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sie im Jahre 1665 zusammenzuschreiben uuter dem Titel der „Chronik von Csittvär"
(dsittvnri krönika); eine merkwürdige Sammlung aller jener interessanten kleineren
Daten, welche die große Geschichte aufzuzeichnen vergessen hat, größtentheils satirische
Züge gegen die Mönchsorden, Höflinge und Magnaten, darunter auch denkwürdige
Epigramme, Spottverse und politische Pasquille. Daher war dieses Werk vielen Verfol-
gungen ausgesetzt, es hat niemals die Druckerschwärze gesehen und ist nur schriftlich
vervielfältigt worden; einzelne Bände davon finden sich noch jetzt in den Archiven
ungarischer Familien. Bekannt war sie jedoch aller Welt, und wenn irgend ein besonderer
Thorenstreich ruchbar wurde, pflegte man zu sagen: „Auch das gehört in die Chronik von
Csittvär." In den letzten Jahrzehnten aber sind schon umfangreiche Sammlungen
erschienen, von Vas Gereben, Kandid Hegedüs, Karl Hajnik und Manrüs Jökai
redigirt, und da finden wir aus tausend und aber tausend Mosaikstiftchen zusammengesetzt
das Bild des magyarischen Volkslebens. Manche Anekdotenkreise zeichnen und coloriren
ganze Epochen; die in der jüngsten Vergangenheit entstandenen wollen wir in thunlichster
Kürze beleuchten, da ihre Repräsentanten schon größtentheils auf Nimmerwiederkehr
verschwunden sind, während andere noch leben, aber nach ganz neuen Begriffen umgestaltet,
wie dies z. B. ein Vergleich des ehemaligen und jetzigen Kortesführers erkennen läßt.
Solche Gestalten sind der tablabirü, der patvarists, und ^uratus, der insurAens, die
Herren vom niederen Adel, die alten Frohnbanern, der leFÜtus, die fahrenden Schauspieler,
der pereFrinus, der tö^ätus ckiäk, der kort^oncki paMs (Zechbruder), dann der Kantor,
der Geistliche, der Husar, der obsiws, der Jäger und der arme Zigeuner.
Der tab1g.birv (Gerichtstafelbeisitzer). Dieses Wort umfaßt die Elemente der
Rechtspflege und Verwaltung der ehemaligen Adelsepoche. Zum täbladirö wurden
hervorragende Männer durch die Comitatsversammlung ernannt. Der tädladirü nahm
an den Berathungen theil, gab den Abgeordneten Jnstrnctionen, hielt Reden in der
Comitatsversammlung, stimmte bei Gericht, fnngirte bei Exmissionen; er baute Straßen,
regnlirte Gewässer, stellte Rekruten, inspicirte Gefängnisse, verhörte Gefangene, verfolgte
Räuber; er saß auf dem Herrenstuhl (herrschaftliches Gericht), er vollzog Grenzbegehungen,
er protestirte, consirmirte, collandirte, vidimirte, limitirte Fleisch, und erhielt für all das
nicht die geringste Bezahlung. Es gab tüchtige, eifrige täbladiro, welche dem nnbesoldeten
Amte Zeit, Vermögen und Talent opferten; die meisten aber waren doch mehr für
„kvmmväitäs" und für den Schlendrian.
Der täblakirü hat 'sich in früherer Zeit manches Verdienst um Ungarn erworben;
gab es irgend eine gemeinsame Noth, Überschwemmung, Seuchen, Mißwachs, so war er
die unmittelbare Vorsehung des Volkes; er kämpfte für die nationale Existenz; er
verwaltete die öffentlichen Angelegenheiten mit Weisheit, wenig Geld nnd viel Ehre; er
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, Ungarn (1), Volume 5
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Übersichtsband, Ungarn (1)
- Volume
- 5
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1888
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.41 x 22.5 cm
- Pages
- 532
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch