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Geographie, Land und Leute
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Volume 2 : J – Pl
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Page - 908 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Volume 2 : J – Pl

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908 Militärgerichte im Ersten Weltkrieg Štajerska, Kärnten/Koroška, Küstenland/Litorale/Pri- morje – RGB1. 133/1915). Ohne besondere Kund- machung traten in den slowenischen Ländern die für Kriegsgebiete relevanten Bestimmungen in Kraft, wonach die Militärbehörden Schnellgerichte auch für Straftaten von Zivilpersonen einrichten konnten. Die Erklärung der slowenischen Länder zu militärischem Operationsgebiet brachte der betroffenen Bevölkerung zahlreiche Probleme. Deshalb wurde nach dem Durch- bruch der Front an der Soča (Isonzo) bei Kobarid (Karfreit) und deren Verlegung an die Piave aus allen diesen Ländern immer öfters die Forderung laut, das Kriegsrecht aufzuheben. Dabei zeigte sich, dass die Be- hörden die deutsch besiedelten Gebiete anders als die anderssprachigen Gebiete behandelten. So wurde das Kriegsrecht im deutschsprachigen Teil der Steiermark/ Štajerska abgeschafft, während es im slowenischen Teil noch weiterhin in Kraft war. Die Zuständigkeit der militärischen Schnellgerichte für Zivilpersonen war auch deshalb so schwerwiegend, weil das militärische Oberkommando am 20. Novem- ber 1914 zusätzlich jene Bestimmung aufhob, wonach derartige Angelegenheiten entweder innerhalb von drei Tagen entschieden werden sollten, anderenfalls sie der ordentlichen Gerichtsbarkeit zu übergeben seien. Damit hatten die Militärgerichte die Möglichkeit, einzelne Angelegenheiten auch über ein Jahr lang zu verschleppen. Wenn die Schuld des Beschuldigten als »bewiesen« galt, wurde das Verfahren mit einer Verur- teilung zum Tode beendet und das Urteil unmittelbar vollstreckt. Es war kein Recht auf Begnadigung vorge- sehen. Die Verordnung, die die zeitliche Beschränkung der militärischen Schnellgerichte aufhob, wurde ihrer- seits vom Oberkommando erst im April 1917 aufge- hoben. Der sog. Kriegsabsolutismus hatte auch deshalb ne- gative Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung, weil die Militärbehörden ohne Zögern selbst auf der Grund- lage von anonymen Anzeigen handelten. Diese waren ab dem Beginn des Krieges insbesondere in zwei- oder mehrsprachigen Kronländern wie der Steiermark/ Štajerska und Kärnten/Koroška zahlreich, wo bereits seit Mitte des 19. Jh.s der Antagonismus zwischen den Volksgruppen immer stärker geworden war. Mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges, als die deutsche Seite von den Slowenen eine Unterlassung der politi- schen Tätigkeit und eine völlige Unterordnung unter das Deutschtum forderte, wurde die Beifügung »slowe- nisch« in der Rezeption der Mehrzahl der deutschspra- chigen Bürger zum Synonym von Illoyalität. In dieser chaotischen Zeit interpretierten die Behörden den Be- griff unloyal und politisch unzuverlässig auf willkürliche Weise. Deshalb wurden unschuldige Handlungen in zahlreichen Fällen als strafbar interpretiert. Der Ein- zelne konnte bereits wegen des Lesens einer slowe- nischen Zeitung verdächtigt werden. Die Anzahl der Anzeigen zwangen die Behörden im Jahr 1916 dazu, die Praxis der anonymen Anzeigen einzuschränken. Es ermöglichte zwar weiterhin die Berücksichtigung und Eröffnung von Verfahren auf der Grundlage von ano- nymen Anzeigen, jedoch nur wenn konkrete Hinweise vorlagen. Anonyme Anzeigen allgemeiner Natur ohne konkrete Angaben mussten die Schnellgerichte nicht berücksichtigen. Obwohl das System des militärischen Absolutis- mus gegen alle Staatsbürger gerichtet war, waren in zwei- oder mehrsprachigen Kronländern wie Steier- mark/Štajerska, Kärnten/Koroška und Küstenland/Li- torale/Primorje vor allem Slowenen betroffen. So war es etwa jedes »heimattreuen Kärntners« Pflicht, den Behörden alles zur Anzeige zu bringen, was ihm als »serbenfreundlich« oder als »Hochverrat« erschien. Da die Behörden in den Kriegsverhältnissen die Gelegen- heit sahen, endgültig jedwede eigenständige sloweni- sche politische Bewegung zu unterbinden, folgten den Anzeigen Hausdurchsuchungen, in zahlreichen Fällen auch Festnahmen und Gerichtsverfahren. Auch wenn die betreffende Person nicht verurteilt wurde, wurde sie als politisch verdächtig (PV) in Evidenz genommen und unter strenge Kontrolle gestellt. So wurde etwa bereits am 3. September 1914 der Vorsitzende des →  Katoliško politično in gospodarsko društvo Janko →  Brejc als ein führender Vertreter der slowenischen politischen Elite festgenommen, doch musste er aus Mangel an Bewei- sen noch am selben Tag freigelassen werden. Eine erste Darstellung der Verfolgungen, der die slowenische Be- völkerung seitens der zivilen und militärischen Behör- den ausgesetzt war, gab der Südslawische Klub (Jugos- lovanski klub) in seiner parlamentarischen Anfrage am 15. Juni 1917. Darin wird angeführt, dass die Hetzcam- pagne gegen die Slowenen planmäßig war und dass die slowenischen Länder als feindliches Gebiet behandelt wurden. Als wichtigste Formen der Verfolgung wur- den in der parlamentarischen Anfrage die erwähnten Festnahmen auf der Grundlage von ungerechtfertigten Verdächtigungen, Verurteilungen, Konfinierungen und Internierungen angeführt (→  Internierungen 1919). In der parlamentarischen Anfrage des Südslawischen
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Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška Von den Anfängen bis 1942, Volume 2 : J – Pl
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Subtitle
Von den Anfängen bis 1942
Volume
2 : J – Pl
Authors
Katja Sturm-Schnabl
Bojan-Ilija Schnabl
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-79673-2
Size
24.0 x 28.0 cm
Pages
502
Categories
Geographie, Land und Leute
Kunst und Kultur

Table of contents

  1. Alphabetische Liste der AutorenInnen/BeiträgerInnen im vorliegenden Band 547
  2. Lemmata Band 2 J – Pl 549
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