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erledigt, dessen Mitglieder durch den Grundherrn zusammengestellt wurden. Fast noch ein
Jahrhundert lang durfte kein Bauer oder Bürger in eigener Person gegen einen Edel-
mann auftreten, sondern mußte seine Sache dem Comitats- oder städtischen Fiscal über'
tragen. Es war übrigens ein schöner Gedanke, der sich freilich in der Praxis nicht immer
bewährte, daß die Gesammtheit der Herren uud Adeligen, das Comitat, znm Vormund
und Schutz der Unterthanen gegen ihre Herren bestellt wurde.
Ihren Kräften gemäß entsprachen die Comitate ihren zahllosen Aufgaben. Was aber
jedes derselben that, that es isolirt, wie wenn es ein abgesonderter unabhängiger Canton
wäre. Die Aufgabe des königlichen Statthaltereirathes, welche oberste Regierungsbehörde
als ein regelmäßiges Dieasterium ihre Funktionen am 21. März 1724 in Preßburg antrat,
wäre es gewesen, der Organisation des Landes die nöthige Einheitlichkeit zu verleihen und
die Vollziehung der Gesetze überall aus der Nähe zu überwachen. Der Theorie nach vertrat
der Statthaltereirath den König während dessen Abwesenheit, so daß er, wenn der König
ins Land kam, seine Functionen nur mit dessen specieller Ermächtigung fortsetzen konnte. In
seinen Wirkungskreis gehörte die gesammte, im weitesten Sinne genommene Administration,
selbst das directe Steuerwesen; denn das oberste Organ der Kammer, welches sich gleichfalls
in Preßburg befand, beschäftigte sich nur mit der iudirecten Besteuerung und mit der
Verwaltung der Kameralgüter. Sein Präsident war in Abwesenheit des Königs als dessen
Stellvertreter der Palatin. Unter seinen Räthen mußten die drei Landesstände: Prälaten,
Magnaten und Adel vertreten sein. Von seinem über das ganze Land — mit Ausnahme
Kroatiens, welches unter der unmittelbaren Verwaltung des Banns stand — ausgedehnten
Wirkungskreise erwartete man viel, namentlich für das Aufblühen des Handels, welchen
man damals im Geiste des Merkantilismus sür die Hauptquelle des Nationalreichthums
hielt. Der Statthaltereirath that sicherlich viel, aber die Executive nach unten lag nicht in
seinen Händen und nach oben hing er vollkommen von der Hofkanzlei ab, an deren Spitze
jetzt zum ersten Male ein Weltlicher, Graf Nikolaus Jllöshäzy stand. Denn diese in
unmittelbarer Nähe des Königs befindliche oberste Regierungsbehörde konnte auf die Krone
den größten Einfluß ausüben.
Auch die Rechtspflege trachtete die karolinische Zeit zu ordnen. Das oberste Gericht
des Landes, die Septemviraltafel, wurde ueu orgauifirt. Die königliche Tafel, welche bis
dahin nur zeitweise, in jährlich zweimal znsammentreteudeu Gerichtsstühlen fnngirte und
in den für den Adel wichtigsten Besitzprocessen, aus welchen das im damaligen Sinne
genommene Eigenthumsrecht hervorging, als erste Instanz urtheilte, wurde stabil. Diese
beiden Tafeln bildeten zusammen die königliche Curie, welche schon damals mit richtigem
Tacte in das Herz des Landes, nach Pest verlegt wurde, während zn Sitzen der an-die
Stelle der fahrenden Gerichtsbarkeit der Protouotare getretenen vier Diftrictualtafeln laut
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, Ungarn (1), Volume 5
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Übersichtsband, Ungarn (1)
- Volume
- 5
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1888
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.41 x 22.5 cm
- Pages
- 532
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch