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zu neuem Leben erwacht war. Anderseits erforderte der Krieg unausgesetzte Opfer. Man
mußte fortwährend Geld und Naturalien beisteuern, ohue die Bewilligung des Reichs-
tages; unausgesetzt kamen und gingen und brandschatzten die vielen fremden Soldaten,
welche durch deu Sieg nicht bescheidener wurden uud gegen deren Gewaltthätigkeiten nnd
Ausschweifungen weder Edelmann noch Bauer irgendwo ihr Recht finden konnten. Dazu
gesellte sich die Furcht, daß das, was bisher nur eine provisorische, vorübergehende Last war,
mit der Zeit sich in eine stabile umwandeln könnte, denn der Geist der Lobkowitze und der
Hocher war uoch nicht ausgestorben, wurde vielmehr noch stärker und hatte einen mächtigen
Vertreter in dem Graner Erzbischof Leopold Kollonics (1695 bis 1707) gefunden, der,
seiner Abstammung nach ein Slave, seiner Nationalität nach ein Deutscher, den Gesetzen
nach als Jndigene ein Ungar, jenen Eiser und jene Hingebung, welche er als Jüngling in
der militärischen und bald darauf in der geistlichen Laufbahn bethätigt hatte, in die
Politik und die Finanzverwaltnng — er war Kammerpräsident — übertrug, und seine
strengen absolutistischen Grundsätze auch auf Ungarn angewendet wissen wollte. Während
es unter den Ungarn noch Viele gab, die schon in der Annahme der Habsburgischen
Erbfolge eine „Leibeigenschaft" erblickten nnd die polnische Adelsrepublik für das Ideal
eines Staates hielten, plante Kollonics mit den Ansprüchen und dem Absolutismus eines
modernen Staates Criminal- und Civilgesetzbücher, volkswirthschaftliche Verfügungen, ein
neues Steuersystem und eine gewisse Rechtsgleichheit in Bezug auf die Vertheiluug der
Lasten einzuführen — und dies Alles mit Hilfe der Deutschen, ohne Reichstag, autokratisch,
mit Hintansetzung der ungarischen Verfassung, welche zwar eine aristokratische Freiheit,
aber doch eine Freiheit gewährte. Als er mit diesem Plane vor einige ungarische Herren
als Vertrauensmänner trat (1696), wagte nur Einer offen zu widersprechen, der ehemalige
Pauliuer, nunmehr Kolocsaer Erzbischof Paul Szecheuyi, Georg Szechenyis Neffe, dem
es auch gelang, Leopold begreiflich zu macheu, daß all dies ohue Zustimmung des Reichs-
tages uud der Nation ins Leben treten zu lassen, weder rathsam noch möglich wäre.
Trotzdem war die Strömung unter den Wiener Ministern vorhanden, blieb bestehen und
machte ihre Wirkung auf das Land in vielfacher Weise fühlbar.
Das gleichsam natürliche Haupt der Unzufriedenen war Franz Räkoczy U., in
welchem als dem letzten Mannessprossen alle Traditionen der Räkoczy, Zrinyi, Bäthory
und Frangepän sich vereinigten. Räkoczy, einer der reinsten Charaktere der ungarischen
Geschichte, der keinerlei Egoismus kannte, höchstens den Banden seiner Familientraditionen
nnd seiner Stellung sich nicht entwinden konnte, kam nach der Capitnlation von Mnnkäes
als zwölfjähriger Knabe nach Wien nnd von dort nach Böhmen. Er wurde feru vom
Vaterlande erzogen, heiratete eine deutsche Prinzessin, und verlor doch nie die patriotische
Begeisterung, obgleich er sie zu verbergen wußte. Als er im Jahre 1694 auf seine Güter
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, Ungarn (1), Volume 5
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Übersichtsband, Ungarn (1)
- Volume
- 5
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1888
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.41 x 22.5 cm
- Pages
- 532
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch