Page - 364 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Übersichtsband, Ungarn (1), Volume 5
Image of the Page - 364 -
Text of the Page - 364 -
364
Orchester, Sänger, ja nach Fehler auch Sängerinnen hielt. Die Vorzüglichkeit dieses
Orchesters und Chores bekundet hinreichend der Vultnraner Bischof Pe t e r in einem
Briefe an Papst Sixtus IV., worin er erklärt, nichts Trefflicheres gehört zu haben.
J o a u n e s T i n c t o r i s widmete sein Buch „l'erininorum musieue ckikllmtoriuin", das
erste musiktheoretische Druckwerk der Weltliteratur, seiner Schülerin, der Jnngfran Beatrix,
Tochter Ungarns, also Matthias' Braut.
Da die Verfasser der Encyklopädien über mehrere Lebensjahre dieses großen, ein
allgemeines Interesse beanspruchenden Mannes nichts zn sagen wissen, und da dessen
obenerwähntes Werk, das uur noch in wenigen Exemplaren zu finden, ohne Ort und
Jahreszahl erschienen ist, dürfen wir wohl fragen, ob nicht der Meister seiner Schülerin
nach Ungarn gefolgt sei und ob nicht vielleicht das interessante Werk gerade der Frei-
gebigkeit Matthias' seiue Entstehung verdanke. Wie dem aber auch sein mag, so viel ist
sicher, daß einige Jahrzehnte später der aus Kremuitz gebürtige Wiener Gymnasiallehrer
Stesan M o n e t a r i n s mit einem 1513 in Krakan veröffentlichten und dem Georg Thnrzö
gewidmeten Buche in die Spuren des Tinctoris trat.
Nach solchen Prämissen sind wir berechtigt anzunehmen, daß das Musikleben des
XVI. Jahrhunderts sich uoch bedeutend reicher entwickelt haben würde, wenn nicht die
zerstörenden Ereignisse dieses Jahrhunderts die Künste überhaupt gänzlich in den Hinter-
grund gedrängt hätten.
Von den erhalten gebliebenen Kunstdenkmälern, welche sich in einigen, sozusagen
als Uuica geltenden Exemplaren vorfinden, hat der ehemalige Bibliothekar des Museums,
Gabriel M ä t r a i , im Auftrage der Akademie der Wissenschaften einen Band zusammen-
gestellt (1859): Die Hoffgräfs'sche Sammlung und die Gesänge Sebastian T inödis . In
dieser Liedersammlung befinden sich zusammen neunzehn Lieder, und zwar von Kaspar
Ba jna i , Andreas Bat iz i , Stesau Csükei , Andreas Desi, Andreas Fa rkas , Peter
Käkouyi, Blasins Szekely, Michael S z t ä r a y , Michael T a r j a i und einem Unge-
kannten, überdies ein Bruchstück von Andreas F a r k a s und ein Scherzlied von Christos
O r m prust.
Es ist höchst überraschend, daß die poetische Empfindung der Genannten mitteu in
den Stürmen, welche den allgemeinen Untergang drohten, sich nicht in patriotischem
Schmerze oder in der Ermnthiguug äußerte, sondern — mit Ausnahme des letzteren —
einstimmig den biblischen Geschichten galt. Dabei müssen wir jedoch bedenken, daß diese
Strömung dem Protestantismus angehört, welche, in Wettstreit mit der römisch-katholischen
Kirche getreten, die Legenden derselben in ihrem neuen Geiste ersetzen wollte.
Die äußere Form dieser Gesänge ist die der Strophe wie bei den Volksliedern. In
ihren Rhythmen pulsiren nicht die heutigen Choriamben, sondern Gemengsel von Spondeen
back to the
book Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Übersichtsband, Ungarn (1), Volume 5"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, Ungarn (1), Volume 5
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Übersichtsband, Ungarn (1)
- Volume
- 5
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1888
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.41 x 22.5 cm
- Pages
- 532
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch