Page - 59 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Übersichtsband, Ungarn (1), Volume 5
Image of the Page - 59 -
Text of the Page - 59 -
59
standen die zahlreichen Hofbediensteten (Jäger, Fischer, Köche, Falkner, Wagner, Zimmer-
leute, Schmiede und andere), die vom Könige Boden zugewiesen erhielten, für dessen
Nutznießung die männlichen Nachkommen zu bestimmten Dienstleistungen verpflichtet
waren. Solche Hofdienstleute wurden in großer Anzahl auch von Prälaten und Vornehmen
gehalten, welche ihre Höfe nach Art des Königshofes einrichteten.
Die ungarische Nation, welche selbst nach ihrer Ansiedlnng noch hundert Jahre lang
zu Pferde und in Zeltlagern ein kriegerisches Leben führte, machte uuter der mehr als
vierzigjährigen Regierung Stefans eine große Umwandlung durch: sie ließ sich in festen
Wohnsitzen nieder und gewöhnte sich an das Ackerbauleben. Die aus dem Zeitalter Stefans
erhalten gebliebenen Stiftungsbriefe von Klöstern geben bereits Zeugniß von der Ver-
breitung des Acker- und Weinbaues, von der Ausübung der Handwerke. Daß die Magyaren
den Ackerbau von den unterjochten Slaven erlernten, beweisen die aus dem Slavischen
entlehnten Ausdrücke für die Bodenbearbeitung (dorona Egge, daräöäa Furche, asötax
Getreidehaufen, xereblye Rechen, Spreu, Sense, kapa Haue u. s. f.);
iu den Handwerken dagegen waren ihre Meister die eingewanderten Teutschen, obzwar die
Magyaren einige selbst im Steppenleben nothwendige Handwerke, wie Waffenschmiede-
kunst, Sattlerei, Riemerei, Gerberei, Goldschmiedekunst sicherlich noch aus ihrer Urheimat
mit herübergebracht hatten.
Stesan nahm, um sein Umgestaltungswerk zu beschleunigen, mit Freuden alle
Missionäre, alle seinen Hof aufsuchenden christlichen Ritter, alle im Lande sich ansiedelnden
deutschen, italienischen, slavischen und petschenegischen Colonisten auf. In der an seinen
Sohn gerichteten Ermahnung, in welcher er von den königlichen Pflichten und Tugenden
mit erhabener Auffassung spricht, legt er den Schutz, die Förderung der Fremden seinem
künftigen Nachfolger ganz besonders ans Herz, indem er betont: „ein Land mit einer
Sprache und einer Sitte ist schwach und gebrechlich". Es wäre aber ein Irrthum, ihn
wegen dieses Spruches der Vorliebe für das Ausländische, der Verachtung vaterländischer
Sitten nnd Gebräuche zu zeihen. Vielmehr war er es, der es seinem Sohne zur Pflicht
machte, daß er dem Beispiele der Vorfahren folge, denn „welcher Grieche könnte die Lateiner
nach griechischer Sitte und welcher Grieche die Griechen nach lateinischer Sitte regieren?"
Daß Stesan während seiner langen Regierung schwere Kämpfe zu bestehen hatte,
geht aus deu an seinen Sohn gerichteten Worten hervor, denen zufolge er fast seiu
ganzes Leben nnter Kriegsstrapazen und Bekämpfung der Invasionen verschiedener Völker
zubrachte. Aus der Reihe dieser Kriege erwähnt die Geschichte blos die Niederschlagung
des das Heideuthum verfechtenden jüngeren Gynla nnd die engere Verbindung Sieben-
bürgens mit dem Reiche (1002), ferner die Niederwerfung der benachbarten Petschenegen
(1003), die Kriege, welche Stefan als Verbündeter Heinrichs II. gegen den polnischen
back to the
book Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Übersichtsband, Ungarn (1), Volume 5"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, Ungarn (1), Volume 5
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Übersichtsband, Ungarn (1)
- Volume
- 5
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1888
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.41 x 22.5 cm
- Pages
- 532
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch