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ordneten sich zum Sturm, In dem Schlosse legte Zrinyi Panzer und Helm ab, zog Fest-
kleider an, einen leichten seidenen Dolman und einen Mente (Überwurf), in welchen er
100 Dukaten einnähen ließ: „damit derjenige, der seine Leiche plündern würde, es nicht zu
bereuen habe". Dann setzte er den Kalpak auf, den er bei seiner Hochzeit getragen hatte,
wählte sich unter seinen vielen Säbeln einen leichten, der von seinem Vater stammte, nahm
die Schlüssel des Schlosses zu sich, die er lebend nicht aus den Händen lassen wollte, und
stieg hinab in den Hof zu seinen mit gezückten Schwertern und in voller Rüstung bereit-
stehenden Kampfgenossen. „Soldaten! Brüder!" rief er mit kräftiger Stimme, so daß ihn
Jeder verstehen konnte, „hier in der Festung ist unseres Bleibens nicht mehr. Wir sind
unserer Wenige, haben nichts mehr zu essen, nichts mehr zu trinken! Bis heute war kein
Feigling, kein Verräther unter uns! Auch in dieser letzten Stunde soll es keinen geben!
Fallen wir aus, sterben wir wie Soldaten inmitten des Feindes! Ich gehe voran, folget
mir!" — „Jesus! Jesus! Jesus!" ertönte dreimal der ungarische Schlachtruf. Hervortrat
Loreuz Jnranics und übernahm die Fahne des Obercapitäns. Das Thor öffnete sich. Eine
mit einer Art Kartätschen geladene Kanone wurde abgeschossen und inmitten des Rauches
stürzten sich zuerst Juranics, ihm nach Zrinyi, in seiner Linken einen kleinen Schild, in
seiner Rechten das gezückte Schwert haltend, unter die Jauitschareu; dem Kommandanten
folgte die Besatzung. Von allen Seiten wurden sie von einem Kugelregen empfangen,
Zrinyi in die Brust und in die rechte Schläfe getroffen. Er stürzte. Ein kriegerisches,
trinmphirendes Allah-Geschrei verkündete seinen Fall. Hinter ihm fielen seine Genossen,
einer nach dem andern, „auf der Stelle, wo sie gestanden". Wer uoch am Leben blieb,
wurde in das Schloß zurückgedrängt, die Türken stürmten ihnen durch das offene Thor
nach und weiter wüthete der Kamps, Mann gegen Mann, bis die ganze Besatzung, uur
einige Mann ausgenommen, gefallen war. In diesem Kampfe fielen entweder noch draußen
oder schon in der Festung die Hauptleute, die nach so vielen Stürmen noch am Leben
waren: Papratovics, Patacsies, und unter den Jünglingen, die Zrinyi an seinem Hofe
zum Kriegshandwerk erzog und die von ihm das Sterben lernten: Johann Bajoni, Paul
Jstvänffy und Georg Csäky, Sprosse der Familie Csäky von Keresztszegh. Das Schloß
war voll mit Ungar- und Türkenleichen, so daß man, ohne auf sie zu treten, nicht gehen
konnte. Das Blut floß in Strömen, so daß es „förmlich zu schöpfen war". In diesem
Augenblick — das Schloß war schon ganz in den Händen der Türken — erreichte das
Feuer das in dem Zeughause aufbewahrte Pulver. Die alten Gebäude wurden durch die
riesige Erschütterung total zerstört und begruben noch etwa 3.000 Türken unter ihren
Trümmern. Suleyman sah den blutigen Sieg nicht mehr. Er starb, wuthentbrannt über die
hartnäckige Vertheidigung, zwei Tage vor dem Falle Szigetvärs (5. September). Sein Heer,
dem dieser Sieg mehr als 20.000 Mann gekostet hatte, zog sich eilends in die Heimat zurück.
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, Ungarn (1), Volume 5
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Übersichtsband, Ungarn (1)
- Volume
- 5
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1888
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.41 x 22.5 cm
- Pages
- 532
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch