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Polnischen Ursprunges sind auch die zusammengezogenen (synkopirten) Rhythmen,
wogegen die paarigen und gleichgemessenen mit den slavischen und romanischen Rhythmen
identisch sind. Auf welche Art aber der Slave, der Romane und der Magyare diese
Rhythmen mit der Melodik vereinigt, das ist in den Liedern aller drei Nationen sofort
zu erkenne».
Der Grund des Unterschiedes ist, da alle drei denselben Rhythmus verwenden,
nicht in diesem selbst, vielmehr im nationalen Temperament, in der politischen Stellung
und im gesellschaftlichen Leben der Betreffenden zu suchen. Im slavischen Volkslied äußert
sich ein sanfter Humor, ein sanftes Leid, beides sehr gemäßigt. Im Romanischen finden
wir mehr trübsinnige Eintönigkeit, mehr Klagemäßiges; durch seine erweiterten Secunde-
stufen, welche es, wenn auch selten, ebenfalls anwendet, gewinnt es eine gewisse Wildheit
und begnügt sich mit dem dudelsackmäßigen ewigen Gebrumm der Tonica und der
Dominante. Das Magyarische ist von alledem das völlige Gegentheil. In Freud und Leid
bleibt es selten auf der Mittelstraße, seine Leidenschaft ist fast unbezähmbar und es sucht
daher selbst über den Tonzirkel der Oetave hinüberzuschweifeu, indem es sich auch mit
Unter- und Ober-Dominante und jeder parallelen, ja selbst in anderer Musik ungewöhn-
lichen Harmonie paart.
Die obige rhythmische Mischung der magyarischen Volkslieder war für das
magyarische Volk weit vortheilhafter, als wenn es ausschließlich über seine Choriamben
zu verfügen hätte. Das Tauschverhältniß zwischen den Völkern Ungarns darf man, trotz
künstlich gehegter Nationalitätsfragen und Bitterkeiten, ein fortgesetztes nennen. Es
entstehen magyarische Volkslieder mit slavischem und romanischem Elemente vermischt,
uud hinwiederum hört man bei Leuten romanischer, besonders aber slavischer Zunge
die magyarischen Choriamben.
Werfen wir nun eiueu Blick auf den Einfluß der Kirche. Da in älteren Zeiten die
Kirche die einzige Lehrerin des Volkes war und nur im kirchlichen Geiste lehrte, ist es
natürlich, daß die so erlernten Kirchenlieder auch auf die Entwicklung des Volksliedes
maßgebend einwirkten, und zwar sowohl die römisch-katholische als auch die protestantische
Kirche, jede in einer eigenen Richtung. Es bildeten sich dadurch zwei eigenthümliche Arten
von Melodik aus. Das Volk der römisch-katholischen Kirche bediente sich verzierterer
Melodien, worauf auch die kirchliche Instrumentalmusik von Einfluß sein mochte, wofür
Und da - rin - nen
Und da - bei mit
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ja zur Welt ge
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, Ungarn (1), Volume 5
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Übersichtsband, Ungarn (1)
- Volume
- 5
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1888
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.41 x 22.5 cm
- Pages
- 532
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch