdienst, dass die Westslawen (Slowaken,
Mährer, Tschechen, teilweise die Polen in Schlesien)
einschließlich der pannonischen Slowenen in Blatograd
(ung. Zalavár, slow. Zolovar, dt. hist. Mosapruck) und im
gesamten Fürstentum Koceljs von 866 bis 874 die
Liturgie in ihrer Muttersprache, d. h. in der ihnen ver-
ständlichen »altslowenischen« (im Sinne von slověnski)
bzw. in der altkirchenslawischen/altbulgarischen Lite-
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Volume 2 : J – Pl
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1942
- Volume
- 2 : J – Pl
- Authors
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Size
- 24.0 x 28.0 cm
- Pages
- 502
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur