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Thongefäß mit Blechdeckel; darüber und darunter Glut. In dieser Pfanne brät gewiß
das Gegenstück des Strudels, der soeben dort ans jenem ausgezogenen Tische dünngedehnt
wird, indem zwei Mädchen von zwei Seiten her jede ein fanstgroßes Stück gekneteten Teig
so lange ausdehnen, bis er den Rand des untergelegten Tischtuches erreicht, so daß ihn eine
altrömische Messalina als wniea vitrea anlegen könnte. Dann wird er von der magyarischen
Hauswirthin mit Eier, Rahm, Mandeln und Rosinen bestreut, zusammengerollt, wie eine
Schlange in die Bratpfanne hineingeringelt und an langsamem Feuer braunroth gebacken.
Ein anderes Mädchen schürt mittlerweile rings um die Lehmverschlußplatte des unter dem
Herd befindlichen Backofens die herausgezogene Glut zusammen nnd im heißen Ofen
werden die hoch aufgegangene» Kuchen gar; nnd wieder eine andere Magd zerkleinert
mittelst des halbmondförmigen, mit zwei Handgriffen versehenen Hackmessers auf kreis-
runder Brettschüssel einiges Fleisch, das bestimmt ist, mit Reis gemischt in Krautblätter
eingewickelt zu werden. Ein Bursche stößt Pfeffer in einem Mörser, groß wie eine Kanone,
ein flinkes Stubenmädchen peitscht mit einer Ruthe aus Messingdraht im zinnernen Becken
schneeweißen Eierschaum, dessen man zum Breikoch bedarf. Die Oberköchin selbst ist überall
und nirgends, sie leitet das ganze Concert; sie begießt den erröthenden Truthahn mit
Fett, das iu den untergestellten Steingutteller zurückträufelt, sie bestreut den Strudelteig
erst mit dem trockenen, dann mit dem feuchten Zubehör, verkostet mit dem hölzernen Koch-
löffel die heißen Speisen und beurtheilt, was ihnen noch fehlt, sie verfügt über Pfeffer-
nnd Salzbüchse, Paprikadose und Muskatnußbüchse, sie läßt dem Ofen nachhelfen, untersucht
die immer brauner gewordenen Kucheu, ob nicht ihre untere Fläche anzubacken droht, sie
beklopft das Untertheil des Gugelhupfs, eoutrolirt den Strudel, indem sie mit der spatel-
förmig endenden Gabel in das brodelnde, wnrstsörmige Gebilde hineinstochert, sie trifft
ihre Auswahl unter den mancherlei schmucken Kupfer-, Blech- und Holzwerkzengen; das
Krapfenblech, der Sporn für die Teig-Täschchen, das zierliche Knttelfleckmesser, das
Hohlhippeneifen, der Prügelkrapfenstock, für jedes kommt seine Zeit. Die größte Knust
aber ist es, und viel Übung gehört dazu, die Mehlspeise für die Suppe mit einem großen
Schneidemesser strähuzwirnsdünn zu schneiden." U. s. w. n. s. w. In Siebenbürgen gab
es wieder eine andere Kochkunst und Speiseart, die wir auf Grund der Monographie
Apors bei der Beschreibung Siebenbürgens erörtern werden; dort hat sich die Kunst des
Kochens und Anrichtens und der Anordnung von Gastmählern völlig zu einer Wissenschaft
entwickelt.
Es gibt nationale Speisen und Gebäcksarten, welche im ganzen Lande berühmt und
begehrt sind, aber nach der besonderen Art einer Gegend zubereitet werden. Solche sind
die geflochtenen Beugel von Debreezin, der Debreeziner Strudel und Lebkuchen, zwei Arten
Keeskemeter Strudel, der siebenbürgische Blätterknchen, das Klansenbnrger Germgebäck,
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, Ungarn (1), Volume 5
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Übersichtsband, Ungarn (1)
- Volume
- 5
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1888
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.41 x 22.5 cm
- Pages
- 532
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch