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Muttersprache
akribischen Sammlern von → Volksliedern, Sprüchen,
Märchen, Erzählungen und Pflanzennamen. Er selbst
schrieb auch Gedichte. Für das illyrische Wörterbuch,
das Štefan Kočevar vorbereitete, schrieb er die Buch-
staben A–H, auch an Anton → Janežičs Wörterbuch
war er mit dem Beitrag von Pflanzennamen beteiligt.
M. hat sich bei der Verbreitung slowenischer und sla-
wischer Bücher und Zeitschriften unter den gebildeten
Slowenen der Steiermark/Štajerska große Verdienste
erworben. Bereits vor der Märzrevolution 1848 hatte
er in Blasniks Druckerei in Ljubljana 14.000 Bücher
bestellt. M. arbeitete eng mit F. →
Miklosich zu-
sammen. Er war sein Vertrauter in politicis, als dieser
Reichstagsabgeordneter in Kromeřič (Kremsier) war,
vertrieb seine Bücher und war sein Korrespondent. Im
Jahre 1847 gab er die erste in slowenischer Sprache
geschriebene Grammatik (nach Valentin → Vodniks
Pismenost ali gramatika za perve šole aus dem Jahre
1818) heraus : Kratka slovenska slovnica za pervence
[Kurze slowenische Grammatik für Schulanfänger],
die großen Anklang in der slowenischen Öffentlich-
keit fand. Nach dem Ausbruch der Märzrevolution war
M. unter den Gründungsmitgliedern des slowenischen,
politischen Vereins Slovenija, der am 16. April 1848 ge-
gründet worden war. Dieser Verein verlangte in seiner
Gründungsproklamation »ukinitev zgodovinskega raz-
kosanja na dežele in združitev našega slovenskega ozem-
lja po jezikovni meji v eno deželo« [die Abschaffung der
historischen Zerstückelung auf Länder und die Ver-
einigung unseres slowenischen Territoriums nach der
Sprachgrenze in ein Land]. Als zentrale Persönlichkeit
der Grazer Slovenija leitete er die Unterschriftenaktion
für die einschlägige Petition von Matija →
majar und
danach auch die Aktion der Wiener Slovenija für die
→ Zjedinjena Slovenija in der Steiermark/Štajerska. M.
hatte auch die Entsendung der slowenischen Vertre-
ter zum →
Slawenkongress in → Prag organisiert, die
Vorbereitungen für die Reichstagswahlen koordiniert,
einige Landtagsabgeordnete im steirischen Landtag
bei ihrer Arbeit geleitet (Jakob Kreft) und nicht zu-
letzt aktiv an der Knüpfung engerer Beziehungen mit
den Kroaten gearbeitet. Im April 1848 publizierte er
in der Gratzer Zeitung in Fortsetzungen den umfang-
reichen Aufsatz Theilweise Beleuchtung der drückenden
Sprach- und damit verknüpften Lebensverhältnisse der
Slovenen in Steiermark, Krain, Kärnten, Istrien, im Tries-
ter und Görzgebiete und lehnte darin die großdeutschen
Konzepte in aller Deutlichkeit ab. Österreich sollte im
Geiste des →
Austroslawismus auf der Grundlage des Naturrechts erhalten und erneuert werden. Slowenien
sollte eine eigene Einheit in einem föderalisierten Ös-
terreich werden und mit den »Stammesbrüdern« in
Kroatien, Slawonien und Dalmatien in engere Ver-
bindung treten. Seine politischen Artikel übten einen
national-erweckerischen Einfluss auf Andrej →
Ein-
spieler aus. Für Peter → Kozlers Landkarte zeich-
nete M. die slowenisch-deutsche → Sprachgrenze in
der Steiermark/Štajerska ein. 1849–1854 übersetzte er
das Landesgesetz- und Regierungsblatt für das Kronland
Steiermark ins Slowenische. Nach der Erneuerung des
Verfassungslebens griff er nicht mehr aktiv in die Politik
ein (→ Dezemberverfassung 1867). 1879 wurde er zum
Konsistorialrat der Diözese → Lavant/Lavantinska
škofija ernannt, zur perlenen Messe anlässlich des 60.
Jahrestages der Priesterweihe 1893 auch zum Konsis-
torialrat der Diözese → Seckau.
Werke : Kratka slovenska slovnica za pervence. Graz 1847 ; Theilweise
Beleuchtung der drückenden Sprach- und damit verknüpften Lebensver-
hältnisse der Slovenen in Steiermark, Krain, Kärnten, Istrien, im Triester
und Görzgebiete. In : Gratzer Zeitung vom 17., 18., 22. und 26. April
1848.
Lit.: K. Glaser : Zgodovina slovenskega slovstva, 3. [Ljubljana] 1896,
132–134 ; F. Ilešič : Korespondenca dr. Jos. Muršca. In : Zbornik znanst-
venih in poučnih spisov, 7. Ljubljana 1905 ; S. Granda : Graška Slove-
nija v letu 1848/49. In : ZČ 28/1–2 (1974) 45–84 ; K. Sturm-Schnabl :
Der Briefwechsel Franz Miklosich’s mit den Südslaven – Korespondenca
Frana Miklošiča z Južnimi Slovani. Maribor 1991 ; S. Granda : Dr. Jo-
žef Muršec-Živkov v revolucionarnem letu 1848/49. In : Kronika 55/1
(2007) 29–40.
Janez Cvirn † ; Üb./Red.: Katja Sturm-Schnabl
Muttersprache, slow. materinščina, zutiefst emotional
behaftete affektive Erstsprache des Menschen, Sprache
bzw. →
Soziolekt der frühen Sozialisation und frühes-
ten Bewusstseins- bzw. »Ich-Werdung« des Säuglings
und Kleinkinds, das über den Vektor der M. bzw. der
Sprache der zentralen affektiven Bezugsperson seine
eigene Identität aufbaut, sich zunächst gleichsam mit
dem Spiegelbild seiner selbst – wie es in der Regel von
der Mutter gesehen und dies durch ihre verbale und
nonverbale Kommunikation vermittelt wird – identi-
fiziert. Mit den Mitteln dieser Sprache formt es seine
sprachliche Identität sowie sein frühes Weltbild, das
es nachhaltig prägt.
Aufgrund der frühen emotionalen Bindung und Prä-
gung durch die M. behält diese im Laufe des Lebens
eine zentrale affektive Rolle für die Vermittlung emo-
tionaler, persönlichkeitsprägender Kommunikationsin-
halte, die in der Regel nicht in gleicher Weise in ei-
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Volume 2 : J – Pl
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1942
- Volume
- 2 : J – Pl
- Authors
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Size
- 24.0 x 28.0 cm
- Pages
- 502
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur